| # taz.de -- Bettelverbot in Hamburger U-Bahnen: Keine kleine Spende mehr | |
| > Die Hamburger Hochbahn will das Bettelverbot in U-Bahnen strikter | |
| > durchsetzen. Das Obdachlosenprojekt Hinz&Kunzt hält das Verbot für | |
| > grundrechtswidrig. | |
| Bild: Will die Hamburger Hochbahn nicht in der U-Bahn sehen: Bettelnde Person | |
| Hamburg taz | Menschen, [1][die durch U-Bahn-Wagen gehen und – bisweilen | |
| mit einer kleinen Ansprache – um ein paar Cent oder etwas zu essen bitten], | |
| sind in Hamburg ein vertrauter Anblick. Die städtische Hamburger Hochbahn | |
| will dem jetzt verstärkt entgegenarbeiten und das Betteln möglichst | |
| unterbinden. Fahrgastvertreter begrüßen das. Das Obdachlosenprojekt | |
| Hinz&Kunzt dagegen hält ein Bettelverbot in Bahnen und Bahnhöfen für | |
| unzulässig. | |
| Laut den Beförderungsbedingungen ist das Betteln in den Anlagen der | |
| Hochbahn ebenso verboten wie das Trinken, Rauchen oder Musizieren. Das ist | |
| schon lange so. Neu ist, dass die Hochbahn das konsequenter durchsetzen | |
| möchte. Sie tut das mit neuen Durchsagen, die auf das Verbot hinweisen. | |
| „Das erleichtert auch die Arbeit der Hochbahn-Wache, denn die Hinweise | |
| schaffen Klarheit, wenn sie bettelnde Menschen verstärkt anspricht und | |
| auffordert, die Fahrzeuge und Haltestellen zu verlassen“, [2][heißt es im | |
| Hochbahn-Blog]. | |
| Wer erwischt wird, muss mit einer sogenannten Vertragsstrafe von 40 Euro | |
| rechnen. 2022 wurden im Bereich der Hochbahn 650 Strafen wegen Bettelns | |
| verhängt, im Jahr darauf 1.337, im laufenden Jahr bis zum 16. Mai 861. Seit | |
| April gingen die Zahlen mit dem Anlaufen der neuen Kampagne deutlich | |
| zurück. | |
| Die Hochbahn begründet ihr Vorgehen damit, dass sie zunehmend | |
| Kundenbeschwerden bekommen haben. „Es gab Forderungen von Fahrgästen, | |
| aktiver zu werden“, sagt Hochbahnsprecher Christoph Kreienbaum. Der Blog | |
| dokumentiert das mit zwei Tweets – allerdings aus dem Jahr 2022. Darin ist | |
| die Rede von einem aggressiven Mann, der die Fahrgäste bedrängt und ihnen | |
| Angst gemacht habe. | |
| ## Immer mehr Beschwerden von Fahrgästen | |
| Aus Sicht der Hochbahn ist wichtig, dass sich ihre Fahrgäste wohlfühlen, | |
| gerade in den Abendstunden. Die Beförderungsbedingungen seien ja auch ein | |
| Service-Versprechen, sagt Hochbahnsprecher Kreienbaum. „Was bringt eine | |
| Richtlinie, die nicht angewandt wird?“, fragt er. Selbstverständlich werde | |
| die Hochbahnwache mit Augenmaß handeln. | |
| Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, | |
| äußert Verständnis für den verschärften Kurs der Hochbahn. „Sie können … | |
| erleben, dass Sie auf einer 20-minütigen U-Bahn-Fahrt dreimal angebettelt | |
| werden“, sagt er. Das könnte manchmal auch bedrohlich wirken. Dabei komme | |
| nicht darauf an, ob dieses Gefühl berechtigt sei, sondern darauf, dass die | |
| Menschen gerne den öffentlichen Nahverkehr benutzten. „Es nützt gar nichts, | |
| einen Fünf-Minuten-Takt in Hamburg einzuführen, wenn die Leute Angst haben, | |
| die Bahn zu benutzen“, findet Naumann. | |
| „Wie groß ist das Problem wirklich, wenn Menschen durch einen Waggon gehen, | |
| einen Vortrag halten und einen Becher hinhalten?“, fragt dagegen Jörn | |
| Sturm, Geschäftsführer der [3][Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt]. „Das Betteln | |
| gehört zum Leben“, sagt er. Insbesondere Großstadtbewohner müssten das | |
| aushalten. Das gelte allerdings nicht für aggressives Betteln. Hinz&Kunzt | |
| versucht, als Straßenmagazin auf die Probleme Obdachloser aufmerksam zu | |
| machen und ihnen durch den Verkauf der Zeitung in ein stabiles Leben | |
| zurückzuhelfen. | |
| Gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte plant Hinz&Kunzt eine | |
| Kampagne gegen die Vertreibung Obdachloser aus dem öffentlichen Raum. Als | |
| gemeinnütziger Verein hat es sich die Gesellschaft für Freiheitsrechte zur | |
| Aufgabe gemacht, die Grund- und Menschenrechte mit juristischen Mitteln zu | |
| verteidigen. Dabei nutzt sie „strategische Gerichtsverfahren und | |
| juristische Interventionen, um Demokratie und Zivilgesellschaft zu fördern, | |
| Überwachung und digitale Durchleuchtung zu begrenzen und für alle Menschen | |
| gleiche Rechte und soziale Teilhabe durchzusetzen“. | |
| Bei der Kampagne, die kommenden Mittwoch vorgestellt werden soll, | |
| argumentieren Hinz&Kunzt und die Gesellschaft für Freiheitsrechte grob | |
| gesprochen damit, dass friedliches Betteln auf öffentlichen Straßen und | |
| Plätzen grundsätzlich erlaubt sei. Das müsse auch für Orte gelten, die dem | |
| öffentlichen Raum gleichzusetzen seien. Privatwirtschaftlich organisierte | |
| Unternehmen in öffentlicher Hand dürften daher das Betteln nicht verbieten. | |
| Der Hochbahn wären damit die Hände gebunden. | |
| ## Obdachlosenprojekte als Ausgleich | |
| Einen Konsens scheint es darüber zu geben, dass sich die [4][Gesellschaft | |
| um Randgruppen wie Obdachlose und Bettler kümmern müsse] – nur wo? Es | |
| gelte, Räume zu schaffen, „für die, die es nicht so gut haben“, sagt | |
| Karl-Peter Naumann von Pro Bahn, nur eben [5][nicht ausgerechnet da, wo | |
| Menschen zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel motiviert werden] | |
| sollen. | |
| Die Hochbahn verweist darauf, dass sie sich in verschiedenen Projekten für | |
| Obdachlose engagiere. Dazu gehörten ein Duschbus und der Wärmebus, mit dem | |
| die Hochbahn-Azubis warme Sachen sammeln. Außerdem appelliert der | |
| Hochbahn-Blog: „Bitte begegnet Menschen in prekären Lebenssituationen immer | |
| mit Respekt und Freundlichkeit.“ | |
| Olga Fritsche, sozialpolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft, | |
| kann nachvollziehen, dass sich Fahrgäste manchmal unwohl fühlen. Würde das | |
| Betteln verboten, müssten aber andere Hilfsangebote geschaffen werden. | |
| Sie erinnert daran, dass es eine Gruppe von Obdachlosen besonders schwer | |
| habe: die Menschen ohne Papiere oder solche, die von Abschiebung bedroht | |
| seien und daher nicht auffallen dürfen. „Mir machen die Leute Sorgen, die | |
| man nicht sieht“, sagt Fritsche. Denn wer unter dem Radar bleiben müsse, | |
| sei auch für Hilfsangebote nicht erreichbar. | |
| 24 May 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Soziale-Kaelte-in-der-Grossstadt/!5955575 | |
| [2] https://dialog.hochbahn.de/allgemein/betteln-nicht-erlaubt-was-steckt-hinte… | |
| [3] https://www.hinzundkunzt.de/ | |
| [4] /Deutschland-Ticket-grenzt-Arme-aus/!5958035 | |
| [5] /Unerwuenschte-Klientel/!5960136 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
| ## TAGS | |
| Bettler | |
| Hinz&Kunzt | |
| Hamburger Hochbahn | |
| U-Bahn Hamburg | |
| Obdachlosigkeit in Hamburg | |
| Schwerpunkt Armut | |
| Fahren ohne Fahrschein | |
| Fahren ohne Fahrschein | |
| Schwerpunkt Armut | |
| Obdachlosigkeit in Hamburg | |
| Obdachlosigkeit in Hamburg | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Straßenmagazin-Gründer über Hilfe: „Der Ausweg ist ein Grundeinkommen für… | |
| Jo Teins, Mitgründer des Obdachlosenmagazins „Hempels“, nimmt wahr, dass | |
| sich die Szene verändert: Mehr jüngere Leute leben auf der Straße. | |
| Bettel-Verbot im Hamburger Nahverkehr: Das Recht der Stärkeren | |
| Hamburg bestraft jene, die in der Bahn um Geld bitten. Doch wer was ändern | |
| will, muss Armut bekämpfen, statt unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren. | |
| Um Hilfe bitten in Bus und Bahn: Klage gegen Bettelverbot | |
| Seit fast einem Jahr setzen die Hamburger Verkehrsbetriebe ein Bettelverbot | |
| in Bussen und Bahnen um. Jetzt klagen Betroffene dagegen. | |
| Deutschland-Ticket grenzt Arme aus: Die Konto-Hürde | |
| Das Deutschland-Ticket können nur Menschen kaufen, die ein Konto haben. Das | |
| kann gravierende Folgen haben, berichten Hamburger Sozialarbeiter*innen. | |
| Politikerin über Umgang mit Bettlern: „Mehr Sozialrechte für EU-Ausländer�… | |
| Die Grüne Mareike Engels ist dagegen, in der Hamburger Innenstadt das | |
| Betteln im Sitzen zu unterbinden. Helfen würde, das Sozialsystem zu öffnen. | |
| Aktivist über Bettelverbote in Hamburg: „Durch die Stadt gescheucht“ | |
| Mit einer Demo will eine Initiative will auf die Situation obdachloser | |
| Menschen hinweisen. Die Ignoranz in Politik und Gesellschaft sei groß. |