# taz.de -- Vor 75 Jahren erhielt die HU ihren Namen: Ein Markenname mit Bestand | |
> 1949, kurz vor DDR-Gründung, kam die Humboldt-Universität zu ihren Namen. | |
> Warum der Staatssozialismus diesen beibehielt, weiß eine HU-Historikerin. | |
Bild: Die Humboldt-Universität zu Berlin in DDR-Zeiten (um 1980 aufgenommen) | |
BERLIN taz | Was Jubiläen aber auch für Assoziationsketten auslösen können: | |
Am 8. Februar vor 75 Jahren, im Jahr 1949, bekam die Humboldt-Universität | |
ihren Namen, also Monate vor Gründung der DDR am 7. Oktober desselben | |
Jahres. Und schon schwelgt der Autor in Erinnerungen an die Zeit nach der | |
Wende, als er an der Humboldt-Uni unter anderem Kulturwissenschaften und | |
Europäische Ethnologie studierte – mit Schwerpunkt (es gab auch andere) auf | |
der Alltagskultur der DDR. | |
Denn die galt auf einmal als null und nichtig. Kaum jemand wollte sich | |
damit beschäftigen. Aber eine Dozentin, aus der DDR wie er selbst stammend, | |
tat das ausführlich. Und überhaupt war in den 1990ern die DDR an der HU | |
ständig präsent. | |
Denn es waren die Jahre des großen Umstrukturierens des wissenschaftlichen | |
Lehrbetriebs und der Evaluierungen. Was gab das für heiße Diskussionen über | |
Rektoren, Dozenten, Inhalte, Studienordnungen. Beliebte Professor:innen | |
mit DDR-Vergangenheit wurden auf eine „reine Weste“ hin untersucht und | |
durften sich auf die Professur, die sie gerade noch innehatten, bewerben. | |
Oft genug bekam aber jemand aus dem Westen den Job. Eine prägende Erfahrung | |
in einem Jahrzehnt ständigen Wandels. | |
Was nie zur Debatte stand, war der Name der Universität. Dabei hätte man ja | |
auf die Idee verfallen können – so wie es Berlin nach der Wende mit vielen | |
Straßennamen tat –, die Uni wieder wie früher zu benennen. Also ganz | |
früher. | |
## Vom Preußenkönig gegründet | |
Im Jahr 1809 vom preußischen [1][König Friedrich Wilhelm III]. als | |
„Universität zu Berlin“ gegründet, nahm sie ein Jahr später den Lehrbetr… | |
auf. Von 1828 bis 1945 trug sie dann den Namen ihres Gründers und hieß | |
„Friedrich-Wilhelms-Universität“. 1949 schließlich taufte man die | |
„Universität zu Berlin“, wie sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges wieder | |
genannt wurde, um: nach den Universalgelehrten Wilhelm und Alexander von | |
Humboldt. | |
Doch wie kam es, dass die größte und älteste Universität Berlins im | |
sowjetisch besetzten Teil der Stadt diesen Namen erhielt? Eine Frage, die | |
Gabriele Metzler, Professorin am Institut für Geschichtswissenschaften und | |
Vorsitzende der historischen Kommission beim HU-Präsidium, beantworten | |
kann. | |
Die Frage nach der Umbenennung „stellt sich eigentlich sofort nach dem | |
Zweiten Weltkrieg“, sagt Metzler der taz. „Es besteht damals allgemeiner | |
Konsens, dass man die Universität nicht unter dem Namen Friedrich Wilhelm | |
weiterführen kann. Schon sehr früh gibt es eine stillschweigende Einigung | |
darüber, dass es auf eine Humboldt-Universität hinausläuft. Als die | |
‚Universität Berlin‘ Ende Januar 1946 offiziell wiedereröffnet und den | |
Lehrbetrieb aufnimmt, geht dieser Name sogar durch die Presse, ohne dass er | |
zu diesem Zeitpunkt offiziell feststeht. In den ersten Entwürfen zu einer | |
Satzung der Universität, die 1947/48 entsteht, ist ‚Humboldt-Universität‘ | |
bereits präsent.“ | |
## Der neue Name war in der Welt | |
Es gibt zwar kein Dokument darüber, dass der Universitätsleitung irgendwann | |
eine Urkunde mit dem neuen Namen überreicht wurde. Aber ein wesentliches | |
Datum gibt es: „Am 8. Februar 1949, dem Tag der Wahl und der Investitur des | |
neuen Rektors [2][Walter Friedrich], wurde der neue Name der Universität | |
offiziell verkündet“, erklärt Metzler. Ein entsprechendes Schreiben von | |
[3][Paul Wandel], Präsident der Zentralverwaltung für Volksbildung, später | |
der erste Minister für Volksbildung der DDR, wurde in der Presse abgedruckt | |
– und der neue Name war in der Welt. | |
Weiß man, wer die Idee mit den Humboldts hatte, und vor allem warum? Das | |
sei nicht so genau zu ermitteln, sagt Professorin Metzler. „Wir wissen | |
etwa, dass Edwin Redslob, der damalige Mitherausgeber des Tagesspiegels, zu | |
dieser Zeit viel über diese Idee geschrieben hat.“ | |
Zunächst bezog man sich auf Wilhelm von Humboldt, den liberalen preußischen | |
Bildungspolitiker, auf den die Initiative zur Gründung der Universität | |
zurückgeht. Später kommt auch Alexander von Humboldt ins Spiel. „Das macht | |
es auch der SED und der Verwaltung mit Paul Wandel an der Spitze leichter, | |
den Namen zu akzeptieren“, sagt Metzler. | |
„Wilhelm von Humboldt stand für Humanismus und die Freiheit der | |
Wissenschaft, Alexander von Humboldt für den naturwissenschaftlichen | |
Fortschritt. Insofern ist sein Name in dieser Situation ganz wichtig, um | |
den ‚Humboldt‘ politisch durchsetzen zu können – mit Wilhelm alleine wä… | |
das vermutlich bei der von der SED beherrschten Bildungsveraltung gar nicht | |
möglich gewesen.“ | |
## Klare Abkehr vom Preußentum | |
Spielte bei der Namensfindung Ideologie denn keine Rolle? Die Sowjets saßen | |
doch mit im Boot? | |
„Ja, natürlich spielt die Ideologie eine Rolle“, sagt Gabriele Metzler. �… | |
geht zum einen um eine klare Abkehr vom Preußentum. Der Staat Preußen | |
selbst wird 1947 aufgelöst – und die Friedrich-Wilhelms-Universität war die | |
zentrale preußische Universität. Die Professoren der Universität verstanden | |
sich einem berühmten Zitat zufolge als ‚geistiges Leibregiment der | |
Hohenzollern‘. Von dieser Tradition will man weg“, erklärt Metzler. | |
Es gehe aber auch „um Antifaschismus und darum, den Geist der neuen | |
Demokratie in der Universität zu verankern. Das schlägt sich auch in den | |
Versuchen der Neuordnung der Universität nieder. Die Satzung von 1949 | |
definiert ganz klar antifaschistisch-demokratische Ziele neben den | |
allgemeinen wissenschaftlichen-akademischen Aufgaben, die die Universität | |
hat.“ | |
Eine ganze Zeit lang wird aber durchaus, vor allem seitens der SED, | |
erwogen, die Namen Marx und Engels in den Universitätsnamen einfließen zu | |
lassen. „Das war zum Beispiel die Position von Paul Wandel“, sagt Metzler. | |
„Weniger Chancen hätte gehabt – auch das gab es kurz als Überlegung –, | |
Lenin oder Stalin als Namenspatron zu wählen. Aber die realistische | |
Alternative wäre tatsächlich Marx oder Engels gewesen.“ Nach Marx benannt | |
wird dann die Leipziger Universität. | |
Zu einer Marx-Universität in Berlin kam es nicht. „Zum einen wird aus der | |
Universität selbst heraus Druck aufgebaut zugunsten der Benennung nach | |
Humboldt. Der Studentenrat zum Beispiel gibt im März 1947 ein einstimmiges | |
Votum dafür ab. | |
## Und die sowjetische Besatzungsmacht? | |
Aber auch die sowjetische Besatzungsmacht kann sich mit dem Namen | |
anfreunden und stellt die Weichen in Richtung Humboldt-Universität. Ihr | |
Interesse war, möglichst auch bürgerliche Kreise für ihre Politik zu | |
gewinnen. Genau diese bürgerlichen Wissenschaftler hätte man mit einer | |
Benennung nach Stalin oder Lenin verprellt.“ | |
Das Ganze muss auch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass sich im | |
Westteil der Stadt zu dieser Zeit die Freie Universität von der Universität | |
Unter den Linden abspaltet. Studierende wechseln nach Dahlem, auch | |
Professoren, die dort im Herbst 1948 die Gründung der FU vorantreiben. | |
„Diese Entwicklung gehört dazu“, fasst Metzler zusammen, wenn es darum | |
geht, warum die Wahl auf die Humboldts fiel. | |
Der Name hatte Bestand, auch in DDR-Zeiten. „Pläne zu einer Umbenennung gab | |
es nicht. Der Akzent in der Traditionspflege lag stärker auf Alexander – | |
dem Mann der Völkerverständigung, der internationalen Verbindungen, der | |
Naturwissenschaften.“ Und, auch das lässt sich sagen: Die Wahl erwies sich | |
„als kluger Zug“, „Humboldt“ habe sich „zum Markennamen entwickelt“. | |
Deshalb wollte auch nach der Wende niemand die Umbenennung. | |
Karl Marx hat es aber doch noch in die Humboldt-Universität geschafft, | |
schon im Mai 1953, zu seinem 70. Todestag: mit einem bekannten Zitat, das | |
in riesigen Lettern am Treppenaufgang im Hauptfoyer prangt. | |
Es handelt sich dabei um die [4][11. Feuerbachthese] des | |
Kapitalismuskritikers, der ja derzeit neu entdeckt wird: „Die Philosophen | |
haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie | |
zu verändern.“ Marx hatte übrigens von 1836 bis 1840 an der damaligen | |
Friedrich-Wilhelms-Universität Jura studiert. | |
8 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_III._(Preu%C3%9Fen) | |
[2] https://www.hu-berlin.de/de/ueberblick/geschichte/rektoren/friedrich | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Wandel | |
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Thesen_%C3%BCber_Feuerbach | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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