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# taz.de -- Die Wahrheit: Piep, piep, wir haben uns alle lieb
> Die Wissenschaft ist sich sicher: Aus dem All kommen momentan
> Friedenssignale. Deshalb: Wapetentechsel jetzt! Dringend!
Ein durchdringendes, ein fiependes Geräusch. „Piep, Piep“, macht es und
dann erneut: „piep, piep“. Im vierten Stock der Friedensforschung an der
Bergischen Universität Wuppertal hört es überhaupt nicht mehr auf zu
fiepen. Fieberhaft versucht eine studentische Hilfskraft den Ort des
Piepens zu lokalisieren. „Piep, piep“, kommt es schon wieder aus dem
linken, rückwärtigen Deckenbereich, „piep, piep, piep, wir haben uns alle
lieb!“, ertönt schließlich eine ansprechende Computerstimme aus dem
digitalen Kassettenrekorder Marke Quelle. Erleichtert sinkt Wally
Wüllenweber in ihren ergonomischen Drehstuhl.
„Noch mal gut gegangen, dieser Experimentbeginn und überhaupt der
Versuchsaufbau bei ‚Schwerter zu Mondgesichtern‘ von Professor Müllschön�…
ächzt die 63-jährige verdiente Kraft, die sich seit ihren hoch diplomierten
Studienabschlüssen in Sowjetistik, Orientalistik, Amerikanistik, Sinologie,
Faschismus und Geldpolitik mit unbefristeten Kurzzeitverträgen hier an der
Bergischen Universität im vierten Stock über Wasser hält.
Es sei aber „knapp“ gewesen, denn der Versuchsaufbau „so hoch oben, da
draußen im Weltraum war doch recht anstrengend zu bewerkstelligen“.
Außerdem seien die „mickrigen“ Fördermittel der Landesregierung von
Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Gesellschaft für extraterristrische
Politik (DGEP) erst gestern eingetroffen.
„Aber wir sind Kummer gewohnt“, sagt die bekennende Zierpflanzenfreundin,
„nach unseren Berechnungen der sogenannten ‚Wuppertaler Friedenstabelle‘
gab es den letzten richtigen Frieden im Jahr 1648, das war der Westfälische
Friede von Münster und Osnabrück.“ Da hätte es pazifistisch gesehen, „so
richtig gefunkt“.
Auch was die Trennung von Gott, Göttern und Staaten angeht, sei man da
„kurzfristig ganz weit vorne gelegen, ein Wunderwerk der säkularen
Dreistigkeit, wenn Sie so wollen“. Der kriegerische Rest im Gefolge sei ja
hinlänglich bekannt.
Wir wollen das sehr gern auch alles so wollen und sehen, noch viel mehr
wollen wir aber heute im vierten Stock der Friedensforschung an der
Bergischen Universität Wuppertal zuvörderst begreifen, um was es da
eigentlich friedenstechnisch überhaupt geht, da oben im All, so weit
draußen.
Ist von der Schwebebahn-Metropole Wuppertal aus der mal wieder akut
wankende Weltfrieden zum Mond geschossen worden? Und ist von dort oder in
der Nähe wahrhaftig eine substanzielle Botschaft zurück zur Erde gekommen,
ja vielleicht sogar gefunkt worden? Und, falls ja, was heißt das dann für
uns „kleine“ Menschen hier unten auf der „Welt“, so wie wir sie glauben…
kennen? Was will das Team um Professor Müllschön und Wally Wüllenweber uns
mit seinem „Friedensexperiment im All“ sagen?
Fragen über Fragen und Teilentwarnung! Denn mit Wally Wüllenweber, die
trotz Rauchverbot an der Bergischen Universität Wuppertal Zigarrenkette bei
geschlossenen Fenstern raucht, haben wir eindeutig die Fachfrau der Materie
vor uns und wild gestikulierend sitzen. Ob es Professor Müllschön überhaupt
gibt? Egal. Wüllenweber wird uns sicherlich restlos jede Frage rund um das
Thema Frieden auf Erden und in sämtlichen Milchstraßen aller Galaxien
erschöpfend beantworten.
Vorher berichtet uns die geborene Dortmunderin aber auf Nachfrage, denn wir
haben uns ob der Schwere des Themas überlegt, doch eine leichte
Eisbrechereröffnung vorzuschalten, noch lebhaft von ihrem „liebsten Hobby,
dem ich nicht so nachgehen kann, wie ich es gerne täte. Professor Müllschön
hält uns alle hier ganz ordentlich auf Trab!“
Wir nicken verständnisvoll, besehen uns in einer Atempause von Wally
Wüllenweber eingehend die komplizierten Apparaturen und langwierigen
Schriftsätze, die hier im vierten Stock der Bergischen Universität
Wuppertal zu den Themenkomplexen „Frieden“, „Weltfrieden“, „Welt und
Frieden“, „Frieden und Welt“, „Tauben“, „Friedenstauben“, „Mens…
Dummheit und Gewalt ff.“ notdürftig in den Billy-Regalen eingelagert sind,
ja sie auch immer mal wieder sprengen.
„Also“, hebt Wüllenweber mit um alles wissender Stimme an, „also wissen
Sie, mein liebstes Hobby, und das schon seit meiner Konfirmandengruppe, ist
es, witzige Begebenheiten aus Zeitungen auszuschneiden. Solange noch
gedruckt wird, werd ich das machen, dann ist Schluss.“
Wir sind gespannt, was jetzt noch kommt.
„Wissen Sie, letztens stand da doch glatt drin in der Zeitung, dass
jemandem drunten in Afrika ein Viech abhanden gekommen ist. Ganz zahmes
Viech, das für sein Leben gern Kekse isst. Hab vergessen, was für ein
Viech. Jedenfalls hat der Mann sich gedacht, da drunten in Afrika, hat er
sich also gedacht, wenn er sechs Kilometer nach Süden und sechs Kilometer
nach Norden eine Keksstraße anlegt, dann wird das Viech schon wieder
reintraben in den Stall. Und so war es denn auch. Schön, nicht wahr?“
## Was für eine friedliche Geschichte
Wir nicken bewegt. Tatsächlich, was für eine friedliche Geschichte! Und was
für ein wunderbar friedliches Hobby! Aber wie geht es jetzt weiter hier im
vierten Stock der Friedensforschung an der Bergischen Universität
Wuppertal? Wie weiter für Wüllenweber, Müllschön et al.?
Die erfahrene, jahrzehntelange studentische Hilfskraft wiegt so sorgenvoll
wie wissend den dauergelockten Kopf. „Ich kann ihnen eins verraten, aber
berichten dürfen Sie es noch nicht: Wir haben auf unser digital gesteuertes
Kassettenrekordersignal ‚Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb!‘,
soeben eine Antwort aus dem All erhalten!“
Jetzt sind wir aber gespannt, ja elektrisiert. Zeitigt der Versuchsaufbau
bei „Schwerter zu Mondgesichtern“ unter der Ägide von Professor Müllschön
hier in Wuppertal so derart rapid belastbare und, ja, vor allem für den
Frieden verwertbare Ergebnisse? Was will uns, was hat uns der Weltraum zum
Thema Frieden und so weiter und sofort mitzuteilen?
Wally Wüllenweber drückt eine unscheinbare grüne Taste an der verwitterten
Wand zum Fenster, das sich ins weitläufige Bergische Land öffnet. Ein
kleines Fensterchen springt wie aus dem Nichts plötzlich im großen Fenster
auf. Es qualmt ein bisschen, wir erkennen einen Schriftzug hinter dem
offenen Fensterchen, können ihn aber fürs erste nicht lesen.
„Was steht da?“, fragen wir die Friedensfachkraft.
„Gemach, gemach“, sagt Wüllenweber, „lassen wir erst noch den weißen Ra…
abziehen.“ Gesagt, getan. Wenige Sekunden später dann die Offenbarung: In
großen weißen Lettern lesen wir die Botschaft aus dem All. „Ein
Zwischenstand“, bescheidet Wüllenweber uns. Im offenen Fensterchen steht:
„Wapetentechsel! Dringend!“
10 Aug 2024
## AUTOREN
Harriet Wolff
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