# taz.de -- Krise der Demokratie: Verlust an Tiefenschärfe | |
> Beim Ruf gegen rechts findet man sich selbst meist ziemlich gut. Nur: Was | |
> soll „Haltung zeigen“ für die Demokratie eigentlich heißen? | |
Bild: Gesehen auf dem Eröffnungsabend der Berlinale: „Farbe bekennen“ ist … | |
Alle wollen jetzt glänzen für die Demokratie, „zusammenstehen“, „ein kl… | |
Zeichen setzen“. In Zeitungen werben Anzeigen für „[1][Zusammenland]“, | |
gesprenkelt mit Logos von stramm undemokratisch organisierten Firmen von | |
Siemens über Telekom bis Microsoft, Sandoz und Weleda. Auch der | |
autobiografisch angebräunte Freie Wähler [2][Hubert Aiwanger] sieht in | |
seiner Partei „das starke Bollwerk der Demokratie“. | |
Und die SPD hat mit Demokratieretten endlich wieder ein Thema, während | |
Generalsekretär [3][Kevin Kühnert bei Maybrit Illner] erfolgreich | |
vermeidet, auch nur einen Fitzel Verantwortung für die umfragig aufgeblähte | |
AfD beim Regierungshandeln der Ampel zu orten. „Farbe bekennen“ ist die | |
neue Mode, von Kameras umwirbelt. | |
Die Schönen und Berühmten [4][auf der Berlinale] machen eine – ehrlich | |
gesagt: eher peinliche – Telefontaschenlampen-Menschenkette um sich selbst | |
und skandieren „Es lebe die Demokratie!“ Filmschaffende stammeln politisch | |
Korrektes in öffentlich-rechtliche Mikrofone und es gibt – Merchandising | |
ist schneller als jeder Gedanke – die passenden Buttons „Berlinale gegen | |
Rechtsextremismus“ (rotlila). | |
Aber zu wem reden all die tapfer Zusammenstehenden? Wen wollen sie | |
überzeugen? Politiker, die sich als Belehrer missverstehen, loben den | |
„Aufstand der Anständigen“ fürs „mutige Engagement“. Das Wohlige daran | |
wirkt wie Kurzurlaub von den Ambivalenzen und Dilemmata im Umgang mit der | |
AfD. Der Preis ist ein schmerzlicher Verlust von Tiefenschärfe. Wie bei | |
„Gemeinsam gegen Corona“ oder „Stand with Ukraine“ wirkt das demonstrat… | |
Unterhaken zuerst rührend, dann befremdlich, und bald ziemlich nervig, weil | |
wohlfeil, unterkomplex und einfallslos. | |
Der Verdacht drängt sich auf, dass es darum geht, der eigenen | |
Standfestigkeit zu applaudieren, sich an der eigenen Besorgtheit zu | |
beschwipsen, während man beständig wiederholt, wie wichtig „Haltung | |
zeigen“, ist, „gegen rechts“. Und keiner sagt dazu, was genau damit gemei… | |
sein könnte. Oder was man womöglich übersieht im Kampf für die Demokratie. | |
22 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://cmk.zeit.de/cms/articles/16974/anzeige/zusammenland/neue-kampagne-z… | |
[2] /Hubert-Aiwanger/!t5544061 | |
[3] https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=k%C3%BChnert+illner+… | |
[4] /Offener-Brief-an-die-Berlinale/!5987218 | |
## AUTOREN | |
Katharina Körting | |
## TAGS | |
Demos | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Demokratie | |
Rechtspopulisten | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Unwort des Jahres | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Demos gegen Rechtsextremismus: 150.000 protestieren bundesweit | |
Seit Freitag haben mehr als 150.000 Menschen gegen Rechtsextremismus | |
demonstriert. Wir haben etwa 140 Demos ausgewertet. | |
Rechtes Geheimtreffen in Potsdam: Braune Eminenz | |
Im November trafen sich in Potsdam Neonazis und AfD-Politiker. | |
taz-Recherchen zeigen: Dabei war ein Unternehmer und rechter Netzwerker, | |
der christliche Autoren verlegt – auch ein Buch von Papst Benedikt. | |
Unwort des Jahres ist „Remigration“: Gemeint ist Deportation | |
Eine Jury aus Sprachwissenschaftler:innen hat entschieden: Das Unwort | |
des Jahres 2023 ist „Remigration“. Es sei ein „rechter Kampfbegriff“. |