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# taz.de -- Botschaften auf Stein: Ein bunter Fels in der Brandung
> Mit dem „Alten Schweden“ liegt ein riesiger Findling direkt am Hamburger
> Elbstrand. Von den Kämpfen der Stadtgesellschaft bleibt er nicht
> unberührt.
Bild: Ein Hauch von Ewigkeit – in immer neuen Farben: der „Alte Schwede“ …
Hamburg taz | Der Riese liegt [1][am Elbstrand], direkt neben dem Uferweg,
und schimmert in der Sonne. An Wochenenden drängen sich hier die
Spaziergänger*innen, jetzt, an einem Dienstagmorgen, ist nicht viel
los hier, nur ein paar Jogger*innen sind unterwegs und Hunde. Im Sand
zeichnen sich Reifenspuren ab, vielleicht war die Stadtreinigung da und hat
den Müll weggeräumt, der von einem der Picknicks übriggeblieben ist.
Drüben am anderen Ufer liegen die Containerterminals, aber wenn man an den
grauen Findling herantritt, sieht man nichts mehr davon. Unmöglich, über
ihn hinwegzusehen, dazu ist er mit über vier Metern zu hoch. Überraschend
glatt fühlt sich die schrundige Oberfläche an, ein wenig aufgewärmt schon
von der Sonne. „Grauer Granit“, sagen die Experten dazu, aber da ist noch
mehr: kleine weiße Stellen, darin schwarze Punkte, und wenn man um den
Koloss herumgeht, changieren die Farben. Es gibt rötlich schimmernde
Stellen und gelbe.
1999 haben sie ihn aus der Elbe geholt, nachdem man bei Baggerarbeiten auf
den Brocken gestoßen war. Und weil er mit einem Schwimmkran gehoben wurde,
der seine Lasten wiegt, weiß man genau, wie schwer er ist: 217 Tonnen.
Er gehört damit noch nicht zu den größten Findlingen, wie der Hamburger
Mineralogieprofessor Roland Vinx in den [2][Mitteilungen der Gesellschaft
für Geschiebkunde] schrieb. Vor der Küste Rügens liegt etwa ein Exemplar,
das 1.800 Tonnen wiegt, und im vorpommerschen Altentreptow findet sich an
Land ein Stein von 360 Tonnen.
Doch groß ist der Findling vom Elbstrand schon, mit einem Umfang von 20
Metern. Nach der Bergung habe man ihn zwar gehindert, eine Probe zu nehmen,
kritisierte Vinx, trotzdem sei es möglich, die Herkunft zu bestimmen: Es
handle sich um grauen Ostsmälandgranit aus dem südschwedischen Växjö, der
mit den sich ausbreitenden Gletschern der Saale- oder der Elster-Eiszeit
mitgeschleift worden sei.
## Schleifspuren im Gestein
Tatsächlich weist die Oberfläche des Findlings, der (im Beisein des
schwedischen Konsuls) „Alter Schwede“ getauft wurde, auf der dem Fluss
zugewandten Seite Striemen auf. Das könnten Schleifspuren sein. Doch es
sind nicht die einzigen Spuren an der Oberfläche: An diesem Morgen finden
sich auf der Flussseite des Steins Reste von schwarzen Zeichen, die sich
mit dem Finger wegwischen lassen, wahrscheinlich Grillkohle.
Etwas weiter oben sind kleine, verblasste gelbliche Graffiti zu erkennen:
einmal die Umrisse eines Vogels, und immer wieder der Versuch, die
Botschaft „BOB&R“ zu hinterlassen, die frischeste Spur davon ist pink.
Seit seiner Aufstellung wird der Findling besprayt, genauso lange erheben
sich Stimmen, die sich daran stören. Das Hamburger Abendblatt kolportierte
sogar den Vorschlag eines Künstlers, den Findling auf hohe Stelzen zu
setzen, damit die Sprayer nicht mehr herankämen.
Bis dann in der Silvesternacht aufs Jahr 2019 etwas geschah, was die
Stimmung kippen ließ: der „Alte Schwede“ [3][war über Nacht golden
geworden]. Urheber unbekannt.
Zwei Jahre zuvor hatte ein Künstler auf der Veddel, einem der ärmeren
Stadtteile Hamburgs, [4][die Hauswand eines Arbeiterklinkerbaus vergoldet],
was dort zu wütenden Reaktionen führte. Die Nachbarschaft fühlte sich
vorgeführt.
Aber hier, im großbürgerlichen Othmarschen, wo unter alten Bäumen
Pferdeanhänger parken, kam die Idee der Vergoldung gut an. Der Findling
wurde zum Fotomotiv, viele Menschen kamen, um sich vor dem goldenen Stein
fotografieren zu lassen. Eine Petition, das Gold auf dem Stein zu lassen,
wurde gestartet, [5][2.704 Unterschriften] kamen zusammen.
## Neuer Lack für alte Steine
Die Hafenbehörde, verantwortlich für die Elbe und damit auch für den Stein
am Ufer, zögerte: Aber wenn die Politik beschließe, der Stein solle golden
werden, wolle man sich nicht querstellen, sagte ihr Chef im
Abendblatt-Interview. Nicht lange darauf, noch im Januar 2019, passierten
zwei Dinge: Regen setzte dem Gold zu, und eine politische Botschaft
erschien in Form von grün umrandeten gelben Dreiecken, schwarzen Sternen
und den Worten „war starts“.
Die Stimmung in der Stadt kippte zurück, die Hafenbehörde schritt zur Tat.
Man habe sowohl das Graffitto als auch die goldene Farbe entfernen lassen,
so die Auskunft. Anschließend habe man den Stein mit einer
„Anti-Graffiti-Schicht“ imprägniert.
Mit überschaubarem Erfolg: Im März 2019 bemalten St. Pauli-Fans den Stein
in den Vereinsfarben Braun und Weiß, worauf HSV-Fans in Blau dagegen
hielten. Auf [6][Fotos von damals] sieht es auch nicht so aus, als ob die
goldene Farbe ganz weg wäre.
Und wenn man genau hinschaut, gibt es immer noch diese eine Stelle ziemlich
weit unten, nur ein paar Quadratzentimeter: eindeutig Gold. Immer noch?
Oder wieder? Wer kann das schon wissen.
Anmerkung d. Redaktion: In einer vorherigen Version hatten wir dem FC St.
Pauli versehentlich falsche Vereinsfarben zugeschrieben. Das haben wir
korrigiert.
27 Jun 2024
## LINKS
[1] /Unglueckliche-Stadtwerbung-in-Hamburg/!5874211
[2] https://www.geschiebekunde.de/dl/ga/Geschiebekunde_aktuell_15(4)_1999.pdf
[3] https://www.ndr.de/geschichte/schauplaetze/Alter-Schwede-Findling-vergoldet…
[4] /Streit-ueber-Gold-Haus-auf-der-Veddel/!5353561
[5] https://www.change.org/p/goldst%C3%BCck-f%C3%BCr-hamburg-goldener-findling-…
[6] https://www.bild.de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/vor-dem-hamburg-derby-…
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
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