# taz.de -- Pastorin über Rassismus: „Jesus war ein Systemkritiker“ | |
> Sarah Vecera ist evangelische Theologin. Ein Gespräch über Rassismus in | |
> der Kirche, Hagar als Vorbild und wie Jesus weiß wurde | |
Bild: „Mein Glaube ist Teil meiner Identität.“ Sarah Vecera in den Räumen… | |
An einem grauen Tag im Mai sitzt Sarah Vecera in einem Konferenzraum in der | |
Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal. Vecera trägt einen pinken | |
Cardigan, sie hat ein breites, offenes Lächeln. Auf dem Tisch liegen | |
Brötchen und Kekse auf Tellern bereit. Nach Kirche fühlt es sich hier wenig | |
an, der braune 60er-Jahre-Bau mit einer großen Fensterfront erinnert eher | |
an eine Schule. Im Büro ist Vecera nur ein oder zwei Mal pro Woche, sonst | |
ist die Bildungsreferentin im Home Office, arbeitet an ihrem Podcast, hält | |
Lesungen oder ist auf Workshops unterwegs, in denen sie | |
Kirchenmitarbeiter:innen über Rassismus aufklärt. Gerade schreibt | |
sie zudem an einer vielfaltssensiblen Kinderbibel. | |
wochentaz: Frau Vecera, Sie sind seit Ihrer Kindheit regelmäßig in der | |
Kirche. Wie war Ihre Erfahrung dort als Schwarze Frau? | |
Sarah Vecera: Ich war in einem katholischen Kindergarten, im evangelischen | |
Kindergottesdienst und auf einer Montessorischule im Ruhrgebiet, das war | |
alles schon ein sehr weißer Raum. Über Fragen, die mir gestellt worden | |
sind, habe ich immer gemerkt, dass ich nicht der Norm entspreche. Als ich | |
als Teenager in die evangelische Jugend kam, hat sich das geändert. Die | |
Kirche wurde für mich zu einem Ort, an dem ich Zugehörigkeit erfahren habe. | |
Es waren dort auch andere Menschen of Color, es wurde nicht gefragt, wer | |
woher kommt, wir waren alle Teil dieser Gemeinschaft. Das war für mich | |
damals ein ganz besonderes Gefühl und wichtig für meine Identitätsbildung. | |
Inwieweit spielte der christliche Glaube in Ihrer Familie eine Rolle? | |
Ich komme aus einer evangelischen Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet und | |
bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Mein Opa hat ehrenamtlich | |
Kindergottesdienst gemacht, von daher hat sich Kirche schon immer sehr | |
familiär angefühlt. Gleichzeitig habe ich von klein auf mitbekommen, dass | |
Kirche eine andere Form von Gerechtigkeitsdenken hat. Das habe ich vor | |
allem über die Figur von Jesus gelernt: Er hat an vielen Stellen Reichtum | |
abgelehnt und ist auf Menschen zugegangen, die am Rande der Gesellschaft | |
lebten. | |
Hat Glaube für Sie immer auch eine politische Dimension? | |
Mein Glaube ist Teil meiner Identität, genauso wie meine Auseinandersetzung | |
mit Unterdrückungsmechanismen. Das war aber auch ein langer Prozess. Durch | |
meine Familie und die Kirche hatte ich für vieles ein Gefühl, aber konnte | |
es noch nicht in Worte fassen. Das änderte sich, als ich nach der Schule | |
ein Jahr für einen Freiwilligendienst mit der Vereinten Evangelischen | |
Mission nach Tansania gegangen bin. Das hat mich politisiert, weil ich dort | |
Menschen kennenlernte, die eine Sprache für mein Empfinden hatten. | |
Inwiefern? | |
Als Schwarze Deutsche in einer ehemaligen deutschen Kolonie zu sein, hat | |
meinen Blick auf die Welt sehr verändert. Ich habe gelernt, wie | |
Eurozentrismus und Kolonialismus bis heute nachwirken. In Begleitseminaren | |
habe ich einen kritischen Blick auf White Savorism gelernt und verstanden, | |
wie europäische Menschen in den Globalen Süden reisen, um dort Menschen zum | |
Objekt ihrer Nächstenliebe zu machen. Diese Form der Entwicklungsarbeit ist | |
ja auch sehr kirchlich geprägt. Es wird dabei zwar gerne von Begegnungen | |
auf Augenhöhe gesprochen, aber Machtdynamiken wirken, wir sind nicht im | |
luftleeren Raum miteinander. | |
Wie können diese Machtdynamiken durchbrochen werden? | |
Man kann beispielsweise bestimmte Bilder einfach weglassen. Mit einem | |
Patenkind in Afrika kann man zwar mehr Spenden generieren, denn Rassismus | |
verkauft sich gut, aber man reproduziert ein koloniales | |
Abhängigkeitsverhältnis. | |
Ein afrikanisches Kind finanziell zu unterstützen ist rassistisch? | |
Es ist problematisch, weil es lediglich individuell hilft, aber nicht die | |
Struktur ändert. Im Vordergrund steht, emotionale Abhängigkeitsverhältnisse | |
fortzuführen und nicht das System zu verändern. Diese Bilder nicht mehr zu | |
verwenden, kann ein Ansatz sein. Das bedeutet zwar de facto einen Verlust | |
von Spendeneinnahmen, aber wir müssen Strukturen schaffen, in denen Geld | |
auf andere Art und Weise zusammenkommt. Die Vereinte Evangelische Mission | |
macht das zusätzlich über Mitgliedsbeiträge oder Drittmittel. | |
Warum ist der Vereinten Evangelischen Mission das wichtig? | |
Als internationale Organisation mit 39 Mitgliedskirchen in Afrika, Asien | |
und Deutschland sind wir stetig dabei, unsere kolonialen Wurzeln | |
aufzuarbeiten. Seit über 30 Jahren durchlaufen wir eine rassismuskritische | |
Organisationsentwicklung und sind seit 1996 auf allen Ebenen paritätisch | |
aufgestellt. Die Deutschen sind in der Minderheit, Entscheidungen werden | |
mit einer Mehrheit aus dem Globalen Süden getroffen. Wir machen | |
Missionsarbeit, die Austausch-, Entwicklungs- und Bildungsprogramme sowie | |
transkulturelle Begegnungen umfasst. Unser Generalsekretär kommt aus | |
Indonesien, meine Abteilungsleiterin aus Kamerun. Wir bewegen uns zwar | |
global in einer monetären Ungleichheit, aber wir sind uns tagtäglich | |
bewusst darüber, dass das koloniale Folgen sind und es auch reichere | |
Kirchen im globalen Süden als in Deutschland gibt, wo die Kirchen stetig | |
schrumpfen. | |
Die Missionsarbeit ist auch eine Folge des Kolonialismus. Dabei denkt man | |
an weiße Christ:innen, die Menschen aus dem Globalen Süden ihre Religion | |
aufzwangen. Wie definiert Ihre Organisation heute Mission? | |
Es stimmt: Die Missionsarbeit hat eine problematische Geschichte. Deswegen | |
gibt es immer wieder die Diskussion, ob wir das Wort „Mission“ aus unserem | |
Namen streichen sollten. Das wünscht sich aber meist nur der deutsche Teil | |
der Vereinten Evangelischen Mission. Die Kirchen in Asien und Afrika wollen | |
den Begriff behalten. Sie sehen ihn als Teil der Geschichte und wollen den | |
Begriff über eine gleichberechtigte Zusammenarbeit lieber neu definieren | |
als ganz streichen. | |
Sie haben in Deutschland Theologie studiert. Gab es dort eine kritische | |
Auseinandersetzung mit kolonialen Strukturen innerhalb der Kirche? | |
Nein, die Norm war deutschsprachig, männlich und weiß. Das habe ich in | |
meinem Studium auch kaum hinterfragt. Durch meinen darauf folgenden Job in | |
einer multidiversen Jugend-Gemeinde in Essen konnte ich einiges beobachten | |
und habe dann später im Selbststudium rassismuskritische Bücher gelesen und | |
durch die Struktur der Vereinten Evangelischen Mission und meine | |
internationalen Kolleg*innen und deren Perspektive einiges verstanden. | |
Dabei habe ich gemerkt, dass wir in der Theologie nur diese eine | |
eurozentrische Sicht auf die Bibel gelernt haben. Ich habe dann plötzlich | |
alte Geschichten, die mir noch aus dem Kindergottesdienst vertraut waren, | |
ganz anders gelesen. | |
Haben Sie ein Beispiel? | |
Als Erstes denke ich an Hagar, Sara und Abraham aus dem Ersten Testament. | |
Abraham wurden viele Kinder prophezeit, aber Sara konnte nicht schwanger | |
werden. Deshalb musste ihre Magd Hagar als Leihmutter herhalten. Hagar | |
heißt übersetzt aus dem Hebräischen „die Fremde“. Sie musste sich von | |
Abraham schwängern lassen. | |
Das haben Sie als Kind so hingenommen und später nicht mehr? | |
Heute würde ich sagen, dass sie sexualisierte Gewalt erfahren hat und eine | |
Sklavin war. Hagar wird permanent von Sara gedemütigt, irgendwann ist es | |
ihr zu viel und sie flieht in die Wüste. Dort begegnet ihr ein Engel | |
Gottes. Das ist eine sehr besondere Begegnung, denn Hagar ist die einzige | |
Person, die Gott einen Namen geben darf. Sie nennt ihn „El Roi“, was | |
übersetzt bedeutet: „Gott sieht mich.“ Das ist eine der biblischen | |
Geschichten, die ich unglaublich bestärkend finde. Denn sie zeigt, dass | |
sich Gott zuerst an der Seite derer sieht, die fremd, unterdrückt und auf | |
der Flucht sind. | |
Leihmutterschaft, sexualisierte Gewalt, weibliche Sichtbarkeit – das sind | |
alles feministische Themen, die uns heute immer noch beschäftigen. Kann man | |
die Bibel auch feministisch lesen? | |
Natürlich darf man nicht ausblenden, dass es in der Bibel sehr brutale und | |
antifeministische Aussagen gibt. Aber in der patriarchalen Welt, in der die | |
Bibel entstanden ist, Frauen wie Hagar eine so deutliche Rolle zu geben, | |
spricht dafür, dass wir sie feministisch lesen sollten. Es gibt auch noch | |
andere Beispiele: Es waren Frauen, die als Erstes an Jesu Grab waren. Gott | |
hat ihnen anscheinend zugetraut, dass sie in die Welt gehen und die frohe | |
Botschaft verkünden. Und Jesus ist nach der Auferstehung erst einer Frau | |
begegnet und hat sie gefragt: „Warum weinst du?“ Er hat sich für ihren | |
Schmerz interessiert. Auch an der Stelle, als ihm eine sogenannte | |
Ehebrecherin vorgestellt wird, sagt er: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe | |
den ersten Stein.“ Diese Szene zeigt, wie Jesus sich damals gar nicht erst | |
auf diese patriarchalen Debatten eingelassen hat. Also, das finde ich alles | |
ziemlich feministisch. | |
Wie kommt es dann, dass sich etwa [1][die katholische Kirche] dem | |
verweigert? Frauen dürfen dort keine entscheidenden Ämter übernehmen, sie | |
sind von der Priesterweihe ausgeschlossen. Missbrauchsfälle werden – in | |
beiden Kirchen – nicht ausreichend aufgearbeitet. | |
Zur katholischen Kirche kann ich als evangelische Theologin nicht viel | |
sagen. In der [2][evangelischen Kirche] beobachte ich aus meiner | |
Perspektive viel. Ich finde es interessant, wie sich eine Institution über | |
Jahrhunderte so weit von ihrem Ursprung entfernt hat. Wenn ich mir etwa das | |
Leben Jesu anschaue, war er nicht reich, hat Wohlstand kritisiert, | |
unbequeme Fragen gestellt, Kritik am System geübt und war mit Menschen | |
unterwegs, die am Rande der Gesellschaft standen. Und dann sehe ich die | |
Kirche: weiß, akademisch und wohlhabend. Kritik wird gegen andere | |
gerichtet, aber es ist wenig Raum für Selbstkritik. Unsere Gesellschaft ist | |
sehr viel diverser als die Menschen, die ich in der Kirche antreffe. | |
Wie geht es denn anderen BIPoC, also Schwarzen, Indigenen und People of | |
Color, in der Kirche in Deutschland. Stehen Sie da im Austausch? | |
Wir haben ein kirchliches Netzwerk von BIPoC aus ganz Deutschland | |
gegründet, das sind so rund 100 Leute. Schon diese geringe Zahl bei knapp | |
20 Millionen Mitgliedern ist ein Symptom davon, wie weiß die Kirche als | |
Institution ist. Die allermeisten schweigen. Sie sagen, mein Job ist es | |
nicht, Anti-Rassismusarbeit zu machen, sondern Pfarrarbeit, Jugendarbeit | |
oder Kirchenmusik. Wenn sie anfangen, Dinge zu kritisieren, und die meisten | |
sind Einzelkämpfer:innen, dann kommen sie nicht mehr zu ihrer eigentlichen | |
Aufgabe. Es würde sie zu viel Kraft kosten, die Abwehrreaktionen | |
auszuhalten. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Netzwerk haben, | |
um uns gegenseitig zu empowern und über Alltagsrassismus auszutauschen. | |
Viele fühlen sich durch den Austausch weniger allein, das ist schön und das | |
gab es vor fünf Jahren noch nicht. | |
Welche Erfahrungen von Alltagsrassismus werden in diesem Austausch konkret | |
benannt? | |
Pfarrpersonen of Color berichten etwa, dass beim Abendmahl Menschen nach | |
ihnen nicht mehr aus dem Kelch trinken wollen oder dass sich weiße Menschen | |
nicht neben sie auf die Kirchbank setzen. In Seelsorgegesprächen kommt es | |
vor, dass sich weiße Menschen rassistisch äußern. Das ist besonders | |
herausfordernd. Denn als Seelsorger:in jemanden auf seine rassistischen | |
Gedanken hinzuweisen, dessen Mutter gerade gestorben ist, ist im Prinzip | |
unmöglich. Hier bräuchte es innerhalb der Kirche bessere Strukturen, damit | |
diese Pfarrpersonen eine Ansprechperson haben, mit der sie sich über solche | |
Vorfälle austauschen können. | |
Um Rassismus in der Kirche zu begegnen, haben Sie auch ein Buch mit dem | |
Titel „Wie ist Jesus weiß geworden?“ geschrieben. In der Kirche ist Jesus | |
fast immer weiß abgebildet. Warum hält sich dieses Bild so konsequent? | |
Zum einen hat das historische Gründe, aber Jesus ist auch eine Figur, die | |
christlich geprägte Menschen von klein auf kennen. Da können sich Menschen | |
sehr schnell angegriffen fühlen, wenn man plötzlich die Hautfarbe ändert. | |
Es ist ein sehr emotionales Thema. Ich stelle ja nicht nur | |
gesellschaftliche Systeme in Frage, sondern ich stelle den Glauben von | |
Menschen in Frage, der auch auf einem rassistischen und diskriminierenden | |
System aufgebaut ist. Und das reizt Menschen nochmal viel tiefer, als wenn | |
es nur um gesellschaftliche Strukturen geht. Deshalb müssen wir schauen, | |
wie wir Räume schaffen können, über diese Emotionalität zu reden. Die | |
Kirche hat die Netzwerke dafür, sie müssen nur genutzt werden. | |
Wie sieht es in den Mitgliedskirchen bei der Vereinten Evangelischen | |
Mission in Asien und Afrika aus? Ist Jesus da auch weiß? | |
Es gibt in Afrika und Asien Krippen, wo die Jesusfiguren kontextualisiert | |
sind und Jesus kein weißer Mitteleuropäer mehr ist. Aber es gibt auch dort | |
überwiegend den weißen Jesus in den Kirchen. Das ist eine Auswirkung der | |
Geschichte und [3][hält sich vor allem durch den Kolonialismus sehr stark]. | |
Sie fordern auch eine rassismuskritische Auseinandersetzung mit der Bibel. | |
Wie könnte das aussehen? | |
Es geht erst einmal darum, bestimmte Geschichten sichtbar und Teil des | |
kollektiven Gedächtnisses werden zu lassen. Denn es gab schon immer | |
Schwarze Widerstandsbewegungen gegen Unterdrückungsregimes, die sich auf | |
die Bibel berufen. Sojourner Truth ist da ein gutes Beispiel. Sie war eine | |
Schwarze, ehemalige versklavte Frau aus dem 19. Jahrhundert, die sich für | |
die Rechte Schwarzer Frauen einsetzte. Es gibt eine Rede von ihr, in der | |
sie davon erzählt, dass Männer behaupten, dass man Frauen immer beim | |
Einsteigen in eine Kutsche helfen sollte. Ihr sei das noch nie passiert, | |
betont sie und fragt: „Bin ich keine Frau?“ In der Rede erzählt sie | |
außerdem, dass die meisten ihrer dreizehn Kinder an Sklavenhändler verkauft | |
wurden. Am Ende sagt sie: „Und wenn ich um sie weinte, hörte mich keiner | |
außer Jesus. Bin ich etwa keine Frau?“ Dass sie damals schon auf diese Form | |
der Mehrfachdiskriminierung hinweist, die in ihrem Glauben nur Jesus sehen | |
kann, macht sie zu einer christlichen Begründerin der Idee von | |
Intersektionalität. | |
Das heißt, in der Bibel steckt politisches Widerstandspotenzial? | |
Auf jeden Fall. Ein anderes Beispiel aus der Geschichte belegt das ganz | |
gut: In Zeiten der Sklaverei in den USA gab es für versklavte Menschen eine | |
sogenannte Sklavenbibel. Darin wurden alle Stellen gestrichen, in denen es | |
hieß, dass Gott an der Seite der Unterdrückten steht. Die Sklavenhalter | |
wollten damit verhindern, dass sich die Sklaven zum Widerstand erheben. | |
Wie ist es bei Ihrer Arbeit: Rennen Sie mit Ihrem Aktivismus für eine | |
rassismussensible Kirche offene Türen ein oder ist der Widerstand groß? | |
Beides. An unserer vielfaltssensiblen „Alle-Kinder-Bibel“, in der Jesus als | |
PoC abgebildet ist, sehe ich, dass es an der Basis in den evangelischen | |
Gemeinden einen Willen für Veränderung gibt. Wir gehen mit dem Buch jetzt | |
in die sechste Auflage, es wird gut angenommen. Auch die Nachfrage nach | |
Antirassismus-Workshops ist hoch, aber es geht meistens darum, wie man | |
weißen Menschen Rassismus erklären kann. Es ist selten Thema, [4][wie man | |
Strukturen schafft, um Menschen of Color zu empowern]. | |
In Ihrem Buch fordern Sie auch, dass die Bibel weniger individualistisch | |
gelesen werden sollte. Was meinen Sie damit? | |
Ich habe als Jugendliche gelernt, dass es um die Beziehung zwischen Gott | |
und mir geht. Sich in seinem Glauben nur darauf zu fokussieren, kann aber | |
auch problematisch sein. Natürlich darf ich mich als Mensch von Gott | |
gesehen und geliebt fühlen. Aber in all diesen Beziehungsgeflechten ist es | |
wichtig, die eigene Beziehung zu Gott nicht über das große Ganze zu | |
stellen. Sondern sich auch als Gemeinschaft zu sehen, das fehlt oftmals in | |
unseren westlich geprägten Gesellschaften. In der Ubuntu-Philosophie aus | |
dem südlichen Afrika habe ich gelernt, dass wir vor allem kollektive Wesen | |
sind. Es täte uns gut, wenn wir es als Christ:innen schaffen würden, das | |
gemeinschaftliche Wohl über das eigene Wohl zu stellen. Auch in der Bibel | |
geht es immer um die Beziehung von Gott zu den Menschen, aber auch um die | |
Beziehung von Menschen untereinander. Es geht um ein Verbundensein. | |
In welchen Momenten haben Sie dieses Verbundensein besonders gespürt? | |
In Momenten der Trauer. Menschen im Trauern und am Ende ihres Lebens zu | |
begleiten, das kann Kirche wirklich gut. In unserer Gesellschaft wird | |
Trauer ja gerne eher ausgeblendet. Für mich waren es prägende Erlebnisse, | |
wenn ich Menschen beerdigt, beim Sterben oder Trauern begleitet habe, weil | |
sie so ehrlich waren. Weil vieles von dem, was wir in unserem Alltag als | |
wichtig erachten, dann nicht mehr zählt. Aber auch für mich persönlich | |
waren diese Momente wichtig. Es passiert viel Schlimmes in der Kirche, und | |
sie war nie ein sicherer Ort für alle. Auch das zu betrauern habe ich in | |
der Kirche gelernt. Denn gegen Trauer hilft nur Trauern. | |
16 Jun 2024 | |
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Sabina Zollner | |
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