| # taz.de -- Öffentliche Toiletten in Berlin: Es darf frei gepullert werden | |
| > Auch künftig wird ein größerer Teil der öffentlichen Wall-Toiletten | |
| > gratis zugänglich sein. Die Reaktionen fallen nicht überall positiv aus. | |
| Bild: Frei oder nicht frei: Vollautomatisch sind die „Berliner Toiletten“ a… | |
| Berlin taz | Genau [1][107 vollautomatische Toiletten der Firma Wall] im | |
| gesamten Stadtgebiet werden künftig kostenfrei zu nutzen sein – das haben | |
| das Unternehmen und die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Umwelt und | |
| Klimaschutz am Freitag mitgeteilt. Es ist das Ergebnis der Auswertung einer | |
| zweijährigen Erprobungsphase, bei der über alle Bezirke hinweg erst 50 und | |
| dann 100 öffentliche Toiletten ohne Bezahlung angeboten wurden. | |
| Insgesamt betreibt Wall auf Grundlage eines Vertrags mit dem Land Berlin | |
| 278 automatische WCs, auch bekannt als „Berliner Toilette“. Für die Nutzung | |
| der nicht gratis vorgehaltenen Häuschen erhebt die Firma eine Gebühr von 50 | |
| Cent. Daneben gibt es auch noch einige bezirkseigene Toiletten oder | |
| [2][Ökotoiletten anderer Anbieter]. | |
| Die Erprobungsphase war Ende Juni abgeschlossen worden, jetzt habe man die | |
| Erfahrungen evaluiert und sich auf ein „weiterentwickeltes Betriebskonzept“ | |
| verständigt, hieß es. Nicht alle der künftig kostenlosen Standorte sind | |
| identisch mit denen der Erprobungsphase. Noch notwendige Umrüstungen würden | |
| nun schnellstmöglich umgesetzt. | |
| Alle Gratis-Toiletten sollen den Angaben zufolge ein Pissoir beinhalten und | |
| eine „genderunabhängige Nutzung“ ermöglichen. Grundsätzlich solle die | |
| „Vandalismusresistenz“ aller öffentlichen Klos erhöht und durch | |
| „regelmäßige Reinigungs- und Kontrollprozesse“ ein „attraktives Angebot | |
| sichergestellt“ werden. | |
| ## „Linke Handschrift“ | |
| Für die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg, die sich seit Jahren dem Ziel | |
| kostenloser Toiletten verschrieben hat, ist das erst einmal eine gute | |
| Nachricht: „Die linke Handschrift der rot-rot-grünen Toilettenpolitik | |
| [3][hat sich nun auch unter Schwarz-Rot durchgesetzt] – aber das ist nur | |
| ein Anfang.“ | |
| Sie werde weiter darum kämpfen, dass alle öffentlichen Toiletten ohne | |
| Einschränkung zugänglich seien – „und zwar nicht nur für | |
| Penis-Träger:innen“, so Genburg am Freitag zur taz. Damit bezieht sie sich | |
| auf Klos, die sich erst gegen Bezahlung öffnen, aber ein frei zugängliches | |
| Pissoir (und kein Hockurinal) bereithalten. | |
| Laut Gennburg weiß der Senat aber auch, dass er handeln müsse, weil das | |
| Antidiskriminierungsgesetz ihn dazu verpflichte. Eine Klage sei auch schon | |
| vorbereitet. Nach der Sommerpause werde sich die Linke erneut der Thematik | |
| widmen: „Wir können nicht aufgeben, bevor alle Toiletten kostenfrei sind.“ | |
| ## Freude nicht bei allen | |
| In manchen Kiezen sorgt die Gratis-Ankündigung von Wall und | |
| Senatsverwaltung nicht für einhellige Freude. So haben AnwohnerInnen der | |
| Falckensteinstraße im Kreuzberger Wrangelkiez einen Hilferuf ausgesandt: | |
| Der taz schrieben sie, die dort im Jahr 2020 errichtete Toilette, die auch | |
| während der Erprobungsphase kostenlos zugänglich war, werde „ausschließlich | |
| zur Drogenlagerung, zum Drogenkonsum und zur Prostitution“ verwendet. „Für | |
| jede andere Person ist die Nutzung nicht nur unzumutbar, sondern auch durch | |
| die Konfrontation mit dem Drogenmilieu höchstgefährlich.“ | |
| Tatsächlich war es den AnwohnerInnen Ende 2023 gelungen, eine Schließung | |
| der Toilette zu erwirken – ab kommender Woche soll sie aber wieder geöffnet | |
| sein. Das sei „für uns ein Schlag ins Gesicht“, schreiben sie in ihrer | |
| Mail. „Wir sind nicht mehr bereit, als Reallabor für eine gescheiterte | |
| Drogenprävention herzuhalten.“ | |
| Auch sei es „ungeheuerlich“, die „Verantwortung für die Drogendealer und | |
| -konsumenten nun auf Reinigungskräfte abzuschieben“. Von den „lokalen | |
| Behörden, [4][insbesondere unserer Bezirksbürgermeisterin, Clara | |
| Herrmann]“, fühle man sich im Stich gelassen. | |
| ## Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt sich gelassen | |
| Der Bezirk geht davon aus, die Problematik in dieser und anderen | |
| öffentlichen Toiletten im Görlitzer Park und dessen Umfeld mit Sozialarbeit | |
| und einer Erhöhung der Reinigungs- und Reparaturfrequenz in den Griff zu | |
| bekommen. | |
| In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Katalin Gennburg | |
| verwiesen Senats- und Bezirksverwaltung unlängst auf ein zweijähriges | |
| Pilotprojekt – Teil der auf dem „Berliner Sicherheitsgipfel“ beschlossenen | |
| Maßnahmen. | |
| Dabei würden „Fehlnutzer“ aufgefordert, die Toiletten unverzüglich zu | |
| verlassen, damit diese für die Allgemeinheit zur Verfügung stünden. Das | |
| werde „mit weiteren präventiven Sozialmaßnahmen (Parkläufern, | |
| Kiezhausmeisterei, aufsuchende Sozialarbeit)“ im Bezirk „verschränkt“. | |
| 1,6 Millionen Euro soll das Pilotprojekt in diesem und dem nächsten Jahr | |
| kosten, der größte Teil davon fließt in die Personalkosten für einen | |
| privaten Dienstleister. Laut Bezirksamt werden „täglich 4 Personen im | |
| Zwei-Schicht-System à 8 Stunden eingesetzt“. | |
| In Zusammenarbeit mit dem Toilettenbetreiber Wall sowie dem bezirklichen | |
| Park- und Kiezmanagement gebe es Schulungen „zum Umgang mit den | |
| Reinigungsmitteln und den Themen Arbeitssicherheit, Sensibilisierung im | |
| Umgang mit Drogenkonsumentinnen und -konsumenten und obdachlosen Menschen“. | |
| Katalin Gennburg findet es falsch, dass so viel öffentliches Geld in die | |
| Hand genommen wird. Schließlich sei es Bestandteil des Vertrags mit Wall, | |
| dass die Firma alle Toiletten in einem nutzbaren Zustand halten müsse: | |
| „Wenn die das nicht hinbekommen, sind sie vielleicht nicht die richtigen | |
| Dienstleister.“ | |
| In Bezug auf die Beschwerden sagt die Linken-Politikerin, sie finde es | |
| fragwürdig, dass die AnwohnerInnen für die Schließung der Toilette | |
| kämpften, nicht aber für ein Duschmobil oder ein anderes zusätzliches | |
| Angebot: „Eigentlich erwarte ich, dass es eine Gegeninitiative gibt.“ | |
| 19 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilu… | |
| [2] /Oeffentliche-Toiletten-in-Berlin/!5937321 | |
| [3] /Oeffentliche-Toiletten-in-Berlin/!5998343 | |
| [4] /Goerlitzer-Park-in-Berlin/!6020259 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
| ## TAGS | |
| Toilette | |
| Görlitzer Park | |
| Drogenkonsum | |
| Kolumne Zwischen Menschen | |
| Clara Herrmann | |
| Clara Herrmann | |
| Gender | |
| Gender | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Öffentliche Notdurft: Die Scham vor dem Alltäglichen | |
| Ein Mensch verrichtet sein Geschäft ganz öffentlich, im Park – und macht | |
| damit sichtbar, dass es ihm an Rückzugsraum fehlt. | |
| Öffentliche Toiletten in Berlin: Ein Klo als Mikrokosmos der Probleme | |
| Der Kreuzberger Wrangelkiez leidet seit Langem unter Drogenkriminalität und | |
| Gewalt. Ein Hotspot: die öffentliche Toilette in der Falckensteinstraße. | |
| Görlitzer Park in Berlin: „Ich hoffe, es siegt die Vernunft“ | |
| Im Kampf um den Zaun am Görlitzer Park will sich Clara Herrmann, grüne | |
| Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, noch nicht geschlagen geben. | |
| Öffentliche Toiletten in Berlin: Mehr Pinkelgerechtigkeit in Parks | |
| In einem Pilotprojekt werden in jedem Bezirk zwei öffentliche Toiletten | |
| ausprobiert, die auf mehr Ökologie, Kostenfreiheit und Gendergerechtigkeit | |
| setzen. | |
| Öffentliche Toiletten in Berlin: Im Westen pinkelt´s sich besser | |
| 194 von 460 öffentlichen Toiletten sind in Berlin kostenlos. Die Verteilung | |
| ist dabei ziemlich ungleich. Auch Frauen* werden benachteiligt. |