# taz.de -- Meine Reise zur EM nach Dortmund: Sehnsuchtsort Westfalenstadion | |
> Live im Stadion wollte ich die türkische Nationalmannschaft zu einem Sieg | |
> gegen Georgien schreien. Doch dann ging etwas schief bei der Anreise. | |
Bild: Dortmund in türkischer Hand: türkische Fans vor dem Spiel gegen Georgie… | |
Es ist ein wunderbarer Plan: Um die türkische Fußballnationalmannschaft | |
gegen Georgien gebührend anzufeuern, fahre ich einen Tag vorher bis nach | |
Dortmund, wo dieses höchst spannende erste Gruppenspiel der Türken bei der | |
EM stattfinden wird. Ich habe nämlich gewisse Zweifel, dass es der | |
türkischen Mannschaft etwas hilft, wenn ich hunderte Kilometer weit | |
entfernt zu Hause hin und her springe, Beifall klatsche oder laut anfeuere. | |
Aus so einer großen Entfernung macht es auch wenig Sinn, die Schiedsrichter | |
als „unfähige, bestochene Idioten“ zu beschimpfen – die werden das nie zu | |
hören bekommen, bei dem Lärm im Stadion. | |
In Dortmund habe ich plötzlich das Gefühl, [1][mitten in Istanbul zu sein]. | |
Sogar in Istanbul sieht man ab und zu ein paar Touristen, aber hier in | |
Dortmund sind es nur Türken! Auch die ganzen Hotels und Pensionen sind | |
total überfüllt – mit Türken! Die Hotels in den umliegenden kleinen Orten | |
sind auch voll – mit Türken! Wenn die Türken vor dreihundert Jahren Wien | |
derart belagert hätten, bräuchten sie jetzt kein Visum für Österreich und | |
Deutschland. | |
In einem 40 Kilometer von Dortmund entfernten Dorf finde ich doch noch ein | |
Hotel, das zum Glück nur zur Hälfte von Türken belagert wird. | |
„Sie wollen sicher zum Fußball, oder?“, fragt der Mann an der Rezeption | |
sofort, als er mich sieht. | |
„Klar, wir machen [2][die Georgier] fertig“, rufe ich voller Vorfreude. | |
„Dann tragen Sie sich dort drüben in die Liste ein“, sagt er. | |
„Wetten will ich darauf aber doch nicht. Bitte keine Liste“, antworte ich. | |
„Nix wetten. Wir fahren Sie bis ins Stadion. Morgen früh rufen wir Sie an“, | |
meint er. | |
„Das nenne ich Service“, rufe ich begeistert und gehe sofort ins Bett, um | |
für das schwere Spiel morgen genug Kraft zu tanken. | |
Am nächsten Tag steigen wir gleich nach dem Frühstück in einen Bus. | |
Nach 45 Minuten Hopserei auf extrem kurvenreichen Landstraßen ruft unser | |
Reiseführer: „Von hier geht’s zu Fuß weiter. Keine Müdigkeit vortäusche… | |
„Toll, ich bin derart motiviert, ich könnte bis in die Türkei laufen“, ru… | |
ich energisch zurück. | |
Nach einer Stunde bin ich bereits völlig außer Atem! Das war die größte | |
sportliche Betätigung, die ich in den letzten zehn Jahren vollbracht habe. | |
Ach was, in den letzten 50 Jahren sogar. | |
Aber was tut man nicht alles als guter [3][Fußballfan]? | |
Nach zwei Stunden aber jammere ich: „Wann sind wir denn endlich da?“ | |
„Wir sind doch schon fast da“, sagt der Führer und zeigt auf eine gammelige | |
Hütte. | |
„Aber wo ist das Stadion? Sind Sie sicher, dass in diese Hütte 80.000 Leute | |
reinpassen?“, frage ich schockiert. | |
„Sind Sie verrückt? Da passen nicht mal 80 Leute rein“, lacht er. | |
„Aber ich will doch das Spiel Türkei gegen Georgien live im Dortmunder | |
Westfalenstadion sehen. Deswegen bin ich doch von Bremen bis hierher | |
gekommen“, flippe ich aus. | |
Daraufhin schüttelt er sich vor Lachen und ruft: „Mein Herr, dann hätten | |
Sie sich doch nicht in die Wanderliste des Hotels eintragen sollen!“ | |
„Ich fasse es nicht! Ich wollte doch Arda Güler sehen, verdammt!“ | |
„Jetzt sehen Sie die Burgruine Hohensyburg oberhalb von Ruhr und Lenne, ist | |
doch auch was!“ | |
19 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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