# taz.de -- Ungarische Fans und „L’amour toujours“: Von wegen Liebe | |
> Eine als homophob und rassistisch verschriene Fangruppe aus Ungarn singt | |
> die von Ausländerhassern missbrauchte Melodie von „L’amour toujours“. | |
> Warum? | |
Bild: „Free Gigi!“ Merkwürdige Botschaft aus der ungarischen Kurve | |
Da war er wieder, der Song „L’amour toujours“, dessen ausländerfeindliche | |
Umdichtung in Bierzelten wie auf [1][Schickimickipartys auf Sylt] so viele | |
falsche Freunde gefunden hatte. Und da waren sie wieder jene meist finster | |
dreinblickenden Fans der ungarischen Nationalmannschaft, die sich die | |
„Carpathian Brigade“ nennen. | |
Die haben den Fanmarsch angeführt, mit dem die Anhänger der ungarischen | |
Nationalmannschaft am Mittwochnachmittag zum Stadion gezogen sind. Dabei | |
haben etliche Marschierer den Partyhit geträllert. Und sie haben ein | |
Transparent hochgehalten mit dem Konterfei von Gigi D’Agostino, dem | |
Künstler, von dem der Song stammt. Dazu die Botschaft „Free Gigi!“ Das | |
Transparent war später dann auch im Stadion zu sehen. | |
Die Fans in ihren traditionellen schwarzen T-Shirts haben sich | |
offensichtlich etwas ganz Spezielles einfallen lassen, bevor sie sich auf | |
den Weg nach Deutschland gemacht haben. Dass man zu dem Lied von D’Agostino | |
im Land des ach so gastfreundlichen EM-Gastgebers gar nicht mal so selten | |
„Ausländer raus!“ singt, hat Schlagzeilen in der ganzen Welt gemacht. | |
Und dass das Lied, um seinen Missbrauch zu verhindern, auf dem Oktoberfest | |
in München von den Bierzeltkapellen nicht mehr gespielt werden soll | |
ebenfalls. Auch auf den Fanmeilen ist der Hit, zu dem sich in betrunkenem | |
Zustand so schön grölen lässt, ebenfalls nicht erwünscht. | |
## Eine Hymne an die Liebe? | |
Der Künstler selbst mag nicht verstehen, warum sein Lied an gewissen Orten, | |
an dem wohl mit dem Schlimmsten gerechnet wird, nicht mehr gespielt werden | |
darf. Sein Lied habe doch nichts mit Rassismus zu tun, sagte der | |
italienische DJ der NZZ. Und: „Es ist eine Hymne an die Liebe. Ich verstehe | |
nicht, welches Problem das lösen soll, wenn man ein Lied zensuriert, das | |
die Liebe feiert.“ War also das Transparent der ungarischen Fans ganz im | |
Sinne des Künstlers nichts anderes als ein Schrei nach Liebe? | |
Wer sich daran erinnert, wie sich die „Carpathian Brigade“ bei der | |
Europameisterschaft 2021 zur Liebe verhalten hat, wird das eher nicht für | |
möglich halten. Die Deutschen spielten auch damals in der Gruppenphase | |
gegen die Ungarn. Dort wurde in eben jenem Sommer das „Gesetz zur | |
Beschränkung der Information über Homo- und Transsexualität“ verabschiedet, | |
das doch arg an die homophobe Gesetzgebung in Russland erinnert hat. | |
Mit Regenbogenfähnchen wurden deshalb damals die [2][ungarischen Fans in | |
München] begrüßt. Die Antwort darauf waren „Viktor Orbán“-Sprechchöre … | |
der Schlachtruf „Deutschland, Deutschland – homosexuell“. | |
Die nämlichen Kameraden ziehen nun mit der Botschaft „Free Gigi!“ durch | |
Stuttgart. Wollen die Fans mit dem Transparent ganz wie der Künstler darauf | |
aufmerksam machen, dass dessen Stück nichts mit Rassismus zu tun hat? Sie | |
selbst haben mit Rassismus sehr wohl etwas zu tun. | |
## Absichtliche Provokation | |
Unvergessen sind die rassistischen Beleidigungen gegen Schwarze Spieler aus | |
Frankreich bei der EM 2021. Und als die englische Auswahl 2022 bei einem | |
Spiel in Budapest vor dem Anpfiff auf die Knie geht, um – ganz wie es der | |
US-Footballer Colin Kaepernick vorgemacht hatte – gegen Rassismus zu | |
protestieren, wurden sie gnadenlos ausgepfiffen. | |
Da haben sich also ausgerechnet Rassisten die Liebesbotschaft von Gigi | |
D’Agostino zu eigen gemacht, die zuvor von Rassisten in Deutschland in eine | |
Hassbotschaft umgewandelt worden war. Es war eine Provokation. Sie erzeugt | |
Gänsehaut, weil mit ihr die Bilder von Sylt wieder hochgespült werden. Gut | |
gemeint war bei dieser Aktion jedenfalls nichts. | |
20 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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