# taz.de -- Wahlrecht-Urteil vom Verfassungsgericht: Abspeckkur mit Korrekturbe… | |
> Dass im Bundestag künftig rund einhundert Abgeordnete weniger sitzen, ist | |
> ein großer Verdienst der Ampel. Reformbedarf bleibt beim Wahlrecht | |
> dennoch. | |
Bild: Über einhundert Stühle können aussortiert werden, wenn im Bundestag nu… | |
Kaum war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Wahlrechtsreform | |
öffentlich, riefen CSU-Chef Markus Söder und andere Politiker der Union | |
lautstark: „Schon wieder eine Klatsche für die Ampel!“ Das aber stimmt nur | |
zum Teil – und auch nur zu einem kleinen. Im Kern hat Karlsruhe die Reform, | |
die die [1][Ampelfraktionen im März 2023 im Bundestag beschlossen] haben, | |
bestätigt. Und das ist gut so. | |
Damit haben SPD, Grüne und FDP es nach mehr als zehn Jahren folgenloser | |
Diskussion endlich geschafft, die Größe des beständig anwachsenden | |
Bundestags wirksam zu begrenzen. Und damit gezeigt, dass das Parlament in | |
der Lage ist, sich selbst zu reformieren. Das ist ein großes Verdienst. Das | |
im Übrigen nur möglich war, weil die CSU derzeit auf der Oppositionsbank | |
sitzt. Die Christsozialen haben jahrelang mit der CDU im Schlepptau jede | |
Reform blockiert, weil sie von der alten Regelung enorm profitierten. | |
Gut ist aber auch, dass die Richter*innen in Karlsruhe das neue | |
Wahlgesetz der Ampel in einem wichtigen Punkt korrigieren: Die | |
[2][Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel] bei gleichzeitiger | |
Geltung der Fünfprozenthürde erklärten sie für verfassungswidrig; jener | |
Klausel also, nach der Parteien auch dann in den Bundestag einziehen, wenn | |
sie zwar weniger als fünf Prozent der Stimmen erhalten, aber mindestens | |
drei Direktmandate holen. Die Ampelparteien wollten die Klausel | |
ursprünglich beibehalten. | |
Erst eine Woche vor Beschlussfassung im Bundestag wurde sie Hals über Kopf | |
gestrichen. Damit schien sich der bis dahin verhältnismäßig faire | |
Gesetzentwurf gegen die politische Konkurrenz zu richten. Das ist ein | |
berechtigter Vorwurf, zumal das Wahlrecht mit einfacher Mehrheit allein der | |
Ampel beschlossen worden war. Die Linke hatte es schließlich nur | |
[3][mithilfe ihrer Direktmandate 2021 wieder in den Bundestag] geschafft, | |
auch für die CSU, die bundesweit gerechnet knapp über fünf Prozent lag, | |
hätte es künftig eng werden können. | |
## Fünfprozenthürde sollte gesenkt werden | |
Für die nächste Bundestagswahl wird nun wohl die Grundmandatsklausel noch | |
einmal gelten. Dass sich die Ampel so kurz vor der Wahl an eine Reform der | |
Reform macht, ist eher unwahrscheinlich. Danach aber wird dies Aufgabe | |
einer neuen Regierung sein. Wünschenswert wäre dabei zweierlei: dass die | |
Union, die dieser vermutlich angehören wird, anders als angekündigt nicht | |
versucht, die gesamte Reform wieder zu kippen. | |
Das Wahlrecht darf nicht zum Spielball von Regierungsmehrheiten werden. Und | |
zweitens: dass bei der vom Gericht vorgeschriebenen Veränderung nicht die | |
Grundmandatsklausel bleibt, sondern die Fünfprozenthürde abgesenkt wird. | |
Weniger Stimmen würden verloren gehen, die Repräsentanz im Bundestag würde | |
also erhöht. Und die Aussicht, mit Erfolg auch für kleinere Parteien zu | |
votieren, könnte ein neuer Anreiz sein, sich an Wahlen überhaupt zu | |
beteiligen. | |
30 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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