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# taz.de -- Neue Ausstellung von Cao Fei: Auch das Metaverse ist Menschenwerk
> Im Münchener Lenbachhaus vermisst die chinesische Künstlerin Cao Fei die
> Welt, in der Fantasie des Digitalen wie im wahren Leben.
Bild: Wandern in der realen Fantasie: Cao Fei, MatryoshkaVerse 06, 2022
Der Weg in die digitalen Welten der chinesischen Künstlerin Cao Fei führt
erst mal hinunter in die U-Bahn-Station am Münchener Königsplatz. Das
Lenbachhaus hat dort eine Dependance, den „Kunstbau“, in einem
Zwischengeschoss eingerichtet, auf halbem Weg zwischen Ober- und Unterwelt.
Ganz passend für diese Schau mit dem holzigen Titel: „Meta-mentary“.
Ja, hier ist alles irgendwie Meta und Doku-Mentary. Cao vermisst die Welt
neu. Im Digitalen wie im wahren Leben. Aus ihrer Sicht, der Meta-Sicht. Was
wir manchmal vergessen bei aller Faszination für digitale Räume, denen sich
Cao besonders intensiv widmet: Anders als das Universe ist auch das
Metaverse von Menschen gedacht und gemacht.
Darüber erzählen die Werke dieser Ausstellung – über den menschlichen
Faktor, die Abgründe, die Absonderlichkeiten, von Möglichkeiten und
Unmöglichkeiten. Das beginnt direkt hinter dem Eingang in den Kunstbau. Das
Video, das dort in Dauerschleife an die Wand geworfen wird, zeigt zwei
Jugendliche „Cosplayer“. Cos steht für „Costume“. Cosplayer sind Mensc…
die sich wie ihre Helden aus ihren Lieblingscomputerspielen kleiden, um
dann an realen Orten die Fantasiewelten nachzuahmen, die sie sonst nur vom
PC-Bildschirm kennen.
Cao Fei, deren Arbeiten in New York, Paris, London und auch regelmäßig auf
der Kunstbiennale in Venedig präsentiert werden, zeigt in ihrem Video
Teenager in Anime- und Manga-Outfits. Sie streunen in verlassenen Häusern
umher, posieren auf einer Wiese an einem Bach oder liefern sich gestellte
Kämpfe.
Neben dem spielerischen Spaß der Cosplayer-Gemeinde zeigt der Film die
Ernsthaftigkeit, mit der die Jugendlichen ihre Rollen einnehmen. Das hat
etwas Melancholisches, Verzweifeltes gar. Komplett gebrochen wird die
Fantasie, wenn Cao ihre Protagonisten in ihren beengten Wohnungen mit den
rauchenden Eltern vor dem TV zeigt.
## Eskapismus-Phantasien
Cao Fei zeigt Orte der Sehnsucht, die zugleich das Ergebnis einer Flucht
vor der Realität sind. Es sind bessere Welten, schönere Welten, Welten, in
denen jeder ein Held sein darf. Auch diejenigen, die mit dem schnellen
Wandel der Realität nicht klarkommen.
Cao, die heute in Bejing lebt, wurde 1978 in der südchinesischen
Millionenstadt Guangzhou im Perlflussdelta geboren. Das ist der
mittlerweile größte Ballungsraum der Welt mit heute um die 80 Millionen
Einwohnern. Rasante Veränderungen gehören hier zum Alltag: In nur wenigen
Jahrzehnten hat sich die ehemals ländliche Region zur „Fabrik der Welt“
entwickelt.
Bekannt wurde Cao 2006 durch ihre Videoarbeit „Whose Utopia“, die in einer
[1][Fabrik des Glühbirnenherstellers Osram im Perlflussdelta] entstand. Sie
zeigt Fabrikangestellte, die für kurze Zeit ihren Traum leben: als Schwan
verkleidet Ballett tanzen, eine E-Gitarre spielen oder Hip-Hop-Moves üben.
Eine analoge Eskapismus-Fantasie inmitten einer hochtechnologisierten
Arbeitswelt.
## Grenzen zwischen virtueller und physischer Welt
Im Grunde kreisen fast alle Arbeiten Caos um diese Themenfelder. So auch
ihre „RMB City“ in „Second Life“. Im Jahr 2003 hat der [2][US-Programmi…
Philip Rosedale] die virtuelle Welt „Second Life“ ins digitale Leben
gerufen. Ein Ort, an dem die Menschen ihre eigenen virtuellen Existenzen
per Maus, Joystick und Tastatur anlegen und steuern können. Cao Fei hat
diese Welt seit 2007 intensiv erforscht und dort eine eigene Stadt, die
„RMB City“, gegründet. RMB steht für die chinesische Abkürzung des
Volkswährung Renminbi.
Bis 2012 entstand dazu eine große Ansammlung an Blogeinträgen und
Videoarbeiten. Es ist wohl Caos bislang umfangreichster Versuch, die
Grenzen zwischen virtueller und physischer Welt auszuloten und zu
dokumentieren. Im Kunstbau des Lenbachhaus werden die Zeugnisse der seit
2011 geschlossenen „RMB City“ digital-archäologisch zugänglich gemacht. Es
gibt einen virtuellen Rundgang über die Entstehung und Entwicklung der
Stadt und ein Offlinespiel, in dem die Stadt nachgebaut werden kann.
Cao war dort in Form des Avatars „China Tracy“ präsent, nun ziert ein
deckenhohes Portrait des Alter Egos eine Wand im Kunstbau. Caos Videoarbeit
„i.Mirror“ von 2007 erzählt von einer romantischen Begegnung zwischen China
Tracy und der ebenfalls virtuellen Figur Hug Yue.
Auch Caos jüngste architektonische Kreation im Metaversum ist in der
Ausstellung zu sehen: „Duotopia – 2nd Edition“ von 2024. Die App, in der
sie funktioniert, ist derzeit allerdings ausschließlich im chinesischen
Mobilfunknetz nutzbar. Wer darauf keinen Zugriff hat, muss sich derweil bei
Bedarf in andere Alternativwelten flüchten.
6 May 2024
## LINKS
[1] /Wirtschaftliche-Beziehungen-zu-China/!5349929
[2] /Second-Life/!5199747
## AUTOREN
Verena Harzer
## TAGS
Ausstellung
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Athen
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