# taz.de -- Selenskyj in Berlin bei Scholz: Vertrauensbildende Maßnahmen | |
> Die Ukraine und Deutschland haben einen historischen Vertrag | |
> unterzeichnet. Derweil dauern die russischen Angriffe an. | |
Bild: Wolodymyr Selenskyj zu Besuch in Berlin am 16.02.204 | |
BERLIN taz | Kein einziges Gebäude steht mehr in [1][Awdijiwka] in der | |
Ostukraine. Alle wurden zerstört von der russischen Armee, deren Luftwaffe | |
jeden Tag bis zu 60 Lenkbomben auf die Stadt abwirft und sie mit | |
Raketenartillerie, Panzern und Mörsern beschießt. In den letzten Wochen | |
fiel es den Ukrainern von Tag zu Tag schwerer, die seit 2014 errichtete | |
Verteidigungslinie zu halten. | |
Der Grund: Munitionsknappheit und die massiven Angriffe. Die russische | |
Armee konnte die ukrainischen Stellungen im Süden und Norden der Stadt | |
durchbrechen und die Streitkräfte einkesseln. Und es gelang ihr, die | |
einzige Straße in die Stadt abzuschneiden und die Feldwege unter ihre | |
Kontrolle zu bringen. Straßenkämpfe finden in unmittelbarer Nähe von | |
Privathäusern statt. | |
Angesichts dieser verheerenden Lage hat der neue Chef der ukrainischen | |
Armee, General [2][Oleksandr Syrskyj], eine Sturmbrigade nach Awdijiwka | |
geschickt, um die Blockade aufzulösen. Bisher hat dies der ukrainischen | |
Armee keinen Erfolg im Kampf gegen die russischen Truppen gebracht. Rund | |
40.000 russische Soldaten befinden sich an diesem Frontabschnitt. | |
Militäranalysten gehen davon aus, dass die Ruinen Awdijiwkas unter | |
russische Kontrolle fallen werden, wenn es den ukrainischen Reserven | |
nicht gelingt, die Lage innerhalb weniger Tage zu wenden. | |
Awdijiwka, fünf Kilometer vom seit 2014 besetzten Donezk entfernt, hatte | |
vor dem Krieg rund 17.000 Einwohner. Heute leben etwa 900 vor allem in den | |
Kellern zerstörter Häuser. Täglich sterben etliche durch den Beschuss. Hier | |
befindet sich die größte Kokerei Europas. Auch diese Fabrik gleicht heute | |
einem Schlachtfeld. Das Beispiel dieser Stadt zeigt, wie verheerend nahezu | |
zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs die militärische Lage | |
der Ukraine ist. „Sie werden keine Ruhe geben, wenn sie nicht alles | |
zerstören, was es da noch gibt“, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr | |
Selenskyj. „Unsere Soldaten sind unsere wichtigste Waffe.“ | |
## Solidaritätstour durch Deutschland und Frankreich | |
Selenskyj ist derzeit auf Tour durch Deutschland und Frankreich. Da die | |
Unterstützung durch die USA bröckelt, setzt er auf verlässliche Partner in | |
Europa. Bundeskanzler Olaf Scholz und Selenskyj haben an diesem Freitag in | |
Berlin ein bilaterales Sicherheitsabkommen geschlossen. Es geht um eine | |
„Vereinbarung über Sicherheitszusagen und langfristige Unterstützung“ der | |
Ukraine. | |
Bereits auf dem Nato-Gipfel im litauischen Vilnius im Juli 2023 kündigten | |
die G7 eine solche Vereinbarung an. Nach Großbritannien ist nun Deutschland | |
an der Reihe, diese in die Tat umzusetzen. Sie hat historische Ausmaße, | |
denn sie bezieht sich nicht nur auf die aktuelle Unterstützung für die | |
Ukraine, sondern es gibt auch die Zusage, dass Deutschland nach dem Ende | |
dieses Kriegs und im Fall eines erneuten russischen Angriffs weiter an der | |
Seite der Ukraine steht. Sie gilt zunächst für die kommenden zehn Jahre, | |
ist nicht rechtsverbindlich, aber ein eindeutiges Signal. | |
„Alle wünschen wir uns ein baldiges Ende des Kriegs“, sagte Scholz am | |
Freitag. Leider sei Russland nicht zu einem dauerhaften Frieden bereit. | |
Rund zwei Jahre nach Beginn des Kriegs sei diese Vereinbarung eine | |
„glasklare Botschaft“ an Putin. Auch Selenskyj äußerte sich eindeutig: | |
„Putin tötet immer. Er ist dieser Krieg. Wir können ihn nur gemeinsam | |
stoppen.“ | |
In der Vereinbarung geht es um Militärhilfen, um die Unterstützung der | |
Ausbildung von Soldaten, um den Wiederaufbau, aber auch um Hilfen im Kampf | |
gegen Korruption. Die Ukraine sagte im Gegenzug zu, Reformen | |
voranzutreiben. Seit dem 24. Februar 2022 hat Deutschland das Land im Krieg | |
mit rund 28 Milliarden Euro unterstützt. | |
Anlässlich der Vereinbarung und der Münchner Sicherheitskonferenz kann sich | |
Selenskyj über ein neues milliardenschweres Militärpaket freuen. Mit | |
Panzerhaubitzen, Artilleriemunition, einem zweiten Luftverteidigungssystem | |
vom Typ SkyNex sowie 100 weiteren Flugkörpern für das System IRIS-T. Der | |
Kanzler machte aber eindeutig klar, dass es keine deutschen Soldaten in der | |
Ukraine geben wird und dass Deutschland mit der Vereinbarung keine | |
Kriegspartei wird. Frankreich will eine ähnliche Vereinbarung | |
unterzeichnen, weitere Staaten sollen in Kürze folgen. Die in Vilnius | |
vereinbarte G7-Dacherklärung haben bisher 32 Staaten sowie die EU | |
unterzeichnet. | |
16 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-awdijiwka-lage-100.html | |
[2] /Portraet-General-Syrskyj/!5991473 | |
## AUTOREN | |
Anastasia Magasowa | |
Tanja Tricarico | |
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