# taz.de -- Potsdamer Geheimtreffen: Gefährlicher Ausländer darf rein | |
> Das Einreiseverbot für den österreichischen Rechtsextremisten Sellner ist | |
> voraussichtlich rechtswidrig. Das entschied ein Gericht in Potsdam. | |
Bild: Der Rechtsextremist Martin Sellner spricht auf einer Kundgebung der Ident… | |
[1][Das Einreiseverbot für den österreichischen Rechtsextremisten Martin | |
Sellner] ist voraussichtlich rechtswidrig. Das entschied das | |
Verwaltungsgericht (VG) Potsdam Ende Mai in einem Eil-Beschluss und hob das | |
Einreiseverbot vorläufig auf. | |
Der 35-jährige Sellner ist prägende Figur der Identitären Bewegung, die vom | |
Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. | |
Als Referent stellte er im November 2023 bei dem Potsdamer Treffen von | |
Rechtsextremist:innen seinen Plan zur „Remigration“ von | |
Ausländer:innen vor, zu denen er auch „nicht assimilierte“ deutsche | |
Staatsbürger:innen mit Migrationsgeschichte zählte. | |
Am 14. März erteilte die Potsdamer Ausländerbehörde ein dreijähriges | |
Einreiseverbot gegen Sellner, das deutschlandweit Geltung hatte. Die | |
Behörde begründete das Verbot vor allem mit dem von Sellner vertretenen | |
Konzept des „Ethnopluralismus“, wonach die Vermischung von Völkern eine | |
Gefahr für deren Identität sei und deshalb jedes Volk in seinem | |
angestammten Raum bleiben solle. Dies widerspreche laut Ausländerbehörde | |
der Garantie der Menschenwürde und dem Staatsvolk-Verständnis des | |
Grundgesetzes, wonach das deutsche Volk aus allen deutschen | |
Staatsbürger:innen besteht, also auch aus eingebürgerten Deutschen. | |
Sellner stellte gegen das Einreiseverbot sofort einen Eilantrag beim | |
Verwaltungsgericht Potsdam, dem die Richter nun stattgaben. Das | |
Einreiseverbot sei nach einer ersten groben Prüfung als rechtswidrig zu | |
bewerten. Die Potsdamer Behörde habe nicht aufgezeigt, dass von Sellner | |
eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, was nach | |
dem EU-Freizügigkeitsgesetz Voraussetzung für ein Einreiseverbot für | |
EU-Bürger:innen ist. | |
## Volksverhetzung reicht nicht | |
Das Gericht betonte, dass EU-Bürger:innen sich in den 27 Staaten der | |
Europäischen Union grundsätzlich frei bewegen können. Ausnahmen seien daher | |
eng auszulegen. Der Europäische Gerichtshof verlange, dass | |
„Grundinteressen“ der Gesellschaft gefährdet sein müssen. Nach Auffassung | |
des VG Potsdam ist hierfür in der Regel eine strafbare Handlung | |
erforderlich, weil der Staat im Strafrecht bestimme, welches Verhalten | |
einem „Unwerturteil“ ausgesetzt ist. Sellner sei bisher aber nicht | |
vorbestraft. Ermittlungsverfahren wurden stets eingestellt. | |
Soweit die Behörde den Anfangsverdacht auf Volksverhetzung anführe, reiche | |
dies für ein Einreiseverbot nicht aus. Das VG Potsdam hatte Mitte Mai | |
entschieden, dass bei Nicht-EU-Ausländer:innen, wie dem | |
britisch-palästinensischem Arzt [2][Ghassan Abu Sittah], ein | |
Schengen-Einreiseverbot mindestens den Verdacht auf Begehung „schwerer | |
Straftaten“ erfordere. Dies gelte für EU-Bürger:innen erst recht. | |
Ebensowenig rechtfertige das Ziel, die Leserschaft für Sellners Buch | |
„Remigration“ zu begrenzen, ein Einreiseverbot. Da das Buch am freien | |
Warenverkehr der EU teilnehme, wäre es widersprüchlich, mit dem Buch eine | |
Einschränkung der Freizügigkeit des Autors zu begründen, so das VG. Auch | |
der Vorwurf, Sellner mache verfassungsfeindliche Ideologien „salonfähig“, | |
genügt laut VG nicht den gesetzlichen Anforderungen. | |
Der Potsdamer Eil-Beschluss hat zur Folge, dass Sellner bis zur | |
Entscheidung in der Hauptsache wieder nach Deutschland einreisen kann. Die | |
Eil-Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Die Stadt Potsdam kann | |
binnen zwei Wochen noch Beschwerde einlegen, über die das | |
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheiden würde. | |
4 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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