# taz.de -- Die Wahrheit: Merkwürdige Flüssigkeit von oben | |
> Wo das Wetter wirklich herkommt: Wie kann nur irgendjemand den | |
> Vorhersagen von Apps nicht vertrauen? Manche blenden einfach die Realität | |
> aus. | |
Bild: Von allen Seiten nass im wechselhaften Frühling | |
Ich möchte keine Namen nennen, weil es mir fern liegt, andere Menschen für | |
ihr Fehlverhalten namentlich zu outen, denn damit würde ich sie nur dem | |
wütenden Spott einer objektiv betrachtet zu Recht aufgebrachten Menge zum | |
Fraß vorwerfen. Das aber verbietet mein Großmut. Daher drücke ich es mal so | |
aus: In meinem näheren Umfeld sind gewisse Personen zugange, die es nicht | |
nur ablehnen, sich auf seriösen Seiten im Internet über das aktuelle | |
Wettergeschehen zu informieren, sondern die sich obendrein noch in kindisch | |
überheblicher Manier über Menschen wie mich lustig machen, die die | |
Gewissenhaftigkeit besitzen, genau das zu tun. | |
Wir sind also im Garten – ich sag der Verschwiegenheit halber natürlich | |
nicht, wer, wo und in welchem Garten –, und am Nachmittag ziehen im Norden | |
ein paar dunklere Wolken auf. Daraufhin entspinnt sich das immer gleiche | |
absurde Gespräch. Denn genannte Person fängt nunmehr vollkommen unüberlegt | |
an, zu labern, „ui“, das Wetter werde wohl schlecht, „guck mal“, wenn d… | |
mal nicht bald anfinge zu regnen. | |
Mit einer Schafsgeduld erinnere ich sie an die ausgiebige Lesung der | |
Wetterdaten auf meinem Taschentelefon, die ich für sie sowie weitere | |
potenziell Interessierte (Vögel, Bäume, Eichhörnchen) erst beim Frühstück | |
abgehalten habe. Ich müsste das überhaupt nicht tun, denn jede ist am Ende | |
für ihr eigenes Glück verantwortlich. Wer nicht aufpasst, ist selbst | |
schuld. Dennoch rekapituliere ich exklusiv für sie: „Nach zwölf Uhr sinkt | |
die Regenwahrscheinlichkeit von 35 Prozent auf 15 Prozent und später bis | |
zum Abend hin sukzessive auf null Prozent.“ Habe ich eigentlich erwähnt, | |
dass ich [1][ein großer Fan von Wetterberichten] bin? | |
Ich sähe doch, „dass das Wetter schlecht wird“, widerspricht sie | |
uneinsichtig. Dort hinten sei es „schon ganz schwarz“. Als käme es hier auf | |
irgendwelche x-beliebigen Farben an. Angesichts dieses inkompetenten | |
Geschwurbels fällt es mir immer schwerer, ruhig zu bleiben. „Laut | |
wetter.com wird das Wetter nicht schlecht, folglich wird es nicht | |
schlecht.“ | |
## Denkfehler im Umfeld | |
Für sie zähle nicht das Internet, sondern die Realität, beharrt die Person | |
aus dem Umfeld nunmehr, und auf einmal weiß ich, wo ihr Denkfehler liegt. | |
Denn die Realität, das ist nun mal das Internet. Und nicht irgendeine | |
halbschaurige Feld-Wald-und-Wiesen-„Realität“ aus dem Bauch heraus. Homo | |
eso statt Homo sapiens. Da ist jemand anscheinend schon als Kind in das | |
Fass mit den Parallelfakten gefallen. | |
Eine derart offenkundige Ablehnung von wissenschaftlich erarbeiteten, für | |
den Endverbraucher verständlich aufbereiteten und mittels moderner Technik | |
kommunizierten Tatsachen macht mir richtiggehend Angst. Wenn scheinbar | |
mündige Bürger nicht mal mehr mit simplen Wetterdaten zu erreichen sind, | |
was bedeutet das dann für unsere Gesellschaft und die ungeheuer schwierigen | |
Aufgaben, die auf sie zukommen: Klimaschutz, Rechtsruck, Überbevölkerung? | |
Und mindestens so bedenklich: Was mögen das für „Menschen“ sein? Und was | |
hat sie zu solchen Realitäts- und Technikverweigerern gemacht? Die sind | |
doch völlig unberechenbar. Fressen Fliegenpilze, Stechapfel oder | |
Bilsenkraut und lassen sich in einem „Wetterzelt“ von irgendeinem | |
sabbernden Schamanen im Wolfspelz den alternativen Wetterbericht für | |
gefährliche Knallköpfe vortanzen. Oder sie gucken in den Himmel und lesen | |
irgendeinen Schwachsinn aus den Wolken ab. Das muss man sich bloß mal | |
vorstellen. | |
## Desinformation der Natur | |
Gäbe es so etwas wie die Seite „querdenkwetter.ru“, würde sie das | |
wahrscheinlich sogar in den Kreis der Wetterberichts-Aficionados | |
zurückholen. Doch um welchen Preis. Schließlich gibt es Desinformation | |
nicht nur in der Natur, sondern längst auch im Netz. Das streite ich ja gar | |
nicht ab; da gilt es dann eben, Medienkompetenz zu beweisen. | |
Jetzt tropft auf einmal auch noch irgendeine Flüssigkeit von oben runter. | |
Bäh. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast meinen, es regnet. | |
Aber so kann ich unbesorgt in meinem Liegestuhl sitzen bleiben. Je weniger | |
Beachtung ich dem Trugbild schenke, desto schneller wird es verschwunden | |
sein. | |
Besagte Umfeldperson zieht sich jedoch auf die überdachte Veranda zurück. | |
Ach du meine Güte – ein Mindset wie aus der Bronzezeit. Sie tut mir echt | |
leid. | |
29 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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