| # taz.de -- Streit über Erklärung zu Bauernprotesten: Anti-Galgen-Appell ohne… | |
| > Die Agrarorganisation Freie Bauern hat es abgelehnt, einen Aufruf gegen | |
| > Demos mit Galgensymbolen und gegen Unterwanderung durch Radikale zu | |
| > unterschreiben. | |
| Bild: Gegen solche Gewaltsymbole wendet sich die niedersächsische Erklärung: … | |
| Berlin taz | Die Organisation „Freie Bauern“ hat sich geweigert, eine | |
| [1][Erklärung] zu unterzeichnen gegen Proteste mit Galgen oder vor | |
| Politiker-Privathäusern. „Die Freien Bauern wurden eingeladen, die | |
| gemeinsame Erklärung mitzutragen, haben sich schließlich aber gegen eine | |
| Unterzeichnung entschieden“, teilte das niedersächsische Agrarministerium, | |
| das das Papier der Landesregierung und fünf Landwirtschaftsverbänden | |
| initiiert hatte, der taz mit. | |
| Als Begründung hätten die Freien Bauern angegeben, sie wollten nicht eine | |
| Passage mittragen, wonach die Unterzeichnenden sich distanzieren „von nicht | |
| angemessenen Verhaltensweisen und Symbolen (Proteste vor Privathäusern, | |
| Zurschaustellung von Galgen, Verbrennen von Strohpuppen etc.) und | |
| antidemokratischen Äußerungen“. Zudem warnt die Erklärung „vor einer | |
| Vereinnahmung der [2][landwirtschaftlichen Proteste] durch radikale | |
| Gruppierungen und vor deren Aufrufen zur Gewalt“. | |
| „Da der Landesregierung und den weiteren Unterzeichnenden die Formulierung | |
| in dieser Form wichtig war – insbesondere auch der Passus, dass die | |
| Zurschaustellung von Galgen nicht akzeptabel ist –, wurde der Appell ohne | |
| die Freien Bauern unterzeichnet“, so das Ministerium. Es werde seine | |
| Einladung zu einem für Donnerstag geplanten Gespräch mit der Organisation | |
| zurückziehen, wenn sie den Abschnitt nicht doch noch selbst veröffentlicht | |
| und damit mitträgt. | |
| Die Freie Bauern Deutschland GmbH ist zwar eine Splitterorganisation, in | |
| der man anders als in einem Verein nicht Mitglied werden kann. Die | |
| Lobbyfirma ist aber im Rahmen der jüngsten Bauernproteste von Medien | |
| zitiert worden und spielte bei Demonstrationen eine Rolle. Die Gruppe | |
| stellte agrarpolitisch radikale Forderungen auf, wie die „[3][Rücknahme | |
| aller Dünge-, Pflanzenschutz- und Tierhaltungsregeln], die uns seit 2017 | |
| ideologisch bevormunden“. | |
| Bereits bei der Unterzeichnung der Erklärung am 4. Januar hatte | |
| Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisiert, die Freien Bauern hätten | |
| „zum Ausdruck gebracht, sie würden sich in keiner Weise irgendwie | |
| vorschreiben lassen wollen, wie sie denn ihren Ärger, ihre Kritik zum | |
| Ausdruck bringen wollen“. Das sei nicht akzeptabel, so Weil weiter. | |
| „Jedenfalls als Landesregierung kann ich sagen, dass wir mit niemandem | |
| zusammenarbeiten können, der nicht auch schlichtweg bereit ist, sich an den | |
| vorgegebenen Rahmen in unserer Gesellschaft zu halten.“ Bei den Aktionen | |
| der Freien Bauern seien viele „absolut rechtschaffene Menschen“. „Sie mö… | |
| bitte auch genau hinschauen, ob diejenigen, die in dieser Organisation das | |
| Sagen haben, sie denn auch an dieser Stelle richtig führen.“ Die | |
| niedersächsische Organisation des Bauernverbands, Landvolk, sowie die | |
| Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Land schafft Verbindung | |
| Niedersachsen-Bremen, der Bund deutscher Milchviehhalter und die | |
| Landesvereinigung Ökologischer Landbau dagegen hatten unterzeichnet. | |
| In der Berichterstattung über die Erklärung ging die Kritik Weils unter. | |
| Damals stand im Vordergrund, dass sich ein SPD-Ministerpräsident in dem | |
| Papier gegen die Pläne der Ampelkoalition zur Streichung der | |
| Agrardieselsubvention stellte. Angesichts der Eskalation von Protesten im | |
| Zusammenhang mit dem Vorhaben am Aschermittwoch im baden-württembergischen | |
| Biberach ist die Passage in der Erklärung wieder besonders aktuell. Doch | |
| die Freien Bauern haben sie bis Redaktionsschluss nicht unterschrieben. | |
| Ihr Landessprecher in Niedersachsen, Fokko Schumann, sagte der taz zwar: | |
| „Ich war in der Sache gleich von Anfang an mit vereinbar. Bloß mit der | |
| Ausformulierung habe ich mich schwergetan … Ich persönlich würde die | |
| Erklärung jetzt unterzeichnen.“ Aber auch auf mehrfache Nachfrage wollte er | |
| nicht sagen, ob die Freien Bauern das Dokument zum Beispiel bei dem Treffen | |
| der Landesregierung mit Agrarverbänden am Donnerstag unterschreiben würden. | |
| Fraglich ist, wie frei Schumann innerhalb seiner Organisation entscheiden | |
| kann. „Die Kommunikation zum Appell lief zunächst über die Landesvertreter, | |
| wurde dann aber von deren Bundesgeschäftsstelle übernommen“, berichtete das | |
| Agrarministerium in Hannover. „Freie Bauern“ wie Schumann haben laut | |
| Internetseite der Organisation gegen „Beitragszahlung“ nur das Recht, sich | |
| „Mitglied der Initiative FREIE BAUERN“ zu nennen. „Aus der Beitragszahlung | |
| ergeben sich keine weiteren Rechte oder Pflichten innerhalb der Initiative | |
| FREIE BAUERN“, so die Firma. | |
| Ihr Referent für Politik und Medien, Reinhard Jung, hatte der taz im | |
| Oktober 2020 über diese Konstruktion gesagt: „Das ist undemokratisch.“ | |
| Offiziell hätten die sogenannten Mitglieder „keine Macht“. Aus seiner Sicht | |
| „gute Leute“ würden „auch entsprechende Funktionen bekommen, aber wir | |
| können auch mal die Notbremse ziehen“. Die Führung kann unliebsame | |
| Vertreter jederzeit absetzen. | |
| Die Freien Bauern sind auch nicht vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. | |
| Voraussetzung ist laut [4][Abgabenordnung], „die Allgemeinheit auf | |
| materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“. | |
| Die Freien Bauern unterscheiden sich von anderen Organisationen ebenfalls | |
| in ihrem Umgang mit der zumindest in Teilen rechtsextremen AfD. „[5][Wir | |
| sprechen auch mit AfD-Politikern]“, sagte Jung der taz 2023. Die AfD holte | |
| die Freien Bauern zudem als Sachverständige zu Bundestagsanhörungen. | |
| Jung tolerierte auch, dass bei einer Demo der Freien Bauern im Januar in | |
| Berlin zwei Protestierer ein Banner mit der rechtsextremen Aufschrift „Eure | |
| Demokratie ist unser [6][Volkstod]“ zeigten. Dazu befragt sagte Jung | |
| [7][der taz] vor Ort: „Was soll ich dazu sagen, dass hier Fahrräder fahren? | |
| Ich mein’: Die Welt ist so, wie sie ist. Wir machen eine Demonstration und | |
| solange sie die Demonstration nicht stören, werde ich die Polizei nicht in | |
| Gang setzen. Wenn da irgendein Hansel mit einem Plakat rumsteht … Ich | |
| werde ja jetzt nicht jedes Plakat kontrollieren.“ | |
| ## Werbung für rechten Radiosender | |
| Schon 2020 kritisierten die Freien Bauern, dass sich der Bauernverband von | |
| der schwarzen Fahne mit blutrotem Schwert [8][der gewalttätigen | |
| Landvolk-Bewegung] aus den 1920er Jahren distanziert hatte, die als ein | |
| Wegbereiter der NSDAP gilt. | |
| Im September 2023 moderierte ein bekannter „Freier Bauer“, Peter Guhl, eine | |
| [9][Veranstaltung mit radikalen Rechten] wie dem | |
| Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und dem Buchautor Markus | |
| Krall. Bei dem Treffen wurden auch Verschwörungsmythen propagiert. Ähnlich | |
| wie früher der AfD-Thüringen-Chef Björn [10][Höcke] warb Guhl bei einer | |
| [11][Demonstration am 13. Februar in Lauenburg] für den rechten | |
| Internetradiosender kontrafunk. Das 13-Punkte-Programm von | |
| Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gegen Rechtsextremismus, das zum | |
| Beispiel ein schärferes Waffenrecht vorsieht, lehnte der Landwirt aus | |
| Mecklenburg-Vorpommern ab. | |
| Gleichzeitig versuchen die Freien Bauern immer wieder, kritische Stimmen | |
| durch juristische Schritte zum Schweigen zu bringen. Aktuell gehen sie | |
| [12][nach eigenen Angaben] gegen den Präsidenten des Bauernverbandes | |
| Schleswig-Holstein, Klaus-Peter Lucht, vor. Er hatte laut [13][Lübecker | |
| Nachrichten] gesagt: „Von extremen Randgruppen, Rechtsbruch oder Aufrufen | |
| hierzu haben wir uns immer klar distanziert und werden dies auch in Zukunft | |
| tun.“ Lucht nannte demnach dabei explizit die Freien Bauern, mit denen man | |
| sich nicht gemeinmache. | |
| 20 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.ml.niedersachsen.de/download/202676/Gemeinsame_Erklaerung_zu_de… | |
| [2] /Bauernproteste-in-Deutschland/!5982726 | |
| [3] https://www.freiebauern.de/images/Januar24.pdf | |
| [4] https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__52.html | |
| [5] /Rechtsradikale-und-Agrarproteste/!5920354 | |
| [6] https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/volkstod | |
| [7] /Start-der-Bauernproteste/!5982195 | |
| [8] https://www.freiebauern.de/index.php/8-mitteilungen/229-freie-bauern-halten… | |
| [9] /Verschwoerungsmythen-bei-Landwirtstreffen/!5964721 | |
| [10] https://twitter.com/julia__klaus/status/1539598583837638656 | |
| [11] https://www.youtube.com/watch?v=4g-O8vSVAbQ | |
| [12] https://www.freiebauern.de/index.php/8-mitteilungen/498-freie-bauern-gehen… | |
| [13] https://www.ln-online.de/lokales/luebeck/bauernverband-schleswig-holstein-… | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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