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# taz.de -- Wahlkampf in Polen: Zwischen Hoffnung und Frust
> Polens Wähler wollen weniger Bürokratie in der EU – und weg vom Diktat
> Brüssel. Scharfe Kritik wird auch an der strikten EU-Asylpolitik geübt.
Bild: Polens Premier Donald Tusk gibt seine Stimme für das Europäische Parlam…
Die EU-Begeisterung der Polinnen und Polen hat in den acht Jahren der
PiS-Regierung enorm stark abgenommen. Die stete Wiederholung von den
angeblichen „Eurokraten“, die mit ihren realitätsfernen Gesetzen den
normalen Bürgern nur das Leben erschwerten, vom angeblichen „Diktat
Brüssels“, dem sich alle beugen müssten, und von der angeblichen Hegemonie
Deutschlands in der EU hat bei vielen Polen den Wunsch nach einem „Europa
der Vaterländer“ aufkommen lassen.
Zwar sind noch immer – je nach Umfrage – 60 bis 70 Prozent der Polinnen und
Polen der Ansicht, dass sich der EU-Beitritt Polens vor genau 20 Jahren
positiv auf das Land ausgewirkt habe, doch bei einer genaueren Analyse
zeigt sich, dass sich bei den Wählern der nationalpopulistischen „Recht
und Gerechtigkeit“ (PiS) und der rechtsextremen Konföderation Zustimmung
und Ablehnung mit 47 zu 46 Prozent die Waage halten.
Doch auch die EU-Anhänger und Anhängerinnen, wie die meisten meiner
Freunde, zucken oft ratlos mit den Schultern. „Was fehlt, ist ein neues
Projekt, eine neue Vision von Europa, etwas, wo man selbst auch gerne
anpacken würde“, wünscht sich Debora, mit der ich gerne meine Runden im
Park Pole Mokotowskie in Warschau drehe.
„Mir ist die EU immer noch viel zu national“, kritisiert Piotr, der als
Restaurator viel in Europa unterwegs ist. „Wir wählen polnische Parteien,
warum nicht europäische? Was nutzen uns polnische Wahlversprechen, wenn die
später in den Koalitionen mit den europäischen Schwesterparteien gar nicht
umzusetzen sind?“ Er nimmt einen Schluck Caffe Americano und hält sein
Gesicht in die warmen Sonnenstrahlen. „Ich bin froh, dass ich überall in
Europa arbeiten kann, aber diese überbordende Bürokratie ist einfach
entsetzlich“, stöhnt er. „Wenn jetzt die neue Kommission zusammengestellt
wird, sollte unbedingt ein Kommissar für Bürokratieabbau dabei sein.“
## Wähler von Tusks Grenzpolitik enttäuscht
Marcin studiert im zweiten Semester VWL. „Ich liebe Polen. Immerhin bin ich
hier geboren, aber ich werde irgendwann emigrieren. Ständig kontrolliert
zu werden, nur weil ich schwarz bin, das ist nicht nur polnische, dass ist
EU-Ausländerpolitik.“ Er lacht bitter. „Früher dachte ich, dass dieser
Rassismus irgendwann aufhören würde. Aber jetzt geht der ganze Wahlkampf
darum, die EU-Außengrenzen vor Leuten wie mir zu sichern.“ Er sei froh,
dass seine Eltern aus dem Irak vor drei Jahrzehnten freundlich in Polen
aufgenommen worden seien und nun die ganze Familie die polnische
Staatsbürgerschaft besitze. Aber es werde immer schwerer, sich eine Zukunft
als Nichtweißer in der EU vorzustellen.
[1][Angesichts des brutalen Angriffskriegs,] den der russische Machthaber
Wladimir Putin gegen die Ukraine führt, und der ständigen
P[2][rovokationen an der belorussisch-polnischen Grenze hat Polen] die
große humanitäre Herausforderung des Umgangs mit Geflüchteten in eine
Sicherheitsfrage verwandelt. [3][Premier Donald Tusk von der
liberalkonservativen Bürgerplattform (PO)] sieht sich bei diesem Thema
in einer Linie mit anderen EU-Regierungschefs.
Doch viele seiner bisherigen Wähler und Wählerinnen sind von Tusks
Grenzpolitik sehr enttäuscht: Menschenrechtskonform sind die tausenden
Pushbacks der vergangenen Monate an der polnisch-belorussischen Grenze
nämlich nicht.
9 Jun 2024
## LINKS
[1] /Polen-vor-der-EU-Wahl/!6012552
[2] /Gefluechtete-als-Waffe/!6012528
[3] /Regierungsumbau-in-Polen/!6009726
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Kolumne Vor der Tür
Polen
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