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# taz.de -- Debütalbum von Wiener Künstlerin Rahel: 10 Zwerghamster sind eine…
> Leicht angeschrägter Indierock, grantige Songtexte, gratis Schmäh. Warum
> die junge Wiener Künstlerin Rahel mit ihrem Debütalbum „Miniano“
> begeistert.
Bild: Leicht angeschrägt ist Rahel
US-Schauspiel- und Popstar Barbra Streisand hat viel dafür getan, dass ihre
Porträtfotos, im Seitenprofil aufgenommen, ein Promotiontool wurden.
Endgültig durchgesetzt hat sich das Seitenprofil trotzdem nie. Es mag auch
daran liegen, dass diese Perspektive uns unnatürlich vorkommt.
Sehen wir andere Menschen in Seitenansicht eher selten – und uns selbst
eigentlich nie. Die Streisand, mittlerweile auch Autorin, wählte die
Perspektive, um ihren vermeintlichen Makel – schon früh wurde ihr geraten,
ihre schiefe Nase operativ korrigieren zu lassen – hervorzuheben und zu
ihrem Markenzeichen zu machen.
Das [1][Cover des Debütalbums „Miniano“] der Wiener Musikerin Rahel,
ebenfalls gelernte Schauspielerin, ziert auch ein Porträtfoto, aufgenommen
im Seitenprofil. Zufall? Mit einem satten Lichtpunkt scheint Rahels Mund
darauf überblendet zu sein.
## Achtet auf die Worte!
Und genau auf den oder viel eher auf das, was dort herauskommt, gilt es bei
der österreichischen Künstlerin zu achten. Von Rahel fallen viele schöne
Textzeile. Etwa: „Es gibt noch so viel Hoffnung, wie es Zwerghamster gibt /
Doch man weiß noch nicht / Dass man die Hoffnung in Kleintieren misst.“
Für Haus- und Nutztiere scheint es bei Rahel generell ein großes Faible zu
geben. Macht Sinn, denn aufgewachsen ist die Wienerin auf einem Bauernhof
mit Pferden, Schafen und Hühnern. Und mit vielen anderen Kindern in leicht
hippiesken Verhältnissen.
Diese idyllische Umgebung bewahrt Rahel in ihrer Musik nicht nur, sie
spinnt sie weiter und entwirft damit einen Ort, an dem das Patriarchat
überwunden ist. Die Frauen pinkeln dort, wie in ihrem [2][Album-Auftakt
„Schaffner“], im Stehen und auch die Hürden zwischen Mensch, Maschine und
Natur scheinen überwunden, denn „Am Dach [des Zuges] da schläft ein kleines
Reh.“ Dieser wundersame Ort, den tauft die junge Frau „Miniano“.
## Grunge mit mehr Biss
In welchen musikalischen Mantel packt man nun diese teils zarten, teils (im
besten Sinne) komischen und absurden Zeilen? Rahel hat sich für eine
grungig, indierockistisch-poppige Mischung mit Anleihen an die große Zeit
von Indie der deutschsprachigen Gitarrenmusik entschieden.
Wer es erkennt, hört die Einflüsse auch sofort: Eine Rolle dürfte in jedem
Fall die Band Wir Sind Helden um [3][Sängerin Judith Holofernes] gespielt
haben. „Gekommen, um zu bleiben“ heißt einer der Titel auf dem zweiten
WSH-Album „Von hier an blind“ (2005). Etwas mehr als eine Volljährigkeit
später singt nun Rahel im Song „Bitte nicht in Blicken“ und es ist eine
ihrer Singles: „Ich bin gekommen, um wieder zu gehn.“
Sollte dem so sein, wäre das allerdings äußerst schade. Rahels Musik
besticht durch eigenständigen Sound, wie er zuletzt im deutschsprachigen
Indie nur selten zu hören war. Viele Musiker:innen geben sich dem
düsteren Synthiepop hin und verlieren sich so im Bemühen, die
Gothic-Achtziger wieder aufleben zu lassen.
## Immer Gothic wird doch öde
Der Traurigkeit zu fröhnen ist in Anbetracht der Weltlage zwar
nachvollziehbar. Trotzdem gut, dass Rahel einen anderen Weg gewählt hat:
Wie durch eine Lupe betrachtet sie die Details ihrer selbst geschaffenen
Utopie „Miniano“. Sie verleiht ihr damit Größe und den Zuhörenden eine I…
davon, dass ja auch alles anders sein könnte.
Es ist eben diese Perspektive, die „Miniano“ so spannend klingen lässt.
Eine Perspektive, die nicht jede:r beherrscht, weil es dazu Gespür für die
richtigen Worte braucht. Die hat Rahel gefunden, driftet mit ihnen aber nie
in schlagereskes Selbsthilfeliteratur-Pathos ab oder versteckt sich hinter
öden Austropop-Klischees.
Das zweite Album von Barbra Streisand trägt übrigens den Titel „The Second
Barbra Streisand Album“. Man kann annehmen, dass das bei Rahel anders
ausgehen wird. Wann auch immer sich diese Frage stellen wird – bis dahin
bleibt genügend Zeit, die vielen interessanten Details auf „Miniano“ zu
entdecken.
Dass sich Hoffnung in Kleintieren messen lässt, hat sich als Erkenntnis
zwar noch nicht durchgesetzt, aber man könnte ja schon mal Pop-Alben in
Zwerghamstern bewerten. „Miniano“ bekäme dann zehn Stück.
2 May 2024
## LINKS
[1] https://inkmusic.at/release/miniano-album/
[2] https://youtu.be/E0Ud_-Mjc24?si=MpzcOGT8btzB4gbd
[3] /Interview-mit-Judith-Holofernes/!5050041
## AUTOREN
Johanna Schmidt
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