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# taz.de -- Ex-Kanzler Sebastian Kurz vor Gericht: Acht Monate auf Bewährung
> Wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss ist Sebastian Kurz
> verurteilt worden. Dem Ex-Kanzler drohen wohl weitere juristische
> Konsequenzen.
Bild: Die ganze Welt ist gegen ihn: Sebastian Kurz
Wien taz | Viel Medienrummel im Wiener Straflandesgericht und am Ende stand
ein spektakuläres Urteil: Acht Monate auf Bewährung für Österreichs
Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Vorgeworfen wurde ihm Falschaussage im
parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Kurz hat bereits Berufung
angekündigt, daher gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.
Der Schuldspruch kam am Ende eines zehnstündigen Verhandlungstags. Kurz
wurde in einem von drei recht ähnlich gelagerten
Falschaussage-Anklagepunkten schuldig-, in den anderen beiden
freigesprochen. Bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren sind die acht
Monate auf Bewährung mild. Kurz' früherer Kabinettschef Bernhard Bonelli
wurde zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Beide Urteile sind noch
nicht rechtskräftig.
Im Zentrum des Gerichsverfahrens, das im Oktober begann und zwölf
Verhandlungstage andauerte, stand die Frage, ob Kurz beim
Ibiza-Untersuchungsausschuss 2020/2021 unter Wahrheitspflicht gelogen hat.
Damals wurde er gefragt, ob er bei einer umstrittenen Personalbestellung
der österreichischen Staatsholding ÖBAG beteiligt war.
Der hochbezahlte Alleinvorstandsposten ging 2019 an Kurz' engen Vertrauten
Thomas Schmid, der zuvor Generalsekretär im Finanzministerium war. Im
Untersuchungsausschuss bestritt Kurz jede aktive Beteiligung bei dieser
Bestellung. „Eingebunden im Sinne von informiert“ sei er gewesen, mehr
nicht.
## Russische Geschäftsleute als Zeugen
Diese Linie verfolgte Kurz [1][während der gesamten Verhandlung]. Seine
Argumente hatte er zuvor schon medienwirksam in der Öffentlichkeit
platziert. Ihm zufolge sei die Stimmung beim U-Ausschuss feindselig
gewesen. Die Opposition habe nur darauf gewartet, dass er etwas Falsches
von sich gebe. Kurz habe, so sagt er, die Befragung vielleicht zu wenig
ernst genommen und sei außerdem schlecht vorbereitet gewesen.
Anfänglich war spekuliert worden, dass sich Kurz auf den sogenannten
Aussagenotstand beruft. Dieser besagt: Um sich selbst nicht zu belasten,
wäre es rechtlich erlaubt, im Untersuchungsausschuss die Unwahrheit zu
sagen. Als der Richter am zweiten Verhandlungstag direkt danach fragte,
verneinte Kurz jedoch. Vielmehr gab er sich angriffslustig und versuchte
die Glaubwürdigkeit des wichtigsten Belastungszeugen zu untergraben: Thomas
Schmid, sein früherer Vertrauter.
Auf den letzten Metern zauberte Kurz' Verteidigung noch zwei russische
Geschäftsleute als Zeugen hervor. Die beiden sollen Schmid, diesbezüglich
unbefleckt und nicht des Russischen mächtig, als Partner für einen
Erdöldeal in Georgien angefragt haben. Bei einem diesbezüglichen Treffen
soll ihnen Schmid geklagt haben, unter welch großem Druck er seitens der
ermittelnden Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stünde, gegen
Kurz auszusagen.
## Kurz drohen womöglich weitere Konsequenzen
Das Treffen fand tatsächlich statt, Schmid stritt diese Version jedoch
vehement ab. Die Staatsanwaltschaft sah „eine bewusst gestellte Falle“. Bei
der richterlichen Befragung der Russen via Videoschalte kam es zu
Widersprüchen und Übersetzungsproblemen.
Im Mai 2019 kam jenes Video aus dem Jahr 2017 ans Tageslicht, das den
späteren österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bei
stundenlangen Gesprächen mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte
zeigte. Fantasiert wurden da fragwürdige bis korrupte Deals, zu denen es
freilich nie kommen sollte. Der Skandal führte zum Bruch der
Regierungskoalition ÖVP-FPÖ sowie zu einem Rattenschwanz an Korruptions-
und anderen Ermittlungen, die bis heute andauern.
Eine ohnehin unwahrscheinliche Rückkehr von Kurz auf die politische Bühne
[2][wurde dadurch noch unwahrscheinlicher]. Die ÖVP, derzeit mit rund 20
Prozent in den Umfragen drittplatziert, könnte zwar einen Schub vor der
Nationalratswahl im Herbst brauchen. Der frühere Glanz von Sebastian Kurz
ist aber, sowohl innerparteilich als auch bei der Wählerschaft, längst
passé.
Möglicherweise droht Kurz auch noch weiteres juristisches Ungemach. Im viel
schwerwiegenderen Vorwurf von Inseratenkorruption bzw. gefälschter
Meinungsumfragen – auch hier gilt die Unschuldsvermutung – wird noch
ermittelt.
24 Feb 2024
## LINKS
[1] /Oesterreichs-Ex-Kanzler-vor-Gericht/!5967786
[2] /Sebastian-Kurz-in-Oesterreich/!5887027
## AUTOREN
Florian Bayer
## TAGS
Österreich
Schwerpunkt Korruption
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Viktor Orbán
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