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# taz.de -- Potenzieller Ubisoft-Flop: Dieser Kahn ist gekentert
> Das Spiel „Skull and Bones“ ist da – es ist ein Lehrstück darüber, wie
> schlechte Zustände in der Gaming-Industrie zu schlechten Spielen führen.
Bild: Nach 10 Jahren Entwicklung kaum Wind in den Segeln: Das neue Piraten-Game…
Abenteuer auf hoher See sind für viele eine Inspiration: Ob nun „Die
Schatzinsel“ oder „Fluch der Karibik“, Freibeuter:innen erfreuen sich
großer Beliebtheit. Hollywood hat sie unter dem „Swashbuckle“-Genre für
sich vereinnahmt und auch die Videospielindustrie hat Pirat:innen längst
für sich entdeckt. Mit dem Spiel „Skull and Bones“ will das französische
Entwicklerstudio Ubisoft die Spielenden in See stechen lassen. Der
Schauplatz ist inspiriert vom Indischen Ozean des 18. Jahrhunderts, die
Piraterie ist in ihrer Hochzeit.
Erstmals angekündigt wurde das Spiel im Juni 2017, seitdem warten die Fans
darauf, dass es im Hafen einläuft. Doch die Entwicklung war eine aufwendige
Odyssee. Und nach mehreren Jahren Entwicklung ist kein seetüchtiges Schiff
entstanden, sondern nur eines, das sich gerade noch über Wasser halten
kann.
„Skull and Bones“ leidet an einer Identitätskrise. Ursprünglich sollte das
Spiel nur eine Erweiterung für das erfolgreiche Action-Game „Assassin’s
Creed IV: Black Flag“ sein, einem hervorragenden Action-Adventure-Spiel von
2013. Dort konnte man als Pirat an Land und auf hoher See kämpfen.
Doch das moderne „Skull und Bones“ macht höchstens Lust auf das inzwischen
über zehn Jahre alte „Black Flag“. „Skull und Bones“ fokussiert auf den
Kampf zu Schiff, entkoppelt ihn von allen anderen Aspekten.
Spieler:innen können sich nicht einmal auf dem eigenen Schiff frei
bewegen.
Dabei war die Produktion von „Skull und Bones“ ein kostspieliges
Unterfangen. Entwickelt wurde primär in Singapur, was aber nicht daran
liegt, dass die Insel früher selbst einmal eine Piratenheimat war, sondern
an der singapurischen Regierung.
Ubisoft Singapur, das Studio, das maßgeblich für die Seeschlachten in
„Assassin’s Creed IV: Black Flag“ verantwortlich war, wird von der
Regierung des Inselstaats gefördert. Dadurch ist Ubisoft auch vertraglich
dazu verpflichtet, das Spiel zu veröffentlichen, ganz gleich wie
problematisch die Entwicklung auch war. Dazu ist Singapur eine der weltweit
größten Steueroasen.
Die Irrfahrt von „Skull and Bones“ dauerte über ein Jahrzehnt und soll an
die 200 Millionen US-Dollar verschlungen haben. Ubisoft rechnet laut
Branchenberichten nicht mit schwarzen Zahlen. In den Jahren wurden die
kreative Ausrichtung und Entwicklung des Spiels auch mehrfach geändert.
Die Folge: verwirrte Entwickler:innen und allgemeine Unsicherheit über
das eigene Produkt. Dabei kommt ein schlechtes Spiel raus.
## Da weht nur ein schlappes Lüftchen
„Skull and Bones“ versetzt die Spielenden in die Rolle eines
Schiffbrüchigen. Dass man sein Geschlecht und Aussehen anpassen kann, hat
kaum eine Bewandtnis, denn die Spielfigur bleibt so blass, dass man sie
umgehend vergisst. Ein klassisches Narrativ gibt es nicht, dafür aber den
typischen Kreislauf aus Ressourcen sammeln, um sein Schiff auszubessern und
Schlachten gegen größere Boote zu führen.
In den Anfangsstunden führt das Spiel in seine Mechaniken ein; Segel
setzen, manövrieren und Kämpfe auf dem Wasser. Das klingt nach
Unterhaltung, fühlt sich aber wie Arbeit an. Denn das Spiel bietet anfangs
kaum Anreize, um in See zu stechen. „Skull and Bones“ wirkt gerade zu
Beginn uninspiriert und wird die meisten Spieler:innen wohl in den
ersten Stunden verlieren. Erst wenn man sein Schiff mit unterschiedlichen
Kanonen, mehreren Masten und Greifhaken ausstattet, wird es interessant,
aber bis dahin dauert es. Doch selbst dann sind es lediglich die Gefechte
auf hoher See, die spannend sind. Denn das flache Meer lädt kaum zum
Erkunden ein.
Das liegt zum Teil auch daran, dass die See mit merkwürdigen Interaktionen
aufwartet. Um Holz und Kokosnüsse zu sammeln, fahren die Spieler:innen
mit ihrem Schiff nahe an eine Insel heran und nehmen die Ressourcen mit
einem Reaktionsspiel auf. Im richtigen Moment die richtige Taste gedrückt
und die Fracht ist geborgen. Das spielt sich nicht nur indirekt, sondern
fühlt sich auch seltsam distanziert an. Das Schiff verlassen und Bäume
eigenhändig fällen, kann man nicht.
Nur auf den dafür vorgesehenen Inseln können Spieler:innen anlegen und
die bunten Pirat:innenkolonien erkunden. Doch gibt es für das
Anlegen nicht einmal eine Animation. Dafür aber einen schwarzen Bildschirm
und eine für heutige technische Standards lange Ladezeit. Auf den Inseln
kann man zwar zu unterschiedlichen Geschäften gehen, nennenswerte
Interaktionen gibt es aber nirgends.
## Toxische Arbeitskultur
Erratische Entwicklungen sind in der Branche keine Seltenheit. Rekordhalter
mit über 16 Jahren in der „Entwicklungshölle“ ist „Beyond Good and Evil…
auch ein Ubisoft-Spiel. Von außen betrachtet ist der enorme
Entwicklungsaufwand eines Spiels kaum einsehbar.
Dahinter stehen kurzfristige kreative Änderungen, ein enormer Zeitdruck und
eine oftmals toxische Arbeitskultur. [1][Arbeitnehmer:innenschutz
oder überhaupt faire Arbeitsbedingungen sind in der Games-Branche längst
keine Norm]. Und trotz Rekordumsätzen gibt es immer wieder massive
Entlassungswellen. Es ist wahrscheinlich, dass Ubisoft nach dem Debakel mit
„Skull and Bones“ den Rotstift ansetzt und Entwickler:innen entlässt.
Ironischerweise gibt es gleich zu Beginn des Pirat:innenspiels eine
paar kapitalismuskritische Einsprengsel. Die Piraterie sei die letzte
Bastion der Freiheit, die sich der Ausbeutung durch große Handelsnationen
entgegenstelle. Der Westen und insbesondere die britischen Flotten sind das
Feindbild und Treiber der kapitalistischen Expansion im Ozean.
Die vermeintliche Kapitalismuskritik wirkt spätestens dann ab absurdum
geführt, wenn man in der Piratenkolonie schon die neuste
Freibeuter:innenmode sieht, die gegen Gold, Silber aber auch Echtgeld
erhältlich ist. Spieler:innen können sich digitale Outfits für ihre
Pirat:innen kaufen, mit echten Dollars oder Euros.
Yves Guillemot, der CEO von Ubisoft, rechtfertigte den Preis von 70 Euro
damit, dass das Spiel ein „vierfaches A-Spiel“ sei. Nur die größten Schif…
in der Industrie werden „Triple-A-Spiele“ genannt. Doch „Skull and Bones�…
ist nur eine kleine, langsame Gondel.
19 Feb 2024
## LINKS
[1] /Arbeitsbedingungen-in-der-Game-Branche/!5959715
## AUTOREN
Martin Seng
## TAGS
Games
Videospiele
Arbeitsbedingungen
GNS
Games
Videospiele
Schwerpunkt Fridays For Future
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