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# taz.de -- Gewalt gegen Frauen in der Türkei: Acht Femizide in 24 Stunden
> Von Dienstag auf Mittwoch wurden in der Türkei acht Frauen von
> Familienangehörigen getötet. Pro Jahr liegt die Femizid-Zahl im
> dreistelligen Bereich.
Bild: Protest in Istanbul im August 2020, nachdem die Türkei die Istanbul-Konv…
Istanbul taz | Es ist ein trauriger Höchstwert in der Türkei. Innerhalb von
24 Stunden, von Dienstag auf Mittwoch dieser Woche, wurden sieben Frauen
von Familienangehörigen ermordet. Eine weitere Frau wurde so schwer
verletzt, dass sie am frühen Mittwochmorgen im Krankenhaus starb. Die
Frauen waren zwischen 32 und 49 Jahre alt.
Die Femizide fanden quer durch das Land statt, vom westlichen Izmir an der
Ägäisküste über Istanbul bis nach Erzurum im Osten. Zwischen den Morden
gibt es keinen weiteren Zusammenhang, außer dass sie alle an einem Tag
passierten. Wie verschiedene türkische Medien, darunter die Tageszeitung
BirGün und der TV-Sender Habertürk berichteten, sind die mutmaßlichen Täter
entweder ihre Ehemänner, ehemaligen Ehemänner, oder – in einem Fall – der
Vater der Frau. Drei der mutmaßlichen Täter töteten sich anschließend
selbst, drei wurden festgenommen, die anderen beiden sind flüchtig. Einer
starb an Verletzungen, die ihm bei der Festnahme zugefügt wurden.
Die Zivilorganisation „Wir stoppen Femizide“, die seit 2010 die Morde an
Frauen dokumentiert und überlebende Opfer von Gewalt unterstützt, sagte zu
diesem traurigen Höchstwert von Frauenmorden, es sei kein Zufall, dass so
viele Frauen in so kurzer Zeit ermordet wurden, sondern das Ergebnis der
Politik der Regierung.
„Die Frauen werden innerhalb der Familie getötet, angeblich weil sie die
von der Regierung propagierte ‚heilige Familie‘ verletzt hätten. In einer
Zeit, in der die Regierung unsere individuellen, zivilen Rechte infrage
stellt, kann jeden Moment eine Frau getötet werden“.
Im Jahr 2021 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan [1][die
türkische Mitgliedschaft in der Istanbul-Konvention aufgekündigt], eine
völkerrechtlich verbindliche Konvention zum Schutz von Frauen. Er und seine
Partei AKP argumentierten, durch die Konvention würde der Zusammenhalt der
Familie geschwächt und Homosexualität unterstützt. Sämtliche
Frauenorganisationen in der Türkei kritisierten die Regierung für den
Ausstieg stark.
Hunderte Femizide jährlich
Insbesondere das Bündnis „Wir stoppen Femizide“ geriet wegen seiner Kritik
in den Fokus der türkischen Justiz und sollte verboten werden, weil die
akribische Dokumentation von Frauenmorden der Regierungspropaganda
zuwiderlief. Ein Gericht lehnte allerdings den Verbotsantrag der
Staatsanwaltschaft ab.
Erdoğan und seine Minister argumentieren, dass die Türkei keine
internationale Konvention brauche, sondern durch ihre eigenen Gesetze
Frauen genügend schütze. Tatsächlich gibt es das Gesetz 6284 des
Strafgesetzbuchs, mit dem Frauen vor Gewalt, auch häuslicher Gewalt,
geschützt werden sollen. Frauenorganisationen beklagen allerdings immer
wieder, dass vielen Frauen, die sich gegenüber der Polizei darauf berufen,
Schutz versagt wird.
Die Polizei, so „Wir stoppen Femizide“, nehme Anzeigen wegen häuslicher
Gewalt nicht ernst und schicke die Frauen oft wieder nach Hause. Selbst
Frauen, die bereits misshandelt wurden, bekommen oft nicht den nötigen
Schutz. Das schlägt sich in den Zahlen nieder, die die Organisation jedes
Jahr sammelt. 2023 hat sie 315 Femizide gezählt, 2022 waren es 334, 2021
280, 2020 300 und 2019 sogar 474. Dazu kommt jedes Jahr eine Dunkelziffer
zwischen 200 und 250 getöteten Frauen, in denen ein Femizid nicht
zweifelsfrei nachzuweisen ist, obwohl der Zusammenhang einen solchen
nahelegt.
28 Feb 2024
## LINKS
[1] /Tuerkei-tritt-aus-der-Istanbul-Konvention-aus/!5759872
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
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