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# taz.de -- Katalanischer Separatist Puigdemont: Gekommen, um erneut zu fliehen
> Vor Eröffnung des katalanischen Parlaments taucht Separatistenführer
> Carles Puigdemont plötzlich in Barcelona auf. Um danach wieder zu
> verschwinden.
Bild: Große Gesten: Carles Puigdemont sprach am Donnerstag in Barcelona überr…
Berlin taz | Kurz vor 9 Uhr tritt Carles Puigdemont an diesem heißen
Donnerstag auf die Bühne vor dem Triumphbogen im Zentrum der katalanischen
Hauptstadt Barcelona. Vor ihm Tausende seiner Anhänger. „Wir sind noch
immer da, wir haben nicht das Recht, aufzugeben“, beteuert er unter Beifall
und Unabhängigkeitsrufen. Nach knapp sieben Jahren [1][im belgischen Exil]
war der 2017 von der spanischen Regierung per Verfassung abgesetzte
ehemalige Präsident der katalanischen Generalitat, der Autonomieregierung
der Region zurückgekehrt – trotz Haftbefehls und unbemerkt von Polizei und
Grenzschützern.
Puigdemont hielt damit sein Versprechen ein, zur Eröffnungssitzung des im
Mai gewählten katalanischen Parlaments, in dem auch er einen Sitz erlangt
hatte, zu erscheinen. Allerdings nicht als Wahlsieger, wie der Chef der
Partei Junts per Catalunya (Gemeinsam für Katalonien) gehofft hatte.
Nur eine Stunde später sollte sich der Sozialist Salvador Illa den
Abgeordneten im Parlament als Kandidat für das Amt des Präsidenten der
Generalitat stellen. Anders als Puigdemont hat er eine knappe Mehrheit
hinter sich versammelt. Neben seiner sozialistischen PSC und den
Linksalternativen möchte auch die bisher regierende Unabhängigkeitspartei
Republikanische Linke Kataloniens (ERC) für Illa stimmen. Es wäre das erste
Mal seit 14 Jahren, dass kein Unabhängigkeitspolitiker das höchste Amt der
Autonomie einnimmt. Die Abstimmung über Illa war für den frühen Abend
vorgesehen.
Puigdemont ist damit zurück, aber politisch in der Opposition. „President!
President!“ feiern ihn seine Anhänger dennoch. Puigdemont, deutlich nervös
und deutlich gerührt, spricht vom Kampf für das Selbstbestimmungsrecht
Kataloniens, darüber, dass eine Volksabstimmung über die Loslösung von
Spanien, wie er sie im Oktober 2017 abhalten ließ, kein Delikt sei.
## Um 10 Uhr ist von Puigdemont nichts mehr zu sehen
Und er verurteilt einmal mehr „die grausame Repression“ gegen die
Unabhängigkeitsbewegung. Puigdemont und andere gingen darauf ins Exil,
[2][während ein Dutzend wegen Aufstands und Ungehorsams meist zu hohen
Haftstrafen verurteilt wurde]. Insgesamt wurden Hunderte verfolgt. Seit
wenigen Monaten gibt es ein [3][Amnestiegesetz], durch das die meisten der
wegen der Volksabstimmung Verfolgten straffrei ausgehen. Doch die Richter
weigern sich, dieses Gesetz auch auf Puigdemont anzuwenden.
Zwar wird er nicht mehr wegen des Aufstandes gesucht, aber jetzt droht ihm
im Falle der Verhaftung ein Verfahren wegen Veruntreuung öffentlicher
Gelder, obwohl auch dies – soweit es nicht zur persönlichen Bereicherung
stattfand –, amnestiert wird.
Doch der Ermittlungsrichter am Obersten Gerichtshof in Madrid, Pablo
Llarena, hat da eine Interpretation: Die Regierung Puigdemont habe das
Referendum mit Geldern aus dem Haushalt der Region durchgeführt, um es
nicht selbst bezahlen zu müssen. Das sei persönliche Bereicherung und
schade dem spanischen Steuerzahler und sogar der Europäischen Union.
Als die Sitzung des Parlaments um 10 Uhr beginnt, ist von Puigdemont nichts
zu sehen. Zusammen mit Tausenden am Triumphbogen war er losgelaufen, kam
aber nie am hermetisch abgeriegelten Parlament, wo ihm die Verhaftung
gedroht hätte, an.
In diesem Fall hätte die Mehrheit der Parteien darauf bestanden, die
Amtseinführung Illas aus Protest auszusetzen. Das wollte Puigdemont wohl
vermeiden. Am Ende seines Auftritts vor dem Triumphbogen bittet Puigdemont
darum, die Amtseinführung Illas zu respektieren: „Wir müssen neue
Möglichkeiten vorbereiten, wir werden sie haben, und wir werden gewinnen.“
## Ein neues Steuermodell für Katalonien
Puigdemonts Abgeordnetensitz im Parlament bleibt leer. Eine gelbe Schleife
– als Symbol gegen die Repression – ziert ihn, während draußen die
„Operation Käfig“ anläuft. Die katalanische Autonomiepolizei errichtete
überall Straßensperren, um den einmal mehr flüchtigen Politiker zu suchen
und ihn dem Richter in Madrid vorzuführen.
In seiner Antrittsrede verlangte der ehemalige spanische
Gesundheitsminister Salvador Illa eine „schnelle Anwendung des
Amnestiegesetzes“ auch auf Puigdemont und versprach, Katalonien nach Jahren
des Streits wieder zu einen. Der wichtigste Programmpunkt ist eine
„einzigartige Finanzierung“ für Katalonien. Er will mit der spanischen
Regierung seines Parteifreunds Pedro Sánchez aushandeln, dass Katalonien
alle Steuern selbst einnimmt und einen Teil an den Zentralstaat sowie an
einen Solidaritätsfonds für ärmere Regionen abführt.
Bisher treibt der Zentralstaat einen Großteil der Steuern ein. Das neue
Steuermodell machte es erst möglich, dass die ERC Illa unterstützt. Damit
besiegelt die neue Regierung ausgerechnet die Forderung, mit der vor mehr
als zehn Jahren der Unabhängigkeitsprozess begann. Damals wies die rechte
Regierung in Madrid unter Mariano Rajoy ein solches Steuermodell noch
strikt zurück.
8 Aug 2024
## LINKS
[1] /Konflikt-um-katalanische-Unabhaengigkeit/!5457575
[2] /Urteil-gegen-Unabhaengigkeitspolitiker/!5632950
[3] /Strafreform-in-Spanien/!5908516
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Katalonien
Carles Puigdemont
Pedro Sánchez
Katalonien
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Schwerpunkt Klimawandel
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