# taz.de -- Neue Koalitionsregierung in Südafrika: Ramaphosa setzt auf Vielfalt | |
> Präsident Ramaphosa bildet ein Kabinett mit Ministern aller Farben und | |
> politischen Schattierungen. Schillernde Figuren dürften für Wirbel | |
> sorgen. | |
Bild: Präsident Ramaphosa hat das neue Kabinett bekanntgegeben | |
Berlin taz | Über einen Monat nach den Wahlen in Südafrika hat Präsident | |
Cyril Ramaphosa seine neue Koalitionsregierung vorgestellt. Der ANC | |
(African National Congress), [1][der Südafrika seit der Demokratisierung | |
1994 regiert], hatte bei den Wahlen am 29. Mai zum ersten Mal die absolute | |
Mehrheit verloren und war mit nur 40 Prozent der Stimmen und 159 der 400 | |
Sitze im Parlament auf Koalitionspartner angewiesen – eine ungewohnte | |
Erfahrung für die einst hegemoniale Ex-Befreiungsbewegung. Mehrmals sah es | |
so aus, als sei die Koalition zusammengebrochen, bevor sie überhaupt stand. | |
[2][Wochenlanger Postenstreit] wurde nun durch die Bildung des größten | |
Kabinetts in Südafrikas Geschichte entschärft. 75 Minister- und | |
stellvertretende Ministerposten gibt es, viele davon mit Aufgabenbereichen, | |
die sich tendenziell überschneiden. | |
So wird der prominenteste weiße Politiker, John Steenhuisen, Führer der | |
größten Oppositionspartei DA (Democratic Alliance), Landwirtschaftsminister | |
– aber Mzwanele Nyhontso vom linksradikalen PAC (Panafricanist Congress), | |
der nach eigenen Angaben in der Regierung die „revolutionäre Agenda des | |
Befreiungskampfes“ vorantreiben will, übernimmt das Ministerium für | |
Landreform und ländliche Entwicklung. Die Zeitung Daily Maverick bezeichnet | |
die Kombination dieser beiden Minister als „entweder inspiriert oder | |
zutiefst machiavellistisch“. Beide haben ANC-Stellvertreter. | |
Die DA als wichtigster Koalitionspartner des ANC übernimmt sechs | |
Ministerien und sechs Stellvertreterposten, mehr als jede andere Partei | |
außer dem ANC selbst. Neben Landwirtschaft stellt die Partei die Minister | |
für Bildung, digitale Technologie, Umwelt, Inneres und Infrastruktur. Damit | |
lässt sich einiges bewirken. Der neue DA-Innenminister Leon Schreiber | |
veröffentlichte 2018 ein Buch mit dem prophetischen Titel „Coalition | |
Country“ über „Südafrika nach dem ANC“, dessen Werbetext lautet: „Der… | |
regiert Südafrika seit über zwei Jahrzehnten, aber sein eiserner Griff | |
lockert sich … Wenn der ANC unter 50 Prozent fällt, wird sich die | |
politische Landschaft dramatisch verändern: wir werden von einer Koalition | |
regiert werden, und alle werden die Konsequenzen spüren.“ | |
## Rückkehr nach fast 30 Jahren | |
Zwei schillernde Figuren dürften die Kabinettssitzungen lebendig halten. | |
Neuer stellvertretender Verteidigungsminister ist Bantu Holomisa, zu | |
Apartheidzeiten Premierminister des schwarzen „Homelands“ Transkei – das | |
weiße Apartheidregime richtete in ärmeren Landstrichen eine Reihe von | |
Marionettenstaaten ein, in die Südafrikas Schwarze langfristig alle | |
zwangseingebürgert werden sollten, und Transkei war der erste und größte | |
davon. | |
Holomisa wechselte beim Ende der Apartheid zum ANC und wurde in der ersten | |
ANC-Regierung Vizeumweltminister, aber 1996 wurde er hinausgeworfen und | |
gründete seine eigene Partei UDM (United Democratic Movement). Fast dreißig | |
Jahre später kehrt er nun an den Kabinettstisch zurück. | |
Noch schillernder ist Gayton McKenzie, der neue Sport- und Kulturminister. | |
McKenzie wurde als Minderjähriger zum Bankräuber, saß 17 Jahre im | |
Gefängnis, mutierte nach seiner Freilassung zum Bestsellerautor und | |
gründete 2013 die Kleinpartei PA (Patriotic Alliance), die vor allem gegen | |
Einwanderer hetzt. Von 0,04 Prozent bei den Wahlen 2019 verzwanzigfachte | |
die PA ihre Stimmen in diesem Jahr auf über 2 Prozent – nun bekommt ihr | |
Führer einen Posten mit sensiblen Außenkontakten. | |
Eine dritte kuriose Personalie ist Gefängnisminister Pieter Groenewald. Er | |
führt die Partei FF+ (Freedom Front Plus), einst gegründet von weißen | |
Apartheidbefürwortern, die das Ende der Rassentrennung ablehnten; | |
inzwischen sieht sie sich als Interessenvertretung konservativer Buren im | |
ländlichen Raum. Sein Vorgänger Ronald Lamola hatte als ANC-Justizminister | |
maßgeblich Südafrikas Völkermordklage gegen Israel vor dem Internationalen | |
Gerichtshof in Den Haag vorbereitet – er wird nun zum Außenminister | |
befördert, [3][der profilierteste Posten neben dem des Präsidenten.] | |
1 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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