Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ankerverbot auf Berliner Gewässern: Wem gehört die Spree?
> Wer auf der Spree lebt, soll sein Boot nicht mehr verlassen dürfen. Die
> Gentrifizierung erreicht damit auch Berlins Gewässer. Gibt es Widerstand?
Bild: Ein viel zu seltener Anblick: Eine Demonstration fürs Klima auf der Spree
Nun also auch ein – wenn auch abgeschwächtes – Ankerverbot. Außerhalb von
genehmigten Liegeplätzen ist [1][ab dem 1. Juni ein so genanntes
Stillliegen von Booten entlang der innerstädtischen Spree nicht mehr
erlaubt]. So sieht es eine Verordnung des Bundes vor, der die CDU-geführte
Verkehrsverwaltung in Berlin ausdrücklich zugestimmt hat.
Was zunächst wie ein harmloser Verwaltungsakt daherkommt, um etwa
Schrottboote bergen zu können, ist bei genauerem Hinsehen politisch
motiviert: Es ist der Versuch, die Spree von unliebsamen Nutzerinnen und
Nutzern zu säubern.
Vor allem in der Rummelsburger Bucht leben und feiern viele Menschen auf
Booten, manche machen auch Lärm. Um künftig nicht belangt werden zu können,
müssten sie ständig auf ihren Booten anwesend sein. Mal eben am Ufer Kaffee
zu trinken oder einzukaufen, wäre nicht erlaubt.
Ginge es nach der seit dieser Woche von Ute Bonde (CDU) geführten
Verkehrsverwaltung, sollte nicht einmal das mehr möglich sein. Sie fordert
ein generelles Ankerverbot auf allen Berliner Gewässern. Betroffen wäre
neben der Rummelsburger Bucht auch die Stille Krampe in Müggelheim sowie
die Müggelspree. Dazu konnte sich der Bund bislang allerdings nicht
durchringen.
## Keine freie Spree
Wem gehört die Spree? Anders als bei der Frage, wem die Stadt gehört oder
der weitgehend von Autos zugeparkte Straßenraum, ist Berlins wichtigstes
Gewässer von politischen Debatten bislang weitgehend unberührt geblieben.
Nur ab und an gibt es ein leises Staunen, wenn wieder die [2][Forderung
auftaucht, auf der Spree einen Wassertaxiverkehr] einzurichten. Was in
anderen Flussstädten zum Alltag gehört, ist in Berlin freilich unmöglich.
Die meisten Anleger sind von den Reedern der Fahrgastschifffahrt gepachtet.
Ein Monopol, das bislang weder der Bund noch der Senat brechen wollten oder
konnten.
Dass es bislang kaum Protest gegen diese faktische Besetzung der Ufer gab,
liegt auch daran, dass die „freie Spree“ kaum eine Lobby hat. Diejenigen,
die auf ihr paddeln, haben sich damit abgefunden, dass die Spree von der
Oberbaumbrücke bis zum Kanzleramtssteg für Boote ohne Motor und weniger als
15 PS gesperrt ist. So sieht es die „Binnenschifffahrtsstraßenverordnung“
vor. Denn auch wenn kaum mehr ein Frachtkahn am Kanzleramt vorbeifährt, ist
die innerstädtische Spree Teil der „Spree-Oder-Wasserstraße“.
Dass nicht nur dort, wo Berlin auf festem Grund steht, von Verdrängung oder
Gentrifizierung die Rede sein kann, sondern auch auf seinen Gewässern,
zeigt das Beispiel Flussbad in Mitte. Die Freitreppe, die am Humboldt-Forum
unterhalb der geplanten „Einheitswippe“ zum Ufer führen sollte, ist immer
noch nicht in Angriff genommen. Bereits 2022 sollte mit dem Bau begonnen
werden. Offiziell heißt es, Streitigkeiten zwischen Bezirk und Senat über
die Unterhaltungskosten hätten zur Verzögerung geführt.
Tatsächlich könnten aber auch andere Interessen eine Rolle gespielt haben.
[3][Bereits 2015 hatte Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz, vor der Flussbadidee im Tagesspiegel gewarnt]: „Hier werden
Hunderte nicht nur baden, sondern feiern wollen. Ich empfehle einen Besuch
am Schlachtensee oder in den Freibädern von Neukölln, Kreuzberg oder
Pankow, dort ist die Situation längst gekippt. Unmengen von Müll, Polizei,
Anwohnerklagen, Dauerparty, gute Nacht Museumsinsel!“
Hier die exklusive Museumsinsel, dort das Monopol der Fahrgastreedereien –
und nun der Wunsch, die Wassermenschen wieder mit ihren Booten an die Ufer
abzudrängen: Spree-Athen zeigt sich mehr und mehr von seiner
wasserfeindlichen Seite. Ob sich mit dem Verbot, ankernde Boote nicht
verlassen zu dürfen, etwas daran ändert? Könnte an der Spree ähnlich der
Debatte um die Verkehrswende auf den Straßen, der Widerstand wachsen?
Die Aussichten sind nicht besonders groß. Diejenigen, die von der jüngsten
Verordnung betroffen sind, überlegen bereits, sogenannte Ankerwachen
einzurichten und so zumindest drohende Strafen zu umgehen. Vielleicht
braucht es deshalb ein radikaleres Vorgehen. Macht die Flüsse zu
Rechtssubjekten, heißt es seit geraumer Zeit, unter anderem in Polen, wo
die Oder zuletzt im Sommer 2022 von einem Fischsterben betroffen war.
Wäre die Spree tatsächlich eine juristische Person, könnte sie – vertreten
durch Umweltschützer, aber auch Nutzerinnen und Nutzer – nicht nur gegen
das Ankerverbot vorgehen. Sie könnte auch einen freien Zugang für alle
Boote zu ihren Ufern einklagen. Das wäre mal was!
25 May 2024
## LINKS
[1] /Ankerverbot-in-Berlin/!6008954
[2] /Die-Spree-als-Verkehrsweg/!5757185
[3] https://www.tagesspiegel.de/kultur/flussbad-an-der-museumsinsel-bitte-nicht…
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Spreeufer
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Flussbad Berlin
Wochenkommentar
Rummelsburger Bucht
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Einheitsdenkmal
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ankerverbot in Berlin: Bugwelle der Verdrängung
Eine neue Verordnung verbietet unbemanntes Ankern und Stillliegen auf der
Spree. Hausbootbewohner:innen und Kulturflößen droht das Ende.
Ankerverbot in Berlin vom Tisch: Bucht siegt, Geisel geht baden
Ein vom Innensenator angestrebtes Ankerverbot für die Rummelsburger Bucht
mit Folgen für ganz Berlin kommt nicht. Die Kulturflöße hoffen nun auf
mehr.
Streit um Berliner Flussbad: Im langen Schatten des Schlosses
Wie alt und würdig es in Berlins Mitte zugehen soll, ist steter Anlass zum
Streit. Jetzt stören sich Denkmalfreunde am geplanten Berliner Flussbad.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.