# taz.de -- Zusatzangebot für Obdachlose: 22 Schließfächer | |
> Auch in Kreuzberg gibt es nun Schließfächer für Menschen ohne festen | |
> Wohnsitz. Der Standort wirkt erst mal etwas ungewöhnlich ausgewählt. | |
Bild: Eröffnung mit Schleifchen: Die 22 neuen Schließfächer in Kreuzberg | |
Berlin taz | [1][Wer obdachlos ist, wer alle seine Habseligkeiten immer bei | |
sich hat, kann leicht bestohlen werden.] Dagegen sollen nun kostenlose | |
Schließfächer helfen, in denen Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben, | |
ihre Wertsachen verwahren können sollen. So eine Anlage muss man sich in | |
etwa vorstellen wie eine Packstation: Der kleine, überdachte Block mit | |
Nummerierung und Monitor in der Mitte wirkt wie ein neu gestaltetes, | |
anthrazitfarbenes digitales Postfach. 22 Fächer in fünf Größen – die gro�… | |
passend für Schlafsack und Rucksack, die mittleren für Medikamente, die | |
ganz kleinen für Ausweis und Portemonnaie. | |
Eine dieser Anlagen steht nun in der Nähe des Anhalter Bahnhofs in | |
Kreuzberg. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister von | |
Friedrichshain-Kreuzberg, Oliver Nöll (Linke), ist zwar selbst nicht die | |
Zielgruppe, probiert die Schließfächer aber am Montag vor Publikum (und für | |
die rbb-Kamera) direkt mehrmals aus. Denn vermisst bei der Eröffnung werden | |
die potenziellen Nutzer:innen der neuen Schließfächer. | |
Ob dies an der fehlenden Einladung oder an der unzureichenden Verbreitung | |
der Informationen unter den Trägern lag, bleibt unklar. Es mag auch am Ort | |
liegen: Die Schließfächer stehen an der Köthener Straße direkt vor einem | |
ehemaligen Studentenwohnheim, in dem sich derzeit eine | |
Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine befindet. Sie sind | |
eben nicht am Leopoldplatz, Hansaplatz oder am Görlitzer Park, dort, wo | |
sich die potenziellen Nutzer:innen sowieso aufhalten und dort einen | |
einfacheren Zugang hätten. | |
Einfach soll der Zugang allerdings rein technisch sein: möglichst | |
barrierefrei, wie es der Geschäftsführer des Betreibers Home & Care | |
Nothilfe GmbH, Thomas Mertens, ausdrückt. Sein Träger betreibt auch die | |
Geflüchtetenunterkunft nebenan. Wer ein Fach nutzen möchte, muss sich bei | |
einem Mitarbeiter des Sozialdienstes von Home & Care melden. Dieser | |
organisiert die Vergabe der Codes, die gebraucht werden, um die Fächer zu | |
nutzen. Eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer ist dafür nicht | |
erforderlich. Betroffene haben diese auch oft gar nicht. Alles, was sie | |
brauchen, ist ein Foto. Und auch das müssen sie nicht mitbringen, sondern | |
Mitarbeiter:innen machen es direkt vor Ort. Es dient der | |
Identifizierung bei Verlust des Codes. | |
## Nutzung der Schließfächer noch nicht sprachbarrierefrei | |
Die Nutzer:innen müssen nach der ersten Anmeldung kein weiteres Mal mit | |
der Sozialstation kommunizieren und können die Anlage rund um die Uhr | |
nutzen. Die Fächer lassen sich über einen kleinen Monitor öffnen und können | |
auf unbestimmte Zeit gemietet werden. Bisher ist das allerdings nur auf | |
Englisch und Deutsch möglich – bei der Herstellerfirma würden sie aber dran | |
arbeiten, dass es bald auch weitere Sprachen geben wird. | |
Wie die Betroffenen von den Schließfächern erfahren, ist noch nicht so | |
richtig ausgearbeitet. Bislang setze man auf Mundpropaganda und Anwerbung | |
über verschiedene Träger und Streetworker sagt Bezirksbürgermeister Nöll. | |
Sven Niederhofer ist Sozialarbeiter bei der Diakonie Berlin-Stadt Mitte und | |
überzeugt, dass die Schließfächer ein sinnvolles [2][Zusatzangebot für | |
Obdachlose] sind: „Neben Isomatten, Schlafsäcken und Winterkleidung können | |
die Menschen in den Boxen auch persönliche Dokumente und Wertsachen sicher | |
aufbewahren. Das ist wichtig, weil diese oft gestohlen werden oder im | |
Alltag stören“, sagt er. | |
Eine weitere Schließfachanlage wurde bereits im Januar im Bezirk | |
Reinickendorf eingeweiht. Weitere sollen folgen. Um sie zu finanzieren, hat | |
Home & Care extra einen neuen Verein gegründet, der neue Standorte | |
vorbereiten und Spenden einsammeln soll. In Reinickendorf seien etwa 18 | |
Fächer dauerhaft benutzt, sagt Norbert Raeder, parteiloser | |
Bezirksverordneter und dortiger Mitinitiator. | |
Im Jahr 2023 wurden in Berlin 31.000 wohnungslose Menschen registriert, von | |
denen derzeit schätzungsweise 5.000 bis 8.000 tatsächlich als obdachlos | |
gelten. Neben bezahlbarem Wohnraum fehlt es an theoretischen und | |
praktischen Angeboten, um Obdachlosigkeit zu bekämpfen – [3][Berlin hatte | |
vor einigen Jahren bereits einen Masterplan gegen Obdachlosigkeit] | |
verabschiedet, allerdings stockt es mit den Maßnahmen. Schließfächer bieten | |
ein sinnvolles zusätzliches Angebot – Ursachen bekämpfen sie aber nicht. | |
13 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Kai Liesegang | |
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