# taz.de -- Ende von Subventionen in Argentinien: Kein Trinkwasser mehr aufs Tr… | |
> In Buenos Aires reinigt man selbst bei Regen die Gehwege mit | |
> Gartenschläuchen. Jetzt will Präsident Milei Wasser und Strom nicht mehr | |
> subventionieren. | |
Bild: Jeden Morgen spülen die Hausmeister*innen mit einem kräftigen Strahl au… | |
Ich habe mich oft gefragt, ob meine Hündin Pinky es eigentlich gut findet, | |
das unser Gassirundweg jeden Morgen frisch gewaschen ist. Schließlich | |
gehört für sie das Schnüffeln an allen Ecken und Bäumen ebenso dazu wie das | |
Pipi- und Häufchenmachen. Was aber, wenn es nach Putzmittel riecht und | |
nicht nach den Duftnoten der Nachbarhunde? Jeden Morgen spülen die | |
Hausmeister*innen mit einem kräftigen Strahl aus dem Schlauch die | |
Gehwege, auch wenn es gerade regnet. Die verbrauchte Wassermenge entspricht | |
gefühlt dem Tagesbedarf einer mittleren Kleinstadt. Das könnte bald ein | |
Ende haben. Denn die Wasserpreise wurden verdreifacht. | |
Wasserzähler sind in Buenos Aires eher die Ausnahme. Der Wasserverbrauch | |
wird pauschal berechnet. Es wird geschätzt, wie viel Wasser in einem Haus | |
oder Gebäude benötigt wird, und dieses wird anteilig auf die einzelnen | |
Mietparteien eines Hauses umgelegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob nur | |
einmal der Wasserhahn aufgedreht, oder der Swimmingpool täglich neu gefüllt | |
wird. Vor einigen Jahren bot die Stadtverwaltung an, kostenlos Wasserzähler | |
zu installieren. Bei der nächsten Hausversammlung bin ich mit einem | |
entsprechenden Vorschlag dann allerdings kläglich gescheitert. „Nein, | |
besser nicht, sonst zahlen wir am Ende noch mehr“, hieß es damals. | |
Nur einmal habe ich einen Hausmeister gefragt, ob ihm bewusst sei, welche | |
Unmengen Wasser er jeden Morgen für das Abspülen der Gehwegplatten | |
verbrauche. „Der Río de la Plata ist voll davon“, war seine Antwort. Aber | |
ob er auch an den Stromverbrauch denke, der anfällt, bis das Flusswasser | |
als Trinkwasser aus dem Wasserschlauch komme? Die Antwort war ein | |
Gesichtsausdruck, der zwischen fragend und gereizt pendelte. Seitdem machen | |
Pinky und ich einen kleinen Bogen um seine Spritzzone. | |
Pinky begrüßt schwanzwedelnd den [1][Boxer-Rüden aus der Parallelstraße]. | |
Schnell ist man beim Thema Wassertarife. Er zahle jetzt 21.000 Peso im | |
Monat statt wie bisher 7.000, sagt das Boxer-Herrchen, das sich immer und | |
sofort als Milei-Anhänger outet. Gut sei es, dass der Präsident konsequent | |
den Subventionshahn zugedreht habe. „Alle seine Vorgänger haben gekniffen, | |
auch Cristina Kirchner“, sagt er. | |
## Klimaanlage voll aufgedreht | |
Seit der großen Krise von 2001 werden die Tarife für Wasser, Gas und Strom | |
mit staatlicher Finanzhilfe niedrig gehalten. Was damals als vorübergehende | |
soziale Maßnahme gedacht war, hat sich im Laufe der Jahre zu einem Fass | |
ohne Boden entwickelt. Alle Versuche, dies zu ändern, blieben halbherzig | |
oder scheiterten. Für Generationen von Argentinier*innen kommen | |
Wasser, Gas und Strom billig subventioniert aus der Leitung. Wasser- oder | |
Energiesparen gehört nur bei den wenigsten zum Wortschatz, wenn es um das | |
Klagen über höhere Tarife geht. | |
„Milei hat mit Umweltschutz nichts am Hut“, gibt das Boxer-Herrchen zu. | |
[2][„Der streicht die Subventionen nur, weil das Defizit im Staatshaushalt | |
weg soll.“] Der Nebeneffekt sei aber, dass jetzt zwar alle über die | |
steigenden Tarife jammern, aber erstmals auch ihren eigenen Verbrauch | |
überdenken würden. „Wie vielen ist es egal, ob der Wasserhahn tropft? Wie | |
viele gehen aus dem Haus und lassen die Klimaanlage voll aufgedreht?“ fragt | |
er. | |
Pinky hat jetzt Reina gesichtet und zerrt an der Leine. Reina ist die | |
Collie-Hündin, [3][die vor ein paar Monaten aus Rosario zugezogen ist]. Ihr | |
Frauchen erzählt, dass die Bürgersteige in Rosario schon lange nicht mehr | |
so gründlich gereinigt werden. Das Wasser ist dort schon lange viel teurer | |
als in der Hauptstadt, obwohl Rosario ja direkt am Río Paraná liegt. Sie | |
war überrascht, wie billig alles hier bisher war. | |
Das gilt auch für die Strom- und Gastarife und die Fahrpreise der | |
öffentlichen Verkehrsmittel, die im ganzen Land seit Jahren viel weniger | |
oder gar nicht mehr subventioniert werden, meint sie. Die Hauptstädter | |
dürften sich nicht wundern, wenn es keine Solidarität aus anderen Städten | |
gebe. | |
22 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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