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# taz.de -- Gewalt gegen die Partnerin: Schon wieder so ein Einzelfall
> Der Profifußballer Jérôme Boateng wurde wegen Körperverletzung verurteilt
> – sehr milde. Seine Verwarnung darf für die Fußballwelt kein Freispruch
> sein!
Bild: Jérôme Boateng am 12. Juli 2024 im Gerichtssaal
Ausnahmsweise war die Aufmerksamkeit groß, als am Freitag ein Urteil wegen
häuslicher Gewalt gesprochen wurde. Dabei sind derlei Prozesse in
Deutschland Alltag. Weil häusliche Gewalt in Deutschland Alltag ist. Doch
im Gerichtsaal des Münchner Landgerichts ging es um [1][Star-Fußballer
Jérôme Boateng]. Nach sechs Jahren und in der vierten Verfahrensverhandlung
endete der [2][Prozess gegen ihn] – mit einem ziemlich milden Urteil.
Die Richterin sprach ihn zwar wegen eines Falls von Körperverletzung
schuldig – demnach hat er seine Ex-Freundin im Karibik-Urlaub mit der Faust
oder dem Handballen ins Gesicht geschlagen, wodurch sie ein Hämatom am Auge
erlitt – beließ es aber bei einer Verwarnung. Ihm droht nun eine Geldstrafe
von 200.000 Euro, die er allerdings nur dann zahlen muss, wenn er sich
innerhalb der Bewährungszeit nicht an die Auflagen hält. Eine Geldstrafe
auf Bewährung quasi. Hinzu kommt die Zahlung von je 50.000 Euro an zwei
Vereine, die Kindern und Jugendlichen helfen.
Das Urteil war von vielen gespannt erwartet worden: in der Fußballwelt, der
Medienbranche und bei Feminist_innen. Letztere hatten gehofft, die
Verurteilung eines Profifußballers wegen häuslicher Gewalt würde eine
Signalwirkung mit sich bringen. Dass nun die Zeit gekommen sei, da Sportler
ihre Macht nicht mehr schamlos ausnutzen können, während Frauen mundtot
gemacht werden. Dass sie sich nicht einfach freikaufen könnten, um dann
weiter in Ruhe auf dem Platz zu kicken.
Doch dieses Signal bleibt aus – obwohl Boatengs Schuld festgestellt wurde.
Die Richterin beschloss, kein Zeichen gegen häusliche Gewalt und
Machtmissbrauch zu setzen. Stattdessen zeichnete sie das Bild eines Mannes,
dem ein einmaliger Fehler unterlaufen sei. Man habe hier keinen „schlimmen
Frauenschläger“. Boateng sei gegenüber seiner Ex-Freundin lediglich „einm…
über Gebühr ausgerastet“, sagte sie. Ein Ausrutscher, ein Einzelfall. Die
Narrative sind seit Langem bekannt.
Und es mag sein, dass Boateng nur einmal gegenüber seiner Ex-Freundin
handgreiflich geworden ist. Und dass es deswegen in Ordnung ist, ihn nur zu
ermahnen. [3][Doch das ist die juristische Seite], die gesellschaftliche
kann eine ganz andere sein. Denn reicht ein Schlag ins Gesicht einer Frau
nicht aus, um jemandem Millionenverträge zu entziehen und ihn vom Platz zu
stellen? Schließlich sind Profifußballer für viele Menschen Vorbilder.
Sollten sie sich dann nicht auch wie eines benehmen?
## Die Fußballwelt muss dieses Problem lösen
In jedem Fall darf die Verwarnung für Boateng für die Branche keinen
Freispruch bedeuten. Denn im Profisport, und vor allem im Profifußball,
herrscht ein strukturelles Problem mit Gewalt und deren Verschleierung.
[4][Recherchen von Correctiv haben 2022 gezeigt], dass es in dem
hierarchischen Verhältnis zwischen Spieler und Spielerfrau oft zu
Machtmissbrauch kommt. Doch durch ihren Status und ihr Geld, aber auch
durch die Armee von Mitspielern, Managern und Anwält_innen seien die Profis
so gut geschützt, dass ihnen eigentlich nichts passieren könne. Den
Spielerfrauen sei das bewusst, deswegen würden sie oft aus Angst schweigen.
Dieses Problem hat die Fußballwelt zu verantworten und demnach auch zu
lösen. Hingucken, eingreifen, Verantwortung wahrnehmen – sollte die Devise
lauten. Denn so etwas wie einen Einzelfall, so etwas gibt es nicht.
21 Jul 2024
## LINKS
[1] /Fussballer-verwarnt/!6024723
[2] /Fussballer-verwarnt/!6024723
[3] /Prozess-gegen-Tennis-Profi-eingestellt/!6015774
[4] https://correctiv.org/top-stories/2022/10/14/machtmissbrauch-profi-fussball/
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Gewalt im Sport
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Fußball
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Jerome Boateng
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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