| # taz.de -- Psychologin über Folgen von Rassismus: „Müssen das Bewusstsein … | |
| > Antimuslimischer Rassismus ist Alltag. Manche Geflüchteten werden durch | |
| > ihn retraumatisiert, sagt die Psychotherapeutin Zahra Rezaie. | |
| Bild: Wird von vielen immer noch als fremd wahrgenommen: Moschee in Kreuzberg | |
| taz: Frau Rezaie, was bedeutet der Tag gegen antimuslimischen Rassismus für | |
| Sie persönlich und für Ihre Arbeit? | |
| Zahra Rezaie: Da ich viel mit Migranten und Geflüchteten arbeite, habe ich | |
| täglich mit diesem Thema zu tun. Ich begleite das psychische Leiden meiner | |
| Klientel, die durch Rassismus betroffen ist. Aufgrund meines eigenen | |
| Migrationshintergrunds begegnet das Thema mir aber auch häufig im Freundes- | |
| und Kollegenkreis. | |
| Hat [1][antimuslimischer Rassismus] seit dem 7. Oktober in Berlin | |
| zugenommen? | |
| Leider ja – und nach der Europawahl ist er noch einmal gestiegen. Täglich | |
| passieren rassistische Überfälle. | |
| Haben Sie Beispiele? | |
| Ein Patient, der Taxifahrer ist, wurde von einem Kunden als „Scheiß | |
| Ausländer“ beschimpft. Die Tochter einer Freundin wurde in der | |
| Öffentlichkeit von einer Männergruppe brutal zusammengeschlagen – und | |
| niemand hat eingegriffen. Beides ereignete sich nach den Europawahlen. | |
| Welche Vorurteile begegnen Ihren Patienten? | |
| Vor allem das Bild des muslimischen Mannes wird als dominant wahrgenommen. | |
| Männer mit schwarzen Haaren oder dunkler Hautfarbe werden automatisch | |
| dieser Gruppe zugeordnet. Sie werden als homogene Gruppe von Muslimen | |
| gesehen, die mit Radikalisierung und Terrorismus gleichgesetzt wird. | |
| Und bei Frauen? | |
| Frauen, die Kopftücher tragen, werden oft als unterdrückt wahrgenommen. Sie | |
| gelten als unsicher und unfähig. Sie werden ausgegrenzt und dadurch häufig | |
| retraumatisiert. | |
| Was meinen Sie damit? | |
| Viele Menschen haben sich schon in ihren Heimatländern nicht sicher gefühlt | |
| und sind deswegen nach Deutschland geflüchtet. Deutschland wird oft als ein | |
| Land wahrgenommen, in dem Menschenrechte wichtig sind und jeder Mensch | |
| akzeptiert und respektiert wird. Doch wenn sie die Realität hier erleben, | |
| sind sie oft enttäuscht. Sei es beim Arzt, in der Schule oder in einer | |
| Behörde – der Umgang mit ihnen entspricht häufig nicht ihren Erwartungen. | |
| Dies verstärkt bestehende Traumata und kann zu Depressionen führen. | |
| Sie arbeiten nicht nur mit Flüchtlingen, sondern auch mit Patienten, die | |
| seit einigen Generationen in Deutschland leben. Sind diese Menschen weniger | |
| vom antimuslimischen Rassismus betroffen? | |
| Nein, die dritte Generation ist genauso betroffen wie Menschen der ersten | |
| Generation. Besonders bei unseren Klienten mit türkischem Hintergrund sieht | |
| man, dass es keinen Unterschied macht. Diese Menschen sind eigentlich keine | |
| Migranten mehr, aber die Mehrheit der deutschen Gesellschaft sieht das | |
| anders. | |
| Welche Botschaft möchten Sie der Gesellschaft bezüglich des Umgangs mit | |
| antimuslimischem Rassismus mit auf den Weg geben? | |
| Ich wünsche mir, dass wir alle das Bewusstsein für diese Art von Rassismus | |
| schärfen und akzeptieren, dass es ihn gibt. Meine Hoffnung ist, dass die | |
| Politik keine voreiligen Schlüsse zieht. Was zum Beispiel in Mannheim | |
| passiert ist, wo ein afghanischer Flüchtling einen Polizisten ermordet hat, | |
| wird oft als allgemeingültiges Symbol dargestellt, und das beeinflusst die | |
| öffentliche Wahrnehmung negativ. Die Medien spielen eine entscheidende | |
| Rolle. | |
| Wieso? | |
| Leider sehen wir, dass sie oft nur negative Einzelfälle hervorheben, was | |
| die Situation verschärft. Ich hoffe, dass die Medien vermehrt positive | |
| Beispiele zeigen. Es gibt viele Menschen mit Migrationshintergrund, die | |
| erfolgreich sind und sich aktiv an der Gesellschaft beteiligen. Diese | |
| positiven Geschichten sollten für ein ausgewogenes Bild ins Licht gerückt | |
| werden. | |
| 30 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Derya Türkmen | |
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