# taz.de -- Erster DDR-Olympiasieger: Der boxende Maschinenschlosser | |
> Wolfgang Behrendt holte das erste Olympiagold für die DDR, doch bekannt | |
> wurde der heute 88-jährige Berliner als Sportfotograf. | |
Bild: Beweglicher Entertainer: Wolfgang Behrendt im Jahr 2005 mit diversen Boxg… | |
Wolfgang Behrendt empfängt den Gast mit dem Händedruck eines Boxers: | |
Überraschend fest drückt der kleine Mann zu – mit seinen 88 Jahren. Viel | |
passiert nicht mehr in seinem Leben, man habe ihn vergessen, sagt der erste | |
Olympionike der DDR, also der erste Goldmedaillengewinner. [1][1956 hat er | |
in Melbourne die Plakette] als Teil der gesamtdeutschen Mannschaft | |
gewonnen, im Bantamgewicht für Faustkämpfer bis 54 Kilogramm Lebendgewicht. | |
„Warten Sie“, sagt Behrendt, steht unter Schmerzen auf – im Winter hat er | |
sich die Hüfte gebrochen – und holt die Medaille. „Is nur so’n kleenes | |
Ding“, berlinert er. Sie liegt in einer weißen Schatulle, ohne Band wurde | |
sie überreicht. „Ja, so war das damals, allet bescheidener, allet weniger | |
wichtig.“ Er präsentiert in seiner kleinen Wohnung in Berlin-Johannisthal | |
auch noch einen goldenen olympischen Ring, den er seinerzeit bekommen hat. | |
„Schön, nich!?“ | |
Im Finalkampf der Sommerspiele hat er den Südkoreaner Soon Chang Song mit | |
2:1 Richterstimmen geschlagen, im Halbfinale den Iren Fred Gilroy. Behrendt | |
war damals 20 Jahre alt, und dass er Gold holte, kam überraschend. | |
Man hatte das eher Christa Stubnick (100-Meter-Sprint) oder Gisela Köhler | |
(80 Meter Hürden) zugetraut, aber nun hatte es der Maschinenschlosser aus | |
dem Volkseigenen Betrieb Niles Großdrehmaschinenbau geschafft. Harry | |
Kurschat, der Westboxer, wurde Zweiter im Leichtgewicht bis 60 Kilo. | |
Zwischen beiden bestand eine Verbindung, die bis zum Mauerfall hielt. | |
Mit der Goldmedaille [2][hat Wolfgang Behrendt auch einen Lebenslauf für | |
den Gast herbeigeschafft]. Dort steht schwarz auf weiß, was sein Gedächtnis | |
manchmal nicht mehr erinnern mag. Aufgewachsen ist er im Prenzlauer Berg in | |
der Gubitzstraße, dann Anfang der 60er Jahre Umzug in die Schievelbeiner, | |
seit über 50 Jahren wohnt er am Rand der Großstadt. 201 Kämpfe hat Wolfgang | |
Behrendt bestritten: 188 Siege, fünf Unentschieden, acht Niederlagen. K.o. | |
ist er nie gegangen. | |
## An der Nikon und der Trompete | |
„Der linke Jab war mein bester Schlag“, sagt er und boxt in die Luft. Er | |
hat den ersten Sohn Mario, auch er war ein DDR-Meister im Boxen, überlebt, | |
seine Frau und auch DDR-Reporter Heinz Florian Oertel. „Ja, alle tot“, sagt | |
Behrendt und zeigt auf das Foto mit der Trompete, das im Arbeitszimmer an | |
der Wand hängt. Der Boxer besaß offenbar nicht nur einen formidablen | |
Mutterwitz, er war auch musikalisch, ein kleiner Entertainer. Er spielte | |
Trompete. Der Schnappschuss zeigt ihn vorm ND-Redaktionsgebäude, also vor | |
dem Neuen Deutschland. | |
[3][Da war er bis 1990 als Sportfotograf angestellt], reiste mit seiner | |
Nikon zu acht Olympischen Spielen, Fußball-Weltmeisterschaften, zur | |
Friedensfahrt der Radler. Angefangen hatte er als Kameraassistent beim | |
Deutschen Fernsehfunk. „Ich kannte da ein paar Leute, so kam das“, sagt | |
Behrendt. Ein Fernstudium für Fotografie an der Kunsthochschule in | |
Berlin-Weißensee folgte. | |
Seine Bilder waren nicht nur Massenware: Er schoss bisweilen in der DDR das | |
„Sportfoto des Jahres“. In Damaskus und Peking gewann er bei der | |
„Weltausstellung der Sportfotografie“ zweimal die Goldmedaille für | |
Schwarzweißfotos. Wenn man zum Beispiel im Bildband des DDR-Sportverlags | |
„Fussball. Magnet für Millionen“ blättert, erahnt man sein Talent für | |
besondere Sportmomente. | |
Nach seinem Olympiasieg wurde er ein bisschen herumgereicht. Der damalige | |
DDR-Präsident Wilhelm Pieck gratulierte ihm – West-Pendant Theodor Heuss | |
auch –, er wurde „Verdienter Meister des Sports“ und bekam das „Silberne | |
Lorbeerblatt“. | |
Zum großen Repräsentanten des DDR-Sports reichte es aber nie, weil er schon | |
in den 1950er Jahren Trouble mit ein paar Sportfunktionären hatte: „Ich war | |
halt nicht der große Urkommunist“, sagt Wolfgang Behrendt, der nach der | |
Wende ein paar Klamaukauftritte mit Heinz Florian Oertel hinlegte. Er | |
schlug sich daneben als freier Fotograf durch, „ein hartes Brot“. Das alles | |
verschwindet nun langsam im Dunkel der Erinnerung. | |
1 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sommerspiele_1956 | |
[2] https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/wolfgang-behrendt-ei… | |
[3] http://zentrum-deutsche-sportgeschichte.de/ausstellungen/asthetik-und-polit… | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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