# taz.de -- „Alice im Wunderland“ im Theater Bremen: Alice sehr verwirrend | |
> Zerrissene, fragwürdige, uneindeutige und genderfluide Figuren: Bremens | |
> Junge Akteur:innen zeigen Roland Schimmelpfennigs „Alice im | |
> Wunderland“. | |
Bild: Versatzstücke aus Carolls Kosmos werden als Signale in den die gesamte B… | |
Alice ist zweifellos Alice, aber eben auch bei jedem Blick wieder eine ganz | |
andere. Während Imke Paulicks Bühne das Publikum in der kleinen | |
Moks-Spielstätte des Bremer Theaters haltlos in ein schäfchenbewölktes, | |
hell ausgeleuchtetes Himmelblau stürzt, verwandelt oder besser vervierfacht | |
sich die Titelfigur. Regisseurin Nathalie Forstman traut ihren | |
Darstellerinnen zu, dass sie in wirklich kurzen totalen Blacks geräuschlose | |
Auf- und Abgänge hinkriegen. | |
Tun sie, souverän: Also beginnt „Alice im Wunderland“ mit einer Sequenz zum | |
Staunen, mit klassischer Theatermagie – und zugleich mit einer inhaltlichen | |
Setzung. Denn signalisiert wird so, dass hier niemand die Hauptrolle | |
spielt. Die Figuren sind nicht nur genderfluide. Sie sind in sich | |
zerrissen, fragwürdig, uneindeutig. Ihr Zweifel ist ihre Substanz. | |
Oder aber sie neigen, wie die aus Carolls zweitem Alice-Roman importierten | |
Zwillinge Dideldum und Dideldie zur wechselseitigen Multiplikation: Die | |
albernen Dickerchen sind hier wirklich mit zwei glorreichen | |
Nachwuchskomödianten besetzt, deren Auftritt ein komischer Höhepunkt des | |
Spiels wird, während die anderen Figuren eher ins Monströse tendieren: | |
herrlich penetrantes Quietschen, lustvolles Teebecherwegtreten, gruselige | |
Krallenhände, Launen, die alles beherrschen. | |
Das ist eigentlich der Kern aller Coming-of-Age-Geschichten. Und um den | |
darzustellen, eignet sich [1][Roland Schimmelpfennigs] Bühnenfassung | |
bestens, die keinerlei Interesse an den Logikrätseln der Vorlage und ihren | |
Sprachspielen, ja an Sprache überhaupt hat. | |
Mit schöner Respektlosigkeit haben sich die [2][Jungen Akteur:innen, also | |
der Jugendclub des Bremer Theaters], am Libretto des Erfolgsdramatikers | |
bedient, um daraus für ihre Zwecke geeignete Szenen zu destillieren | |
(Dramaturgie Marianne Seidler): Manchmal stören noch Fragmente einer | |
linearen Handlung deren knallbunten Reigen: Weil sie so etwas wie | |
Sinnerwartung triggern, stören sie ein bisschen die Verwirrung. | |
Dabei geht es um die. Denn die Produktion muss schließlich auch gegen 150 | |
Jahre „Alice“-Bilder an, die in den Köpfen gespeichert sind: Sehr | |
erfolgreich gelingt ihr, Versatzstücke aus Carolls Kosmos als Signale in | |
den die gesamte Bühne umfassenden Himmel zu schreiben, und seinen Figuren | |
mit Witz und Energie dennoch ihre Formlosigkeit zurückzuerobern, ihre | |
Möglichkeit, zu sein; ihre Möglichkeit im nächsten Augenblick ganz anders | |
zu sein. | |
6 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Auswahl-des-Berliner-Theatertreffens/!5988272 | |
[2] https://www.theaterbremen.de/de_DE/wer-sind-die-jungen-akteur-innen | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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