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# taz.de -- Deutschland gegen Schottland: Zweifel beiseitegewischt
> Toni Kroos brachte gefühlt 99 Prozent seiner Pässe ins Ziel. Mit einem
> 5:1-Sieg über die Schotten gewinnt das DFB-Team das Auftaktspiel der EM
> 2024.
Bild: Florian Wirtz nach seinem Tor, dem ersten des DFB-Teams bei der Männerfu…
Die beste Performance legte an diesem denkwürdigen Freitag ein albanischer
Fußballkünstler auf der Neuhauser Straße im Münchner Zentrum hin; er
jonglierte wie ein Weltmeister. Aber die [1][Auswahl des Deutschen
Fußball-Bundes (DFB)] kam dieser Leistung ziemlich nahe. Sie trickste zwar
nicht so versiert wie der Albaner, aber das 5:1 zum Auftakt der
Europameisterschaft war doch wie aus einem Guss. Die Zweifel ob der
Leistungsfähigkeit der Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann verflogen
minütlich und mit jedem Tor sowieso. „Die ersten 20 Minuten waren extrem
gut, sehr dominant, da haben wir keine Fehler gemacht. Es war nur ein
erster, aber ein sehr guter und wichtiger Schritt“, sagte Nagelsmann,
dessen Team am kommenden Mittwoch in Spiel zwei gegen Ungarn den Einzug ins
Achtelfinale klarmachen möchte.
Die Arena in Fröttmaning, gefüllt mit 66.000 Zuschauern, trug zwei Farben:
das Tintenblau der Schotten und das Weiß der Deutschen. Die Schotten
besangen lauthals und enthusiastisch „das Heer des stolzen Edward“. Sie
hatten in den Brauhäusern der Stadt die eine oder andere Halbe geleert,
doch die Stimmung blieb ausgelassen, und der Kontakt mit den nun auch in
Vielzahl und wie aus dem Nichts auftauchenden Weißhemden blieb
freundlich-interessiert. Viel Polizei war präsent, doch schlichten mussten
die Ordnungshüter wenig. Selbst angesichts der demütigenden Niederlage
blieben die Blauen auf den Rängen versöhnlich und erkannten an, dass gegen
die deutsche Mannschaft an diesem Freitagabend kein Kraut gewachsen war.
Die Gäste versuchten es zwar mit einer defensiven Fünferkette, und vor
diesem Riegel hatten sie noch einen Viererverband postiert, doch die
deutsche Mannschaft, in der gewohnten 4-2-3-1-Formation angreifend, machte
das Spiel breit, versuchte stets, die Offensivkräfte Kai Havertz, Jamal
Musiala und Florian Wirtz mit Pässen in die sogenannten Schnittstellen zu
füttern. Wie von einer Warte aus [2][dirigierte Toni Kroos] das Spiel,
brachte gefühlt 99 Prozent seiner Pässe ins Ziel, und nach Schema F des
getimten Erfolgs wurde dann auch die Führung wie auf dem Taktikbrett
entworfen: Kroos spielt einen seiner langen Bälle punktgenau in den Fuß von
Joshua Kimmich, der legt quer zu Florian Wirtz, Schuss und Tor. Der
Matchplan funktionierte in dieser frühen Phase des Spiels so gut und die
Schotten blieben so passiv, dass wohl einige im Stadion an jenes 7:1 im
Halbfinale der 2014er-WM dachten.
[3][War vorher viel Unsicherheit und Ungewissheit im Land], in den Medien,
ja vielleicht auch in der Führungsriege des DFB, so wischte das deutsche
Team in einer Viertelstunde die Zweifel vom Tisch und sorgte für eine
spielerische Befreiung, die nach dem Gewürge der vergangenen drei Turniere
die wenigsten erwartet und für möglich gehalten hätten. „Das war mal ein
Statement“, sagte Kai Havertz hinterher, „ich hoffe, es geht so weiter.“
Er präsentierte zu Mitternacht das Erfolgsrezept der Mannschaft: Man wolle
diese Euro genießen. Dieses Verb fiel recht häufig in den Katakomben der
Arena. Genießen. Den Druck nicht als Last empfinden, sondern als Privileg
und Leistungspush. Die Heim-EM nutzen, um als Animateure für gute Stimmung
zwischen Garmisch-Partenkirchen und Greifswald zu sorgen. „Wir wollen vor
dem Spiel nicht nur eine ernste Fokussierung in der Kabine haben, sondern
auch Lockerheit und Lachen“, sagte der Trainer.
Nagelsmann appelliert an das Selbstverständnis und den Spieltrieb seiner
Profis, die sich in der Vergangenheit allzu oft in destruktive Scharmützel
verstrickt und so das Primat des Kickens – die Wahrheit liegt auf dem Platz
– außer Acht gelassen hatten. Havertz sagte in der sogenannten Mixed Zone:
„Wir wollten nicht verkrampfen, sondern genießen (!), solche Spiele sind ja
einmalig.“ Aus den Sauertöpfen von Katar sind anscheinend die
Genussfußballer von Fröttmaning geworden. Wer hätte das gedacht! Und: Was
für eine Metamorphose! Auch der schottische Coach Stephen Clarke schien
überrascht. Die Deutschen hätten „exzellent“ gespielt, erkannte er neidlo…
wenn auch etwas einsilbig an: „Das Spiel ist sehr schnell an uns
vorbeigelaufen“, sagte er und wandte sich an die Tartan Army, also die
Fans: „Behaltet den Glauben.“
In der deutschen Mannschaft, und das ist sicherlich nicht schlecht, gibt es
auch nach diesem formidablen 5:1 immer noch genug Mahner, die den Ballon am
Boden halten wollen, Toni Kroos zum Beispiel. „Der nächste Gegner wird
sicherlich eine Klasse besser sein. Wenn wir uns da in Stuttgart beweisen,
können wir vielleicht von einem Flow sprechen“, entgegnete er einer allzu
enthusiastischen Journalistin. Aber es ist halt auch so, wie Jamal Musiala
es zusammenfasste: „Wir haben so viel Qualität. Und wenn wir die auf den
Platz bringen, kommen wir in den Flow.“ Ob diese EM nun zu einer
schwungvollen Interpretation des Heraklit’schen Panta Rhei wird? Könnte gut
sein.
15 Jun 2024
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## AUTOREN
Markus Völker
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