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# taz.de -- Marcus Thuram und der RN: Einsatz für die Nation
> Marcus Thuram ist nicht der große Star des französischen Teams.
> Vielleicht aber ist er der aufrechteste. Er ist klar gegen den
> Rassemblement National.
Bild: Herausragend: Marcus Thuram (Nummer 15) im Kreise der Nationalmannschaft
Reden wir über [1][Marcus Thuram]! Der junge Franzose, 26, ist Stürmer und
spielt beim italienischen Meister Inter Mailand. Er ist einer der großen
Helden des ersten Turnierwochenendes, obwohl er keine Minute auf dem Feld
gestanden hat. Frankreich steigt erst am Montagabend mit dem Spiel gegen
Österreich ins Turnier ein. Und doch gebührt Marcus Thuram schon jetzt die
größte Wertschätzung. Bei einer Pressekonferenz im fränzösischen
Teamquartier in Paderborn wurde er [2][zur politischen Situation in
Frankreich] gefragt und was er davon halte, dass mit dem Rassemblement
National bald schon eine rassistische Partei an die Macht kommen könnte.
Ruhig und unaufgeregt antwortete er. Und eindeutig: „Wir müssen alles dafür
tun, damit sich der RN nicht durchsetzt.“
Derartige Bekenntnisse sind selten im französischen Profisport. Oft drücken
sich die hochbezahlten Athleten, auch wenn sie eine eindeutige Meinung
haben mögen, um eindeutige Antworten. Zwei Tage zuvor hatte etwa
Frankreichs Ousmane Dembélé angesichts der geringen Beteiligung an der
EU-Wahl von knapp über 50 Prozent die Menschen in Frankreich dazu
aufgefordert, wählen zu gehen. Er tat dies, nachdem er sein Entsetzen über
[3][den Wahlsieg der Partei von Marine Le Pen] halbwegs verdaut hatte.
Schockiert sei die Mannschaft gewesen, als sie nach dem Testspiel gegen
Kanada am Wahlabend in der Kabine die ersten Ergebnisse erfahren hätten.
Auch die Spieler Olivier Giroud und Benjamin Pavard haben für die
Stimmabgabe geworben.
Marcus Thuram ist das zu wenig. Für ihn ist klar, dass es um mehr geht, als
nur die Stimme abzugeben. Und so beantwortete er geduldig weitere Fragen
zur politischen Situation in Frankreich. Auch das ist ungewöhnlich. Nicht
selten grätschen Pressesprecher Fragen ab, die sich nicht ums rein
Sportliche drehen. Für Marcus Thuram war es an diesem Samstag in Paderborn
selbstverständlich, sie zu beantworten. Er fühlt sich in der Verantwortung,
Stellung zu beziehen. „Nein“, sagte er, „das ist nicht schwer für mich,
solche Fragen zu beantworten. So bin ich erzogen. Und ich weiß, dass mir
auf Social Media viele Menschen folgen. Denen gegenüber fühle ich mich
verpflichtet, gewisse Botschaften zu vermitteln.“
In Deutschland erinnert man sich noch, wie der damalige Stürmer von
Borussia Mönchengladbach nach dem Vorbild des ehemaligen
US-Football-Spielers Colin Kaepernick [4][vor dem Spiel auf die Knie
gegangen ist], um nach dem von einem Polizisten begangenen Mord an George
Floyd gegen Rassismus zu protestieren. Gegenwärtig ist vielen auch das
Engagement seines Vaters Lilian Thuram, Mitglied des französischen
Weltmeisterteams von 1998, der nach seiner Karriere als engagierter Kämpfer
gegen Rassismus auftritt. „Ich bin mit ihm aufgewachsen und fühle mich
verpflichtet, seine Botschaft weiterzutragen“, sagte Marcus Thuram auf
seinen Vater angesprochen, und er wurde nicht müde zu mahnen.
## Auch Meloni angesprochen
So sprach er auch über die Lage in Italien. Das Land, in dem er lebt, wird
[5][von der Postfaschistin Giorgia Meloni regiert]. „Ist das für mich
direkt ein Problem? Nein, ich bin Fußballspieler, die Leute kennen mich“,
sagte er. „Aber ich weiß, dass es für Schwarze in Italien ein Problem ist.�…
Was für ein Auftritt!
Thuram weiß nur zu gut, dass es bisweilen auch die großen Fußballstars
sind, die Opfer rassistischer Beleidigungen werden. Der französische
Torhüter Mike Maignan hat im Januar seinen Platz im Tor von AC Mailand
während des Spiels verlassen, nachdem ihn Fans von Udinese Calcio aufs
Übelste rassistisch beschimpft hatten. Und in Spanien wurden gerade drei
Fans des FC Valencia zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie Vinicius
Jr., den brasilianischen Star von Real Madrid, rassistisch angegangen
waren. Beiden Opfern wurde große Solidarität zuteil. Marcus Thuram weiß,
dass diejenigen, die über keine Fußballprominenz verfügen, oft allein
gelassen werden mit ihren Rassismuserfahrungen.
Er ist gewiss nicht der größte Star im französischen Team. Zwanzigmal hat
er für die Auswahl gespielt, zwei Tore dabei erzielt. Ob er am Montag gegen
Österreich überhaupt auflaufen wird, steht nicht fest. Ohnehin wird
Superstar Kylian Mbappé alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn das Spiel
einmal läuft. Und dennoch ist Marcus Thuram schon jetzt einer der Spieler
des Turniers.
16 Jun 2024
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## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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