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# taz.de -- Film „Bad Director“: Stolz wie Oskar
> Vergebliche Provokationsversuche: Oskar Roehler adaptiert mit „Bad
> Director“ seinen eigenen Roman „Selbstverfickung“, der mit der
> Filmbranche abrechnet.
Bild: Der Regisseur Gregor Samsa (Oliver Masucci) und seine Lieblingsprostituie…
Schon der Auftakt soll die deutliche Ansage sein, dass hier die Grenzen des
guten Geschmacks aus Lust an der Provokation übertreten werden wollen: Über
den schwerfälligen Bass einer etwas schrägen Liveversion von „Psycho
Killer“ der Talking Heads verausgabt sich der abgetakelte Regisseur (Oliver
Masucci), dem der Film seinen Namen zu verdanken hat, bei einem ebenso
trägen Geschlechtsakt mit einer Prostituierten, gebeugt über ein
Waschbecken.
Gelangweilt vom Prozedere, fordert sie ihn zum Kommen (und damit vor allem
zum Gehen) auf. Er pocht jedoch auf die gekaufte Zeit, zehn Minuten stünden
ihm noch zu.
Kurz darauf stolpert er dann im weißen Smoking auf die Straße, poltert
gegen den „scheiß Deutschen Filmpreis“, dessen Verleihung er sich nun antun
müsse, wirft die Einladung wutentbrannt in einen verdreckten Mülleimer –
nur um sie im nächsten Moment widerwillig wieder aus dem Unrat
herauszufischen.
Es ist eine Wellenbewegung, wie sie Oskar Roehler seinen
rumpelstilzchenhaften Protagonisten immer wieder vollziehen lassen wird:
Auf die infantile Raserei folgt kleinlaut die Reue und schließlich die
Rückkehr zum Kreuz, als das er das Dasein als Regisseur empfindet.
Besonders das alltägliche Klein-Klein treibt ihn zur Weißglut, weil es ihn,
na klar, von jeder künstlerischen Verwirklichung abhalte. Anrufe aus der
Kostümabteilung etwa, die in Erfahrung bringen möchte, welche Farben denn
nun die Socken des Hauptdarstellers haben sollen.
## Tirade gegen den Kulturbetrieb
Der Regisseur stampft, schimpft und schreit, ob er denn für diese
Nichtigkeiten wirklich seine Zeit vergeudet, seine Nase zerstört habe.
Demütig wird er erst, als ihm in den Sinn kommt, dass seine Mitarbeiter
noch Tabletten für ihn besorgen sollten. Mit Engelsstimme erkundigt er sich
nach seinem Rohypnol, einem starken Hypnotikum.
Noch ehe er in „Bad Director“ zu seiner giftigen Tirade gegen den
Kulturbetrieb ansetzt, teilt Oskar Roehler gegen seinen Protagonisten aus
und so zumindest ein Stück weit auch gegen sich selbst. Denn der Film
basiert auf dem dritten Roman des Regisseurs und Drehbuchautors, der
[1][2017 unter dem Titel „Selbstverfickung“] erschien und nach Roehlers
eigenen Angaben teils autobiografische Züge trägt.
Auch durch die äußerliche Ähnlichkeit, die ein gekonnt mit größter
Überspitzung unbändig Grimassen schneidender Oliver Masucci etwa durch
schulterlanges Haar und eine markante Hornbrille erlangt, schafft er eine
gewollte Verbindung zu Roehler.
Dass sich dieser aus einer zornigen Abrechnung mit der Film- und
Fernsehindustrie selbst nicht herausnimmt, wirkt erst einmal sympathisch.
Ohnehin verspricht „Bad Director“ zunächst, eine in ihrer Drastik
sicherlich schwer erträgliche, womöglich aber gerade wegen ihrer Schärfe
auch spaßig-verwegene Satire zu werden. Umso mehr, wenn sich das Geschehen
erstmals mit seiner ganzen Boshaftigkeit auf die besonders blasierten
Vertreter der Branche stürzt.
## Die Spitzen sitzen
Am Rande der Preisgala lehrt das Alter Ego mürrisch Champagnerglas um
Champagnerglas und ätzt dabei ebenso gegen die auf dem Teppich posierende
junge, nach Hollywood drängende Garde, deren Intellekt gerade einmal dafür
reiche, „den amerikanischen Mainstream zu kopieren“, wie gegen etablierte
Produzenten, die Jahr um Jahr „gewichtige historische Themen“
massentauglich zu immer gleichen mehrteiligen „TV-Events“
verstoffwechselten.
Die Spitzen sitzen, ohne allzu selbstgerecht platziert zu wirken. Anhören
muss sie sich schließlich ausgerechnet eine unbeteiligte Kellnerin. Am
armseligsten bleibt doch stets der Radauregisseur selbst.
Auch das ist allerdings eine Form der Hybris, wie sich im Zuge der
überbordenden Spielzeit von über zwei Stunden herausstellt. Nach nicht
einmal einem Viertel davon hat „Bad Director“ nahezu sein gesamtes
parodistisches Pulver verschossen und kreist in einer nur rudimentär
vorhandenen Handlung fortan sich wiederholend um die Eskapaden seines
Protagonisten.
Der trägt bezeichnenderweise den Namen „[2][Gregor Samsa“ nach der Figur
aus Franz Kafkas berühmtester Erzählung „Die Verwandlung“], die unter der
Last des Leistungsdrucks und eines bleiernen Berufstrotts eines Morgens als
Kakerlake, als unliebsames Ungeziefer erwacht. Der ultimative Außenseiter
also, in einer absurden Welt umzingelt von Unterdrückern, die ihn nicht
einmal im Ansatz begreifen.
## Selbstmitleid eines Missverstandenen
Der Masochismus, mit dem Oskar Roehler die eingangs etablierte Grammatik an
Geschmacklosigkeiten gebetsmühlenartig wiederholt, um seinen Samsa als
ausgewachsenes Ekel zu porträtieren, hat also durchaus auch etwas
Manieriertes. Etwa wenn dieser am Set seines neuen Films weiter von einem
Tobsuchtsanfall in die nächste Schimpfkanonade stürzt, weil ihm ein
übereifriger Nachwuchsschauspieler (Elie Kaempfen) und eine eingebildete
TV-Größe (Anne Ratte-Polle), die ihr Gebiss schon mal im Flokati versenkt,
wenn sie nicht ihren Willen bekommt, das Leben schwer machen.
Auch in den Auseinandersetzungen mit dem nur nach möglichst üppiger
Filmförderung gierenden Produzenten (Anton Rattinger) schwingt das
Selbstmitleid eines immerzu „Missverstandenen“ mit.
Wirklich ins Gewicht fällt diese Eingenommenheit vom von Oskar Roehler
selbst zum Alter Ego stilisierten Samsa vor allem, weil sie schnell nicht
mehr besonders witzig ist. Beinahe hilflos wirken gerade die kalkulierten
Provokationsversuche während der zahlreichen Bordellbesuche, die sich
zuverlässig mit jenen am Set abwechseln:
In viel zu langen Sexszenen drängt Samsa seine osteuropäische
Lieblingsprostituierte Grete (Bella Dayne) mit genauen Regieanweisungen
nicht nur zum Rezitieren von Hochliteratur, um sich vorstellen zu können,
dass er sich mit einer Suhrkamp-Lektorin im Bett befindet, sondern
fabuliert bald auch noch von „arischen“ Fortpflanzungsfantasien. Der Wille,
mit rassistischen und sexistischen „Entgleisungen“ zu brüskieren, ist
derart erkennbar, dass jedes Schockmoment ausbleiben muss.
Oskar Roehler, der letztens unter dem Titel [3][„Enfant Terrible“ einen
Film über sein Vorbild Rainer Werner Fassbinder] drehte, gefiele es
wahrscheinlich, würde man auch ihn mit einem solchen Prädikat versehen. Die
Vergeblichkeit, mit der er sich mit „Bad Director“ in stolzem
Exhibitionismus um eine solche Auszeichnung bemüht, sorgt allerdings nur
dafür, dass sich in die Eintönigkeit noch ein wenig Fremdscham mischt.
12 May 2024
## LINKS
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[3] /Fassbinder-Film-Enfant-Terrible/!5713306
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Filmbranche
Deutscher Film
Autobiografie
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Spielfilm
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