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# taz.de -- (Aus)gezeichnete Fußballtore als Buch: Das Tor des Lebens
> Der Autor Javier Cáceres hat internationale Fußballgrößen ihr größtes T…
> zeichnen und besprechen lassen. Eine Rezension.
Bild: Der güldene Schuss: Oliver Bierhoff erzielt 1996 das Golden Goal gegen T…
Hinterher war der aus der Klasse über mir stinksauer. „Ausgerechnet der!“,
haderte er, nachdem ich einen Ball volley genommen hatte und ihn aus etwa
fünf Metern Entfernung ins Tor befördert hatte. Es ist das einzige Tor, an
das ich mich wirklich erinnere, das Tor meines Lebens in gewisser Weise.
Viele habe ich nicht geschossen. Ich habe auch nicht wirklich viel Fußball
gespielt. Und so richtig gekonnt habe ich es wahrscheinlich auch nie.
Was wohl dabei rauskäme, wenn mich jemand darum bitten würde, das Tor
aufzuzeichnen, weiß ich nicht. Große Kunst würde gewiss nicht entstehen. Es
war kein großes Tor, und ich war ja auch alles andere als ein großer
Spieler. Große Zeichner sind all die großen Fußballer gewiss nicht, die für
Javier Cáceres die Tore ihres Lebens aufgezeichnet haben. Der Schuss ein
Strich, der Spieler ein Kreuz oder ein Strichmännchen, die
Strafraummarkierungen.
Viel mehr gibt es da nicht zu zeichnen. Den Pass vor dem Schuss als
gestrichelte Linie, eine Wellenlinie, die ein Dribbling anzeigt, Linien,
die aussehen, als seien sie ohne Plan auf das Blatt gefallen. Nichts
Besonderes eigentlich. Und doch sind die gesammelten Zeichnungen große
Kunst, so etwas wie konkrete Fußballpoesie.
Der langjährige Sportreporter der Süddeutschen Zeitung hat über die Jahre
seine Gesprächspartner immer wieder gebeten, doch das Tor aufzuzeichnen,
das ihnen das wichtigste der Karriere war. [1][„Tore wie gemalt“ ist das
Ergebnis], das eben bei Insel erschienen ist (317 Seiten, 22 Euro). Dazu
erzählen die Schützen die Geschichte vom Tor ihres Lebens.
## Genugtuung des Golden Goal
Es wird etwa klar, welche Genugtuung das Golden Goal von Oliver Bierhoff im
EM-Finale 1996 in Wembley für den Schützen war, der zuvor nur ein paar
Länderspielminuten gesammelt hatte. Für den ehemaligen Kapitän der
argentinischen Nationalmannschaft Juan Pablo Sorín war ein Auftritt bei
einem Trainingscamp eines Frauenteams in einem Armenviertel das Tor seines
Lebens.
Uli Hoeneß kann sich nicht selbst auf die Schulter klopfen, ohne dabei mit
dem Finger auf andere zu zeigen. Beim 4:0 im zweiten Finalspiel um den
Europapokal der Landesmeister 1974 hatte er den Torwart ausgespielt. Er
verstehe gar nicht, warum man das heute nicht mehr sehe.
Jorge Valdano, der im Vorwort zu dem Buch meint: „Das Tor verwandelt uns
zurück zu Kindern“, präsentiert sich als der poetische Fußballerklärer, d…
er immer schon war. Dann gibt es den Überfußballer Pelé, der ganz lange
zeichnet, um zu Papier zu bringen, dass alle 1.282 Treffer, die er in
seiner Karriere erzielt hat, den gleichen Wert haben. Und der Kaiser
[2][erinnert sich an sein 2:0 bei der WM 1966 gegen die UdSSR] auch
deshalb, weil er mit seinem Fernschuss mit links den sowjetischen
Superkeeper Lew Jaschin überwinden konnte.
## Vielen Dank!
Weltgeschichte haucht die Betrachtenden an, wenn der Chilene Francisco
Valdés vom Rückspiel um ein Ticket für die Fußball-WM 1974 berichtet, das
die UdSSR boykottiert hat, weil das Team nicht in dem Stadion spielen
wollte, das der Putschist Augusto Pinochet zu einem Gefangenenlager und
Folterzentrum gemacht hat, nachdem er den Sozialisten Salvador Allende aus
dem Amt gejagt hatte.
Nur manchmal wird es klein in diesem Buch der großen Stars. Dass es mit
Christopher Trimmel ein Spieler des 1. FC Union Berlin in dieses
Starensemble geschafft hat, ist vielleicht der größte Erfolg des Köpenicker
Klubs in dieser Saison.
Der größte Erfolg meines Fußballlebens war der oben geschilderte Treffer.
Ohne das Buch von Javier Caceres hätte ich mir das wohl nie klargemacht.
Vielen Dank auch dafür!
1 May 2024
## LINKS
[1] https://www.suhrkamp.de/buch/javier-caceres-tore-wie-gemalt-t-9783458644446
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_1966/Sowjetuni…
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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