Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schalke, Hertha und der HSV: Je mehr, desto wichtiger
> Die zweite Fußball-Bundesliga der Männer boomt, weil selbst Tore gegen
> Paderborn bei den Fans von Traditionsklubs große Gefühle wecken.
Bild: Wer bin ich, wenn nicht Schalker?
Als Böhmen noch bei Österreich war oder kurz darauf, da waren auch
Fußballklubs sportlich erfolgreich, die es seit langem nicht mehr sind. Man
nennt sie „Traditionsklubs“, und bisher war die generelle Annahme,
„Tradition“ meine zu einem großen Teil Titel, Meisterschaften und
Pokalsiege. Und das göttliche Anrecht eines solchen Klubs bestehe deshalb
darin, dass sich diese Erfolge gefälligst wieder einzustellen hätten. So
wie manche Adelige und der Klerus seit der Französischen Revolution auf die
Rückkehr des Feudalismus bestehen.
Nun stellt sich möglicherweise zweierlei heraus. Erstens: Die tatsächliche
Tradition dieser Klubs besteht inzwischen in relativer sportlicher
Erfolglosigkeit. Zweitens: Es spielt für die emotionalen Stakeholder
(„Fans“) von Schalke 04, [1][dem HSV], Hertha BSC, dem 1. FC
Kaiserslautern, Hannover 96 oder Fortuna Düsseldorf eine nachgeordnete
Rolle, ob der Klub es unternehmerisch, fachlich und damit auch sportlich
draufhat.
Es kommen 61.475 Leute zum Zweitliga-Spiel von Schalke und die Leute sind
am Ende glücklich, weil man noch einen Punkt gegen Paderborn gerettet hat.
Die Intensität dieses Gefühls eines 90+2-Ausgleichstors ist genauso groß
wie in einem Champions-League-Finale. Und wenn man nicht um den Aufstieg
spielt, spielt man halt gegen den Abstieg, damit kennen sich Schalke-Fans
unter 85 eh besser aus. Wenn man jedes Jahr aufs Neue nicht aufsteigt, dann
ist es eben die neue Besonderheit eines Zweitliga-Dinos wie beim HSV.
## Wer bin ich, wenn nicht Schalker?
Wollen hier nicht zu soziologisch werden, aber das Ende der
Industriegesellschaft und des christlichen Glaubens, die Auflösung weiterer
gesellschaftlicher Bindungselemente, die umfassende Produktisierung hat dem
Spiel eine Klassen und Kulturen übergreifende Resonanz gegeben, die es
traditionell eben nicht gab. Der Fußball ist ein zentrales Objekt der
lokalen, regionalen, nationalen und globalen Unterhaltung, aber die Klubs
sind eben auch zentral für Zugehörigkeitsgefühle. Ich meine: [2][Wer bin
ich denn], wenn ich nicht ein Schalker bin?
So mag da die Sehnsucht nach der Welt von gestern mitschwingen, aber die
meisten Fans waren 1930 und 1931 nicht dabei, [3][als Hertha BSC zuletzt
Meister] wurde. Sie sind häufig jung und ihre Sehnsüchte beziehen sich auf
die Welt von heute und ihre Verortung darin, als Teil einer Gruppe von
Ähnlichen. Je mehr Leute diese Gruppe umfasst, desto wichtiger fühlt es
sich an. Ob man 12. in der 1. Liga ist oder 14. in der 2. Liga ist eher
schnurz.
10 Mar 2024
## LINKS
[1] /Neuer-HSV-Trainer/!5990483
[2] /Proteste-in-den-Stadien/!5990911
[3] /Fussball-mit-Bertolt-Brecht/!5748570
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
2. Bundesliga
Traditionsverein
Hertha BSC Berlin
Borussia Dortmund
Kolumne Kulturbeutel
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Werder Bremen gegen Borussia Dortmund: Mittelklasse reicht nicht
In der Fußball-Bundesliga agiert Werder Bremen gegen Borussia Dortmund auf
Augenhöhe. Erneut macht die Mannschaft aber zu viele individuelle Fehler.
Proteste in den Stadien: Wer sind denn diese Fußballfans?
Die Fans werden für ihren erfolgreichen Protest gegen Investoren in der
Deutschen Fußball Liga gefeiert. Es lohnt ein Blick auf die Aufständischen.
Zukunft des Fußballs: Vorwärts zu den Wurzeln
Wer wissen will, welche Wege der Profifußball einschlagen kann, muss nach
England schauen. Unser Autor war in der Premier League unterwegs.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.