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# taz.de -- BVG und SPD verlassen X: Langsamer Abschied von Twitter
> Nicht nur El Hotzo hat Probleme mit Twitter, auch viele Organisationen
> denken über Abschied nach. SPD und BVG sind die jüngsten prominenten
> Abgänger.
Bild: Leben ohne X? Seit Elon Musk Twitter gekauft hat, wird in „linken“ Kr…
Berlin taz | Mit El Hotzo, bürgerlicher Name Sebastian Hotz, ist einer der
reichweitenstärksten Twitterer Berlins weiterhin auf X aktiv – dabei steht
er selbst im Fokus von Plattform-Eigentümer Elon Musk. Der rechtsextreme
Milliardär reagierte auf einen Post einer neurechten Influencerin, wonach
der Comedian Donald Trump und Musk den Tod gewünscht habe. [1][Letzterer
wollte hernach vom Bundeskanzler wissen, wieso El Hotzo von der deutschen
Regierung bezahlt werde.]
Olaf Scholz (SPD) hat auf die Verschwörungserzählung nicht reagiert, dafür
der RBB. Demnach werde El Hotzo die Sendung „Theoretisch cool“ auf Radio
Fritz – selbst nicht auf Twitter – nicht mehr moderieren. Seine Äußerunge…
etwa: „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben“, seien
mit den Werten des RBB nicht vereinbar. El Hotzo schrieb zum Ende seiner
alle zwei Monate stattfindenden Radioshow: „Ich bin Deutschlands frechster
Arbeitsloser.“
Die Posse um El Hotzo mit seinen 700.000 Followern wirft erneut die Frage
auf, inwiefern X, wie es seit der Übernahme von Musk 2022 heißt, noch ein
öffentlicher Raum ist, in dem seriöse Akteur:innen etwas zu suchen
haben. Oder ob es sich, um mit Jan Böhmermann zu sprechen, um eine
„rechtsextreme Loserplattform“ handelt? Tatsächlich ist X zu einem
unmoderierten Ort für Hass und Hetze geworden. Kaum ein Beitrag, vor allem
aus der linken Ecke, der nicht im Shitstorm rechter Trolle und mit
Kommentaren von Sex-Bots geflutet wird.
Die Debatte um eine – möglichst kollektive – Flucht wurde in den
vergangenen zwei Jahren schon mehrfach geführt. Im Zuge der Hypes um die
Alternativ-Plattformen Mastodon, Bluesky und Threads hatten vor allem linke
User:innen X verlassen. Doch voll durchgesetzt hat sich keiner der neuen
Räume, weshalb der prominente Exodus ausblieb. Vor allem staatliche und
öffentliche Akteure hatten Angst vor Bedeutungsverlust, zumindest in der
primären Twitter-Gemeinde aus Journalist:innen, Aktivist:innen und
Politiker:innen.
## Fraktion versus Partei
Als erster wichtiger Akteur des politischen Berlins – abgesehen vom Abgang
von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert 2022 – hat Ende Mai die Berliner SPD
ihren Account zwar nicht gelöscht, aber immerhin stillgelegt.
Vorausgegangen war ein Beschluss des Landesparteitags. Demnach behalte man
sich vor, regelmäßig zu überprüfen, „ob sich die Plattform im Sinne eines
freiheitlich-demokratischen Diskurses und eines im Wesentlichen sicheren
digitalen Raumes entwickelt, was eine Reaktivierung der Accounts
ermöglicht“. Sollte Musk nicht die Lust an seinem Spielzeug verlieren und
es verkaufen, wird das wohl noch lange dauern.
Es wäre nicht die SPD, wenn nicht die Fraktion zu einem anderen Ergebnis
käme. Wie ein Sprecher auf taz-Nachfrage erklärt, sei ein Abschied von X
zwar diskutiert, dann aber verworfen worden. Man betrachte X nach wie vor
als ein wichtiges Mittel der Öffentlichkeitsarbeit. Nun ja, der X-Account
der Genoss:innen im Landesparlament hat etwas mehr als 3.800 Follower.
Ähnlich argumentiert auch die Berliner Linke, konkret: ihr prominentester
Twitterer Ferat Koçak. „Als Aktivist und Politiker braucht man die Masse“,
sagt Koçak. Und da er mit seinen Statements medial „nicht immer
durchdringe“, sei er auf X angewiesen. Doch der Preis ist hoch: „Der
Hassmob ist bei mir angekommen“, so Koçak. „Würde ich all die Kommentare
lesen, würde ich durchdrehen.“
Überraschend kam diese Woche ein zweiter prominenter Berliner Abgang. Nach
13 Jahren Präsenz hat sich die BVG zurückgezogen – mit der kurzen
Botschaft: [2][„Liebe Fahrgäste, das ist unsere Endstation. Wir sind
weiterhin bei Instagram, Facebook und TikTok unterwegs.“] Auf Nachfrage
teilte ein Unternehmenssprecher mit, die BVG verlasse X „aufgrund der
zunehmenden Präsenz von Hass, Hetze, Populismus und unkontrollierter
Hatespeech – ohne angemessene Moderation der Inhalte durch die Plattform
selbst“.
## Für Ironie-Werbung nicht mehr wichtig
Für die Verkehrsbetriebe war Twitter/X jahrelang ein wichtiger Kanal ihrer
Öffentlichkeitsarbeit. Nicht nur nutzen sie die Plattform, um die Fahrgäste
über Baustellen oder Schienenersatzverkehr zu unterrichten, sie diente auch
der Verbreitung von Kommentaren, Memes und Werbevideos in eigener Sache,
seitdem sich die BVG ein von Ironie geprägtes Image verpasst hat. An den
Nutzerzahlen habe sich aber schon ablesen lassen, „dass wir unsere
Fahrgäste offensichtlich nicht mehr über X erreichen“, so der Sprecher.
Beim zweiten großen Verkehrsunternehmen, der S-Bahn Berlin, ist man von
einem solchen Schritt offenbar noch weit entfernt. Ende Juni hatte der
Twitterkanal seine Nutzer:innen „mal unverbindlich“ gefragt, ob sie
„weiter hier informiert werden“ wollten oder lieber „drüben auf
Insta/Threads oder ganz woanders“. Nach der Auswertung der Antworten – ein
Abstimmungstool wurde nicht verwendet – stehen die Zeichen offenbar nicht
auf Rückzug.
Die Freie Universität hatte sich dagegen im April ohne viel Aufsehen mit
einem letzten Tweet verabschiedet und dies mit den „Entwicklungen auf X“
begründet. Schon zuvor war das Grips-Theater mit der vagen Hoffnung
gegangen: „Unser Account schläft hier, bis es wieder besser wird.“
Bei Organisationen der Zivilgesellschaft ist das Bild uneinheitlich. So hat
etwa der Landesverband des BUND schon am 5. Oktober vergangenen Jahres
einen #lasttweet gepostet. Bereut habe man diesen Schritt nicht, sagt des
Umweltschutzverbands BUND Sprecher Nicolas Šustr, und man habe auch nicht
die Absicht zurückzukehren. Die Reichweite sei ohnehin überschaubar
gewesen: „Wir hatten den Eindruck, dass die X-Algorithmen Posts von
Accounts gewerblicher Kunden oder gemeinnütziger Organisationen
unterdrückten, wenn diese nicht dafür zahlten.“ Auf Mastodon und Bluesky
habe der BUND bereits jetzt rund drei Viertel der Followerzahl auf X
erreicht, so Šustr.
## Nabu sieht „Keine Alternative“
Der Naturschutzbund Nabu ist weiterhin auf X präsent, allerdings „weitaus
weniger und weitaus weniger enthusiastisch als noch vor ein oder zwei
Jahren“, so die Sprecherin des Landesverbands, Alexandra Rigos. Dass ein
Rückzug noch nicht erfolgt sei, liege daran, dass „wir keine echte
Alternative sehen“. X sei wichtig, weil die Plattform es ermögliche,
„Entscheidungsträger und Multiplikatoren direkt zu adressieren“, sagt
Rigos: „Wir würden jederzeit wechseln, wenn sich eine überzeugende
Alternative bietet.“
Die Mobilitätswende-Organisation Changing Cities hat sich Mitte Juni
zusammen mit 46 anderen Organisationen aus den Bereichen Umwelt,
Gesundheit, Menschenrechte und Soziales von X zurückgezogen – unter dem
Hashtag #ByeByeElon. Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen sagt
heute, das sei „genau die richtige Entscheidung“ gewesen. Eine erste
Reaktion sei von den eigenen Media-Mitarbeiter:innen gekommen: „Die sagten,
ihre Arbeit sei so viel angenehmer, seit sie sich nicht mehr mit so viel
Hass und Hetze auf X auseinandersetzen müssten.“ Mit X habe man zwar den
größten Kanal eingebüßt, die Followerschaft auf den anderen Plattformen
wachse aber zum Teil extrem stark, gerade auf Instagram und LinkedIn.
17 Jul 2024
## LINKS
[1] https://x.com/nikitheblogger/status/1813237128769175641
[2] https://x.com/BVG_Kampagne/status/1812751480379617470
## AUTOREN
Erik Peter
Rainer Rutz
Claudius Prößer
## TAGS
Twitter / X
Elon Musk
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