# taz.de -- Wie sich Waldbrände verhindern lassen: Vorbereitung auf das Feuer | |
> Wegen des Klimawandels steigt die Waldbrandgefahr. Experten raten, im | |
> Winter vorzubeugen. Aber wie? Ein Besuch im Hochrisikogebiet Brandenburg. | |
Bild: Hier hat das Feuer gewütet: Verbrannte Bäume auf einer Waldbrandfläche… | |
BEELITZ taz | Manche Anblicke sind so schockierend, dass sie das Gehirn | |
erst mal überfordern. In Beelitz, einer Kleinstadt südlich von Potsdam, | |
gibt es einen solchen Ort. Wo früher ein intakter Wald stand, ragen heute | |
verkohlte Baumstämme in die Höhe. Dazwischen kilometerweites Niemandsland: | |
staubige Erde, sandige Böden, totes Holz. Oben ein Himmel so grau und | |
düster, als stamme er aus einem Endzeitfilm. | |
„In den Medien ist von einer Mondlandschaft die Rede“, sagt Juliane | |
Baumann, während sie mit ihrem blauen Skoda über die Waldwege holpert. Wald | |
– das war die Gegend einmal, jedenfalls bis zum Sommer 2022. Dann | |
[1][brannte es auf 230 Hektar], einer Fläche fünfmal so groß wie der Platz | |
für das Münchner Oktoberfest. Bei Wind und Temperaturen von 35 Grad | |
breiteten sich die Flammen rasant aus, nur mit größter Mühe konnte die | |
Feuerwehr ein Übergreifen auf die Stadt verhindern. „Es hat bis auf 30 | |
Meter vors erste Haus gebrannt“, sagt Baumann. „Zum Glück fing es dann an | |
zu regnen.“ | |
Die Beinahekatastrophe ist der Grund, warum die Stadt Beelitz die Expertin | |
engagiert hat. Die 45-Jährige arbeitet als selbstständige Beraterin für | |
Waldbrandprävention. Sie hat Öko-Agrarmanagement studiert, zehn Jahre in | |
Spanien gelebt und dort für die Graf gearbeitet, die Spezialeinheit der | |
katalanischen Feuerwehr zur Waldbrandbekämpfung. „Was ich in Spanien | |
gelernt habe, möchte ich standortangepasst in Brandenburg umsetzen“, sagt | |
Baumann. Ihre Aufgabe: Städte und Gemeinden fit fürs nächste Feuer machen. | |
Bis vor Kurzem waren großflächige Waldbrände vor allem ein Phänomen, das | |
man aus [2][Nordamerika] oder [3][Australien] kannte. Je extremer die | |
Sommer werden, je trockener die Landschaft, desto mehr steigt aber auch | |
hierzulande die Gefahr solcher Katastrophen. Laut dem | |
EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus wurde im Jahr 2019 in Deutschland | |
eine Fläche von 2.711 Hektar durch Waldbrände zerstört. 2022 waren es | |
bereits 4.300 Hektar. | |
## Brandenburg mit Kiefernwäldern und Dürrephasen | |
[4][Am meisten gefährdet ist Brandenburg], ein Bundesland mit ausgedehnten | |
Kiefernwäldern, sandigen Böden und langen Dürrephasen. Allein im Jahr 2022 | |
loderten laut Landesinnenministerium 507 Waldbrände auf einer Fläche von | |
1.500 Hektar. Besonders schwierig gestalten sich die Löscharbeiten auf | |
ehemaligen oder aktiven Truppenübungsplätzen. Wegen der Explosionsgefahr | |
kann die Feuerwehr die Flammen nur von sicheren Wegen aus bekämpfen. Auch | |
Löschflugzeuge scheiden aus diesem Grund oft aus. | |
Rein technisch hat das Bundesland aufgerüstet: mehr Geld für die Feuerwehr, | |
neue Brunnen, moderne Löschfahrzeuge. Im Sommer suchen über hundert | |
Sensorkameras den brandenburgischen Forst auf mögliche Brandherde ab, | |
gesteuert von zwei sogenannten Waldbrandzentralen. Auch Drohnen kommen zum | |
Einsatz. | |
Das Problem: Sobald es regnet oder gar schneit, gerät die Dringlichkeit in | |
Vergessenheit. „In Spanien gibt es das Sprichwort:,Waldbrände löscht man im | |
Winter'“, sagt Juliane Baumann. In Deutschland, wo die Problematik noch | |
relativ jung ist, sei dieser Ansatz kaum verbreitet. „Hier ist es eher so, | |
dass viel Geld in Technik zur abwehrenden Brandbekämpfung ausgegeben wird.“ | |
Baumann ist überzeugt, dass selbst die besten Feuerwehrleute an ihre | |
Grenzen stoßen, wenn die Intensität der Waldbrände zunimmt. „Auch in | |
Spanien oder Amerika kommt die hochgerüstete Feuerwehr gegen ein Megafeuer | |
irgendwann nicht mehr an“, lautet ihre Erkenntnis. Stattdessen helfe nur | |
eins: Prävention. | |
Wie das gehen könnte, zeigt Baumann bei einer Fahrt rund um Beelitz. Die | |
Gegend ist weitläufig, Siedlungen drängen sich zwischen den Kiefernforst, | |
es riecht nach Sand und Harz. Gegenüber einer Kaserne biegt Baumann in den | |
Wald – auf den ersten Blick ein normaler Wirtschaftsweg. Beim genauen | |
Hinsehen aber wird klar: Der Bereich ist deutlich lichter. „Parallel zur | |
Landstraße haben wir einen drei Meter breiten Wundstreifen angelegt“, | |
erklärt Baumann. „Der wird immer im Frühjahr geeggt.“ Daneben befindet si… | |
ein weiterer, 25 Meter breiter Schutzstreifen, aus dem das Unterholz | |
entfernt wurde. | |
## Totholz aus Schutzstreifen entfernen | |
Zwischendrin wachsen bereits kleine Eichen nach. „Vereinzelt kann man die | |
stehen lassen“, sagt die Beraterin. „Wichtiger ist, dass wir das Totholz | |
aus dem Schutzstreifen entfernen. Der Biodiversität ist es egal, ob es am | |
Ortsrand oder hundert Meter weiter im Wald liegt – der Feuerwehr aber | |
nicht.“ Die Korridore sollen verhindern, dass Flammen von einem Teil des | |
Waldes auf den anderen übergreifen. Außerdem dienen sie als Wege für die | |
Feuerwehr. Vor allem aber können auf diese Weise bewohnte Siedlungen | |
geschützt werden – so zumindest die Hoffnung. | |
Wie groß die Herausforderung ist, zeigt sich beim nächsten Stopp: Ortsteil | |
Fichtenwalde. Hier liegen Häuser mitten in der Wildnis. „Manche dieser | |
Waldsiedlungen sind so zugewachsen, dass man Wohnhäuser im Luftbild bei | |
Google Maps gar nicht sieht“, erzählt Baumann. Trotzdem ist sie überzeugt: | |
„Die Menschen leben seit Langem hier und wollen hier leben. Es ist also an | |
uns, sie vor Feuer zu schützen.“ | |
Um diesen Schutz umzusetzen, will die Gemeinde eine Pufferzone zum Wald | |
einrichten. Diese soll von Schafen beweidet werden – weniger Gras, weniger | |
Brennmaterial. Auch der international bekannte Feuerökologe Johann G. | |
Goldammer plädiert für diese Methode. „Selbst dann, wenn die Grasschicht | |
brennen sollte, kann ein solches Bodenfeuer leicht bekämpft werden, weil | |
sich die Löschkräfte sicher und schnell in diesem lichten Korridor bewegen | |
können“, sagt der Waldbrandexperte. Er ist überzeugt, dass die Intensität | |
der Feuer aufgrund des Klimawandels weiter zunehmen wird. „Wichtig ist es | |
deshalb, die Waldlandschaft so zu gestalten, dass sie nicht großflächig | |
durch Feuer gefährdet wird.“ | |
Bislang ist die Waldweide in Deutschland jedoch kaum bekannt – | |
dementsprechend skeptisch sind nicht nur viele Bürgerinnen und Bürger, | |
sondern auch so manche Wissenschaftler:in. Pierre Ibisch, Professor für | |
Nature Conservation an der Hochschule Eberswalde, bezweifelt, dass Schafe | |
und Kettensägen etwas gegen die Feuer ausrichten können. „Ich halte diese | |
Vorschläge so undifferenziert für falsch“, sagt er im Hinblick auf seinen | |
Kollegen Goldammer. Eine Auslichtung hält er für einen „völlig falschen | |
Ansatz“. Der Wald trockne aus, das Brandrisiko steige sogar. Auch eine | |
Beweidung sieht er kritisch. „Natürlich gibt es ohne Wald auch keinen | |
Waldbrand. Aber das kann ja nicht das Ziel sein.“ | |
## Laubbäume statt Kiefer-Monokulturen | |
Ibischs Gegenvorschlag: die Vegetation zielgerichtet umgestalten, weg von | |
Kiefern-Monokulturen, hin zu Laubbäumen. „Buchen sind feuchtehaltig und | |
können Waldbrände besser stoppen“, betont der Professor. Wobei es durchaus | |
Gemeinsamkeiten zwischen seinen und Goldammers Ideen gibt. „Was das | |
kontrollierte Brennen angeht, muss ich zustimmen“, sagt Ibisch. „Wenn wir | |
Nadelstreu und Rohhumus abbrennen, senkt das die Brandlast.“ In Brandenburg | |
hat die Hilfsorganisation @fire bereits mehrfach gezielte Gegenfeuer | |
gelegt, um Bränden ihre Nahrung zu entziehen. | |
Doch egal ob Schutzstreifen, Waldumbau oder Gegenbrennen: Lokalen | |
Akteur:innen fehlt es oft an Expertise und politischem Willen, um | |
Präventionsmaßnahmen umzusetzen. „Manche Kommunen sind hellwach, andere | |
unterschätzen das Risiko“, findet Naturschutz-Professor Ibisch. „Natürlich | |
passieren im Hintergrund Dinge, aber eine systematische Risikoanalyse | |
fehlt.“ Auch in Brandenburg seien viele Zuständigkeiten immer noch unklar. | |
„Wer kennt den Wald? Welche Wege kann die Feuerwehr nehmen? Wo liegt | |
Munition? Solche Fragen“, sagt Ibisch, „darf man nicht erst am Tag des | |
Feuers klären.“ | |
Der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes, Raimund Engel, widerspricht. Die | |
Feuerwehr bekomme mehr Ausrüstung, Einsatzkarten würden überarbeitet, | |
private Waldbesitzer zum Umbau ihrer Bestände beraten. „Es gibt nicht die | |
eine Maßnahme, die alle Probleme löst“, beteuert Engel. Und dann ist da | |
noch der menschliche Faktor: 2023 seien die Hälfte aller Waldbrände in | |
Brandenburg vorsätzlich oder durch Fahrlässigkeit entstanden. Engel | |
plädiert deshalb für mehr Aufklärung und ein Feuerwerksverbot in der | |
Dürrezeit. | |
Bei allen strittigen Punkten gibt es auch Fortschritte, darin sind sich die | |
befragten Fachleute einig. Die Wissenschaftler Goldammer und Ibisch freuen | |
sich, dass mehr Feldversuche zur Waldbrandprävention laufen. Raimund Engel | |
erzählt, wie er belächelt wurde, als er 2016 sein Amt antrat – heute lache | |
niemand mehr. Juliane Baumann, die Waldbrandberaterin, ist optimistisch, | |
dass ihre Schutzkonzepte in Beelitz umgesetzt werden. Wann das passiert? | |
„Am besten vor dem nächsten Waldbrand“, antwortet Baumann und lacht. Sie | |
hat noch viel Arbeit vor sich. Genau wie das ganze Land. | |
2 Apr 2024 | |
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[4] /Waldbrand-in-Brandenburg-/!5938431 | |
## AUTOREN | |
Steve Przybilla | |
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