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# taz.de -- Menschenrechte in der Palmöl-Produktion: Margarine mit Beigeschmack
> Ein neuer Bericht zeigt: Die Palmöl-Produktion gefährdet Menschen in
> Mittelamerika. Aldi hat einen Lieferanten bereits gesperrt.
Bild: Ölpalmen einer Plantage der Firma NaturAceites in Guatemala
Berlin taz | Ein hartes Urteil: „Die Gewässer sind in erbärmlichem Zustand,
häufig nur eine bräunliche Brühe, in die ich nicht einmal meine Hände
tauchen würde“, schreibt Ingrid Heinlein, ehemalige Richterin am
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, nach einer Reise nach Guatemala im
Spätsommer 2023. Ihr Bericht ist im [1][„Palmöl-Report“] der Christlichen
Initiative Romero (CIR) enthalten, der am Montag erschien.
Darin untermauert die Organisation ihre Argumentation, dass bei der
Herstellung des Öls in dem mittelamerikanischen Land unter anderem die
Gesundheit von Beschäftigten und AnwohnerInnen gefährdet werde. Und „mit
sehr hoher Wahrscheinlichkeit finde“ der problematische Rohstoff „seinen
Weg in die Regale und Kühlschränke“ deutscher Supermärkte. Er sei zum
Beispiel in Margarine enthalten. Als potenzielle Verkäufer nennt CIR unter
anderem Aldi, Edeka, Lidl und Rewe.
Die aus den Früchten der Ölpalme gewonnene Flüssigkeit ist das
meistgenutzte Speiseöl der Welt. Seine Herstellung ist in der Regel
billiger als die von Ölen und Fetten aus Soja, Raps, Sonnenblumen oder
Oliven. Der große Teil der Produktion findet in Indonesien und Malaysia
statt. Aus Guatemala wird jedoch viel nach Deutschland geliefert. Der Anbau
gilt als ökologisch und sozial problematisch, weil Plantagen Urwälder und
die Landwirtschaft örtlicher Bevölkerungen verdrängen.
In Guatemala hat CIR zwei Unternehmen identifiziert, die die Menschenrechte
von AnwohnerInnen und Beschäftigten verletzen könnten. Der Firma Natur
Aceites werfen die KritikerInnen unter anderem die Vertreibung von Bauern
der Bevölkerungsgruppe der Maya vor. Das Unternehmen Industria Chiquibul
soll zum Beispiel Abwasser in einen Fluss geleitet haben, wodurch
AnwohnerInnen erkrankten. Um solche Vorkommnisse geht es im Bericht von
Arbeitsrechtlerin Heinlein.
## Deutsche Marken betroffen
Die KritikerInnen haben Margarinen-Marken in deutschen Supermärkten
ausgemacht, in denen wahrscheinlich das fragliche [2][Palmöl] steckt.
Betroffen sollen demnach die Margarinen von „Gut& Günstig“ bei Edeka sein,
das Pflanzenfett „Vita D’Or“ bei Lidl oder auch die Margarinen „Rama“…
„Lätta“ in diversen Supermärkten. Außerdem äußert CIR Zweifel an der
Glaubwürdigkeit des Zertifikats RSPO (Roundtable Sustainable Palm Oil) für
„nachhaltiges“ Palmöl, mit dem einige Plantagen und Mühlen von Natur
Aceites ausgezeichnet seien.
Um derartige Probleme aufzudecken und auszuräumen, ist eigentlich seit gut
einem Jahr [3][das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft]. Große Unternehmen
müssen eventuellen Risiken bei ihren Lieferanten nachgehen und versuchen,
Verstöße gegen Menschenrechte wie Landbesitz und sauberes Wasser
abzustellen.
Vor der Veröffentlichung ihres Berichtes hat CIR hiesige Händler
kontaktiert. Anfragen der taz haben Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Rewe und
Lidl beantwortet. Alle Unternehmen betonten, die Vorwürfe ernst zu nehmen
und eventuelle Konsequenzen zu prüfen. Rewe erklärte, beide Firmen aus
Guatemala seien „mittelbare Zulieferer“. Aldi Nord und Süd haben Industria
Chiquibul nach eigenen Angaben bereits gesperrt. Im Falle von NaturAceites
recherchiere man.
Die Palmöl-Untersuchung von CIR zeigt, dass der hiesige Einzelhandel noch
nicht genau weiß, woher seine Produkte letztlich stammen. Für die
KritikerInnen sind die Firmengeflechte und Lieferwege von außen ohnehin
schwer zu durchschauen. Denn der Weg des Öls verläuft von den Plantagen
durch Dutzende oder hunderte Firmen in vielen Ländern, die es verarbeiten,
mischen, kaufen, verkaufen, transportieren und verpacken.
Aufgrund des deutschen Lieferkettengesetzes sind die Händler seit einem
Jahr jedoch gefordert, Transparenz herzustellen. „Wir wollen den
Unternehmen Zeit geben, um zu reagieren,“ sagte Dominik Groß von CIR. Seien
die Ergebnisse der Überprüfungen nicht zufriedenstellend, behalte man sich
eine formelle Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft vor, das die
Umsetzung des Gesetzes durch die Unternehmen kontrolliert.
Ein europäisches Lieferkettengesetz, welches Unternehmen in der EU dazu
zwingt, sich um Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren
Zulieferbetrieben zu kümmern, [4][scheitert derzeit am Widerstand der FDP].
Die belgische Ratspräsidentschaft verschob die Abstimmung der eigentlich
ausverhandelten Richtlinie auf unbestimmte Zeit, nachdem Deutschland
aufgrund der koalitionsinternen Querelen Enthaltung signalisiert hatte und
andere Länder daraufhin dagegen gestimmt hätten.
## SPD für EU-Lieferkettengesetz
Nun wirbt die SPD dafür, dass Deutschland doch noch zustimmt. „Enthaltung
ist keine Haltung“, heißt es in einem Beschluss des Parteivorstands vom
Montag. „Eine Enthaltung zur Richtlinie wäre für Unternehmen in Deutschland
ein Wettbewerbsnachteil und ist für uns nicht hinnehmbar.“
Man stehe für eine Europapolitik der Verlässlichkeit und werbe nicht auf
eigene Faust für Positionen, die nicht abgestimmt seien, kritisiert die SPD
im Antrag. Man setze sich für eine Verabschiedung der Richtlinie im
EU-Parlament noch vor den Wahlen im Juni ein. Fast 80 Prozent der deutschen
Unternehmen hielten das Gesetz für umsetzbar.
„Die Behauptung der FDP, ein EU-Lieferkettengesetz überlaste deutsche
Unternehmen, ist unzutreffend“, heißt es im Beschluss. Gleichzeitig ist man
bereit, der FDP noch ein Stück entgegenzukommen, und „kleine und mittlere
Unternehmen unter 500 Mitarbeitenden vollständig auszunehmen.“
Die europäische Richtlinie soll bislang für Firmen mit mehr als 500
Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten, aber auch
kleinere Firmen ab 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Umsatz
verpflichten, die in etwa in der Textil- oder Lebensmittelbranche tätig
sind und dort die Hälfte ihres Umsatzes erwirtschaften.
Der SPD-Beschluss war auf [5][Drängen von Jusos und Parteilinken] zustande
gekommen, die forderten, die FDP von ihrer Blockadehaltung abzubringen.
19 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.ci-romero.de/produkt/report-im-schatten-der-oelpalme/
[2] /Palmoel/!t5016337
[3] /Deutsches-Lieferkettengesetz/!5988432
[4] /EU-Lieferkettengesetz/!5989125
[5] /SPD-Vorstoss-zum-EU-Lieferkettengesetz/!5992798
## AUTOREN
Hannes Koch
Anna Lehmann
## TAGS
Palmöl
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Ernährung
Butter
Aldi
FDP
Lieferketten
Globalisierung
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