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# taz.de -- Kunstagentin Galka Scheyer: Verkaufsreisen und Emigration
> Eine Schau in Braunschweig erzählt, wie die Kunstagentin Galka Scheyer in
> den 1920ern die „Blaue Vier“ nach Kalifornien brachte.
Bild: Westküstenbohème um 1942: Galka Schreyer in ihrem Mid-Century-Wohnhaus …
Frau, deutsche Jüdin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Provinz:
diese drei Kriterien scheinen verlässliche Garanten für das vollständige
Vergessen einer Persönlichkeit zu sein. So geschehen bei der Künstlerin,
Kunstagentin und internationalen Netzwerkerin Galka Scheyer, 1889 in
Braunschweig geboren, 1945 in ihrer Exilheimat Hollywood verstorben. Wer
war diese Frau, der es gelang, europäische Kunst in den USA publik zu
machen? In ihrer Geburtsstadt macht sich derzeit, oder besser: endlich,
eine Ausstellung im Städtischen Museum Braunschweig auf Spurensuche.
Die Biografie der als Emilie Esther Geborenen, gerufen Emmy, erzählt sich
ähnlich der vieler [1][bürgerlich assimilierter Jüdinnen und Juden in
Deutschland] nach 1900. Ohne materielle Nöte aufwachsend – der Vater war
erfolgreicher Konservenfabrikant –, gehörten Musik-, Malerei- wie
Fremdsprachenunterricht zum Bildungspensum. Selbst zunächst als Künstlerin
tätig, malte sie impressionistisch, pointilistisch bis expressiv
angehauchte Landschaften, Stillleben und Porträts. Anlässlich einer
Braunschweiger Ausstellung 1919 würdigte die lokale Kritik den
„Farbenrausch“ ihrer Malerei.
Die Zäsur kam 1916, als Schreyer dem 25 Jahre älteren russischen Maler
Alexej von Jawlensky begegnete. In seinem Werk erkannte Scheyer eine
geistige Fundierung und transzendente Qualität – und gestand sich ihre
eigenen künstlerischen Grenzen ein. Fortan war sie Jawlenskys Agentin. Er
gab ihr den Namen Galka, zu Deutsch: Dohle, wegen ihrer resoluten Art, 1917
porträtierte er sie auf kräftige Farbstriche reduziert. Ab 1920
organisierte Scheyer eine fünfjährige Ausstellungstournee seiner Werke
durch 20 deutsche Städte. Sie vertiefte ihre Kontakte zu Paul Klee, Wassily
Kandinsky und Lyonel Feininger, erweiterte die Riege von ihr vertretenen
Künstlern.
Als gemeinsames Label wurde „Die Blaue Vier“ ins Leben gerufen, durchaus
als Anspielung auf den Münchener Vorkriegs-Zusammenschluss „Blauer Reiter“,
dem sich Kandinsky, Klee und Jawlensky verbunden fühlten. Vertraglich
geregelt, brach Scheyer 1924 erstmals auf Ausstellungs- und Verkaufsreise
der nun „The Blue Four“ Titulierten in die USA auf, Werbematerial und
Briefpapier zierten das Logo aus vier mittelblauen Streifen.
## Die Muse: in New York zu altbacken
New York erwies sich als schwieriges Pflaster für europäische Kunst,
vielleicht auch, weil Scheyer sich als „Muse“ ihrer Künstler dort viel zu
altbacken einführte. 1925 zog sie weiter nach Kalifornien, erhoffte sich
eine kunstaffine und finanziell liquide Klientel aus der Filmbranche. Ein
manischer Sammler wie der Regisseur Josef von Sternberg kaufte dann zwar
bei ihr, aber das reichte nicht. Scheyer musste erst einmal den Einfluss
der Frauen in den USA auf den Kunstmarkt entdecken. Denn sie waren es, die
auch bei bescheidenen Mitteln selber sammelten oder über familiäre wie
institutionelle Kunstkäufe entschieden.
Als Scheyer 1933 endgültig nach Los Angeles emigrierte, blieben bald die
Zuschüsse aus Deutschland aus. Das NS-Regime hatte mit der Enteignung des
Familienbesitzes begonnen. Auch konnte sie ihre „4 Blauen Könige“, wie sie
Klee, Feininger, Kandinsky und Jawlensky bezeichnete, in der alten Heimat
nicht mehr durch die Konservenkontingente der väterlichen Fabrik bei Laune
halten.
Wohl nicht nur aus finanziellen Gründen führte Scheyer ein nomadisches
Leben in den USA. [2][Sie logierte zeitweilig im legendären
Experimentalhaus des Architekten Rudolf M. Schindler] an der Kings Road,
Los Angeles. Schindler führte sie in die Westküstenboheme ein und weckte
ihr Interesse an moderner Architektur. 1934 wählte sie für den Bau ihres
eigenen Hauses dessen ehemaligen Kollegen Richard Neutra,
avantgardistischer Schöpfer spektakulärer Anwesen für die
Hollywood-Prominenz. Beide Architekten kamen ursprünglich aus Wien.
Scheyers Haus hoch über Los Angeles bestand aus nur einem einzigen großen
Raum: Wohnbereich und Ausstellung zugleich, mit weitem Balkon und
überwältigendem Ausblick. In solch privat-professioneller Atmosphäre gab
sie rauschende Partys, bot dabei europäische Kunst feil. Sie bewies sich
als wirkmächtige Kunstvermittlerin zu Museen, Galerien und Sammlern, als
Händlerin war sie nur mäßig erfolgreich. Dem klammen John Cage etwa
verkaufte sie zwei kleinformatige „Meditationen“ Jawlenskys zum
Dumpingpreis von 30 Dollar – auf Ratenzahlung.
12 Apr 2024
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## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Ausstellung
Moderne
Malerei
Architektur
Judentum
Hollywood
Architektur
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
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