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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Keine Kapitalanlage sein
> Die Verwertung von Städten produziert Reichtum und Elend zugleich. Doch
> europaweit gehen Mieter:innen dagegen auf die Straße.
Bild: Wenn sie keine Mietwohnung finden, dann sollen sie doch eine kaufen!
Die Verwertung einer Stadt hat ganz unterschiedliche Facetten. Einmal ist
da die architektonische Seite des Prozesses. Die Graffitis verschwinden,
die Häuserfassaden werden saniert, überall sprießen diese seelenlosen
Betontempel der Hässlichkeit aus dem Boden, die an jedem Ort in dieser Welt
gleich aussehen. Dann sind da die neuen Menschen, die plötzlich durch die
Kieze flanieren und dabei Outfits tragen, die Beträge kosten, mit denen
eine typische Berliner Familie durch den Monat kommen würde. Im
öffentlichen Raum muss man plötzlich immer mehr Gesprächen zuhören, in
denen es nur ums Geldmachen geht.
Die Logik des Kapitals beginnt das Stadtbild zu prägen. Doch das Kapital
kann nicht einmal auf seine hässliche Art schöpferisch sein, ohne
gleichzeitig menschliches Leid zu produzieren. Dies ist die andere Seite
des Prozesses, die sich meist hinter geschlossenen Türen, abseits der
Öffentlichkeit, abspielt: Die Angst vor dem Briefkasten, sie ist nicht
sichtbar. Die alten Leute verschwinden oft schweigend. Die Zerstörung der
jahrzehntelang gewachsenen Kiezstrukturen, sie geschieht nicht auf einen
Schlag, sondern ist ein schleichender Prozess. Die [1][Verdrängung von
Obdachlosigkeit aus dem öffentlichen Blickfeld] ist eine Wissenschaft für
sich geworden.
Doch so unterschiedlich die Facetten der Verwertung sind, das Kapital
reproduziert diese Muster mit angsteinflößender Verlässlichkeit, egal wo es
wirkt. Berlin ist kein Einzelfall, auch wenn es den Berliner:innen oft
so scheint. In Lissabon machen Mieten laut Aktivist:innen inzwischen
[2][63 Prozent des Durchschnittseinkommens] aus, in Schweden wird
Migrant:innen der Zugang zu Sozialwohnungen verwehrt. In Paris werden
die Menschen auf die Straße gesetzt, während sich die Stadt für die
Olympischen Spiele aufpoliert.
Zurecht versuchen die Mietenaktivist:innen der [3][European Action
Coalition] deshalb bereits zum vierten Mal, den Widerstand gegen diese
Prozesse zu transnationalisieren. Bereits seit einigen Tage, aber noch bis
zum Sonntag, den 7. April, finden im Rahmen der Housing Action Days
europaweit Proteste und Aktionen statt, um die Gewalt der Gentrifizierung
in die Öffentlichkeit zu zerren und die Verzweiflung der Gentrifizierten in
Wut zu kanalisieren. Allein in Berlin sind [4][laut Aktionskarte 17
Veranstaltungen] geplant, die auf verschiedene Facetten des Problems
hinweisen.
## In die Problemviertel des Grunewalds
Eine Art, wie sich die Gewalt der Verwertung konkret materialisiert, sind
beispielsweise Eigenbedarfskündigungen. Trudelt ein solcher Brief ein,
schwinden die Freuden des Lebens schnell dahin. Alles dreht sich plötzlich
um die Wohnung, denn angesichts des Mangels an Alternativen steht die
Existenz auf dem Spiel. Schlimmstenfalls führt der Brief zur Unterbringung
in Notquartieren oder dem Leben auf der Straße. Zu den Profiteuren dieser
Gewalt gehören auch Anwaltskanzleien, die sich auf Verdrängung
spezialisiert haben. Gegen diese Menschen wollen Aktivist:innen unter
dem Motto „[5][Gemeinsam gegen Eigenbedarfskündigung]“ im schicken
Charlottenburg ihre Stimme erheben (Donnerstag, 4. 4., Hardenbergstr. 19,
17 Uhr).
Die erfahrenen Villen-Crasher:innen hinter [6][der jährlichen My
Gruni-Demo] am 1. Mai laden derweil auf die Insel Schwanenwerder, wo sich
die Superreichen Berlins eine Parallelwelt aufgebaut haben. Doch die
exklusivste der exklusiven Wohngegenden hat, was man in der Branche so
schön als „Entwicklungspotenzial“ bezeichnet. Denn wo wäre ein besserer
Platz für Nachverdichtung als hier, wo die Wohnfläche pro Kopf doch so
lächerlich hoch ist? Geplant ist ein [7][frühlingshafter Waldspaziergang
und Anbaden] an den noch zu vergesellschaftenden Privatstränden – in
Vorbereitung für den kommenden 1. Mai (Samstag, 6. 4., Startpunkt S-Bahnhof
Nikolassee, 12 Uhr).
Leider sieht der Berliner Senat die Sache ein wenig anders. Für Bebauung
weichen sollen nicht die Gärten der Reichen, sondern die Parks für den
Pöbel. Dafür haben CDU und SPD auch keine Probleme, sich mal wieder über
einen Volksentscheid hinweg zu setzen. Unter dem perfiden Vorwand,
Einrichtungen für Geflüchtete auf dem Tempelhofer Feld zu schaffen, soll
das [8][Tempelhofer-Feld-Gesetz] ausgehöhlt werden – die Vermutung liegt
nahe, dass so einer Bebauung der Weg geebnet werden soll. Linksjugend und
die Initiative [9][100% Tempelhofer Feld] laden zu [10][einer Kundgebung]
unabhängig der Housing Action Days ein, um sich zu beraten, was zu tun ist
(Mittwoch, 3. 4., S + U-Bahnhof Tempelhof, 18 Uhr).
## Großdemo „Die Miete ist zu hoch“ im Juni
Rixdorfer Nachbar:innen der Mieter*innengewerkschaft Neukölln und
der [11][Kiezversammlung44] wollen ein öffentliches Dokument
zusammenstellen, aus welchem ersichtlich wird, wem welches Haus gehört, wie
es Mieter:innen dort geht und ob demnächst mit Eigenbedarfskündigungen
oder Entmietungen gerechnet werden muss – ein DIY-Mieterkataster.
Zusammengetragen werden sollen die Infos durch Haustürgespräche. Treffpunkt
hierfür ist am Samstag (6. 4.) [12][um 14 Uhr am Biergarten „Traumeck“] am
Hertzbergplatz.
Gegen Amazon und die Gentrifizierung des Friedrichshainer Südkiezes geht es
auf einer Demo der Initiative [13][Berlin vs. Amazon]. Denn der Südkiez ist
einer Hotspots dieser sogenannten „Aufwertung“, die doch eigentlich nur die
Verdrängung von Geringverdiener:innen meint. Ein Katalysator dieser
Entwicklung ist der an den Kiez angrenzende Betonklotz eines gewissen
monopolistischen Großkonzerns. Dagegen gilt es, laut auf die Straße zu
gehen: Mit kräftigen Stimmen, Töpfen, Pfannen und Instrumenten aller Art
(Samstag, 6. 4., Revaler Str./ Ecke Simon-Dach-Str., 15 Uhr).
Die [14][Mieter:inneninitiative Stopp Heimstaden] ruft derweil zu
einer Kundgebung gegen fehlerhafte Mieterhöhungen, exorbitante
Nebenkostenabrechnungen, den Verkauf von Eigentumswohnungen und die
Aktienrente auf. Auf die Straße gegangen werden soll für einen bundesweiten
Mietendeckel, einen Nachzahlungsstopp bei verspäteten
Nebenkostenabrechnungen und vollständige Belegeinsicht sowie für eine neue
Wohngemeinnützigkeit. Los geht es am Samstag (6. 4.) um 15 Uhr am
Erkelenzdamm 11-13 in Kreuzberg.
Die Housing Action Days sind auch eine Vorbereitung für die Großdemo „Die
Miete ist zu hoch“ am 1. Juni. Im Kiezanker in Kreuzberg (Cuvrysztraße
13-14) findet am Sonntag (7. 4., 14 Uhr) ein [15][gemeinsames Basteln] von
Plakaten und Transparenten statt. Es wird Material vorhanden sein, mehr
Farbe, Pinsel, Pappen und Stöcke können allerdings gerne mitgebracht
werden. In Neukölln findet am selben Tag um 15 Uhr auch noch ein
[16][Planungstreffen für Chöre] statt, um Lieder einzuproben, die auf der
Demo gemeinsam mit allen anderen Demonstrierenden gesungen werden können.
Das Treffen findet im Kiezladen154 auf der Sonnenallee 154 statt.
2 Apr 2024
## LINKS
[1] /Feindliches-Design-bei-BVG-und-Bezirken/!5981637
[2] https://housingnotprofit.org/housing-action-days-2024/
[3] https://housingnotprofit.org/
[4] https://housingnotprofit.org/housing-action-days-2024/#1708104900260-cf7cb7…
[5] https://www.wemgehoertkreuzberg.de/index.php
[6] https://mygruni.de/
[7] https://www.mietenwahnsinn.info/aktuelles/event/berlin-ist-reif-fuer-die-in…
[8] /Plaene-fuer-das-Tempelhofer-Feld/!5995021
[9] https://www.thf100.de/
[10] https://asanb.noblogs.org/?event=haende-weg-von-unserem-feld
[11] http://www.kiezversammlung44.de/
[12] https://www.mietenwahnsinn.info/aktuelles/event/aufruf-zur-mitmach-aktion-…
[13] https://berlinvsamazon.noblogs.org/
[14] https://www.stopheimstaden.org/
[15] https://www.mietenwahnsinn.info/aktuelles/event/die-miete-ist-zu-hoch/
[16] https://www.mietenwahnsinn.info/aktuelles/event/planungstreffen-choere-geg…
## AUTOREN
Timm Kühn
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