# taz.de -- Einsparungen im Kulturbereich: Kasperle in Nöten | |
> Puppentheater ist nicht nur an Karneval beliebt, sondern begeistert | |
> ganzjährig Jung bis Alt. Das Puppentheater Museum in Berlin steht nun vor | |
> dem Aus. | |
Bild: Die Bewohner des Puppentheater Museums Neukölln haben gerade nichts zu l… | |
BERLIN taz | In einem Neuköllner Hinterhof in der Karl-Marx-Straße 135 | |
befindet sich der Eingang zu einer ganz anderen Welt. Aus den Fenstern | |
strahlt lilafarbenes Licht, den ungewöhnlichen Bewohnern macht das jedoch | |
nichts aus: Fast 4.000 Puppen aus unterschiedlichen Jahrhunderten sind hier | |
zu Hause. Seit 1995 befindet sich hier das Puppentheater Museum Berlin, | |
eines von nur vier in ganz Deutschland. | |
Die älteste der zahlreichen Marionetten und Handpuppen ist ein Kasperle, | |
der noch die Märzrevolution von 1848/49 miterlebt hat. Doch bald könnte er | |
das selbe Schicksal erleiden wie [1][seine menschlichen Nachbarn] und aus | |
seinem angestammten Platz verdrängt werden. Denn dem Puppentheater Museum, | |
das sich hauptsächlich durch staatliche Fördermittel finanziert, wurden die | |
Zuwendungen gestrichen. | |
Seit dem Jahr 2000 bekommt der Verein, der das Museum betreibt und | |
organisiert, jährlich 27.000 Euro vom Bezirk Neukölln für die Miete, sagt | |
Christian Berg, Pressesprecher des Bezirksamtes, zur taz. Seit die Miete | |
nach dem Auslaufen der Sozialbindung 2022 erhöht wurde, sind es jährlich | |
36.000 Euro. | |
Doch nun ist das Museum [2][auf der Sparliste] gelandet und die | |
Mietzuschüsse wurden gestrichen. Der Bezirk muss – nach dem Beschluss des | |
Abgeordnetenhauses – 10,4 Millionen Euro einsparen. Daraufhin hatte | |
Neukölln eine Haushaltssperre beschlossen. | |
## Spendenaufruf gestartet | |
Doch ohne die Zuwendungen kann das Museum die Miete nicht stemmen. „Wir | |
sind nicht wirtschaftlich. Das wollen wir auch nicht, schließlich wollen | |
wir für alle zugänglich sein“, sagt Elke Bremer vom Verein Puppentheater | |
Museum Berlin. Der Großteil der Arbeit basiere auf ehrenamtlicher | |
Unterstützung durch die Vereinsmitglieder, sagt sie. | |
Im Puppentheater Museum fühlt man sich auch Monate, nachdem sie Mitte | |
November in einer nüchternen E-Mail über das Auslaufen der Zuwendungen | |
informiert wurden, überrumpelt. „Das war wie ein Messer in den Rücken“, | |
sagt Ronald, der nicht mit seinem vollen Namen in der Zeitung stehen | |
möchte. Er ist Mitglied im Verein und kümmert sich laut eigener Aussage „um | |
die gute Laune und die Webseite“. Und eben alles, was den Tag über so | |
anfällt. | |
„Wenn solch eine Unterstützung erstmal weg ist, dann kommt sie nicht so | |
einfach wieder“, sagt Elke Bremer. Um sich fürs Erste über Wasser halten zu | |
können, hat das Puppentheater Museum online einen [3][Spendenaufruf] | |
gestartet. Ziel sind 12.000 Euro, um die nächsten Monatsmieten stemmen zu | |
können. Immerhin schon mehr als 10.000 Euro sind bislang zusammengekommen. | |
„Über diesen Zuspruch freuen wir uns sehr“, sagt Bremer. Das seien bereits | |
mehr als zwei Monatsmieten. | |
„Bis Mitte des Jahres kommen wir vielleicht gerade so noch über die | |
Runden“, sagt Bremer. Wie es danach weitergehe, sei unklar. In den fast 30 | |
Jahren seines Bestehens habe das Museum schon so manche schwere Zeit hinter | |
sich gebracht. Selbst die Pandemie-Jahre überstand es vergleichsweise gut. | |
„An Ideen und Manpower mangelt es zum Glück nicht“, sagt Ronald. „Wir si… | |
Überlebende, also mit Vorbehalt.“ | |
## „Ursprüngliche Form des Theaters“ | |
Im Oktober 2018 war der Gründer des Museums, Nikolas Hain, verstorben. Bis | |
er Mitte der 1990er Jahre in Neukölln sesshaft wurde, zog er mit seinen | |
gesammelten Puppen durch das ganze Land. Mit viel Engagement und Charisma | |
konnte er die Menschen mit seinem Puppenspiel begeistern und hatte | |
jahrzehntelang die einzigartige Sammlung und das Museum aufgebaut. Neben | |
den Puppen beherbergt das Museum fast 40.000 Exponate rund um die Kunst des | |
Puppenspiels und das Handwerk des Puppenbauens. | |
Nach seinem Tod begann man, das Museum zukunftsorientierter zu gestalten. | |
Das angrenzende Lager im Seitenflügel wurde zu einem Café umgebaut. Und es | |
wurde sich darauf konzentriert, museumspädagogische Konzepte auszuarbeiten, | |
ohne den Kern des Puppenspiels als „ursprüngliche Form des Theaters“ zu | |
verlieren, wie Bremer erklärt. In seinen Anfängen richtete sich das | |
Puppenspiel vor allem an die erwachsene ländliche Bevölkerung und spielte | |
die großen Theaterstücke seiner Zeit nach. | |
Auf der oberen Ebene wechseln die Ausstellungen regelmäßig. Hier werden | |
vorrangig die Figuren von zeitgenössischen Nachwuchskünstler:innen des | |
Puppenbaus gezeigt. Gleichzeitig ist das Museum auch – wie es der Name | |
schon erahnen lässt – ein Theater. Mindestens zweimal die Woche geht hier | |
der Vorhang auf. | |
In der Hauptsaison von November bis März, nach Möglichkeit auch häufiger: | |
Klassisches Puppenspiel, Märchen, eine Neuinterpretation von Goethes Faust, | |
akustische Musik oder auch türkisches Schattenspiel begeistern hier das | |
Publikum. Die Stücke sollen nicht nur Kinder ansprechen, sondern auch | |
Erwachsene. Außerdem bietet das Museum Puppenbau-Workshops für | |
Pädagog:innen an. | |
## Aufhebung der Haushaltssperre letzte Hoffnung | |
Neben der Spendenkampagne suchen die Mitarbeiter*innen nach | |
langfristigen Sponsoren oder Kooperationspartnern für die Mitnutzung der | |
Räumlichkeiten. Im April soll die Haushaltssperre Thema im | |
Bezirksausschuss sein. Nur im Falle einer Aufhebung der Sperre könne über | |
mögliche Zuwendungen entschieden werden, sagt Bezirksamt-Sprecher Christian | |
Berg. | |
Ob es dazu kommt, sei jedoch unklar. Auch wenn das Bezirksamt ein „großer | |
Fan vom Puppentheater Museum“ sei und dessen Engagement geschätzt werde. | |
„Dennoch werden die Einsparungen in den nächsten Monaten an allen Ecken zu | |
spüren sein.“ | |
Für dieses Jahr sind dennoch viele Veranstaltungen geplant. Das Museum will | |
seine Präsenz weiter ausbauen, auch um potenzielle Unterstützer:innen | |
zu finden. Neben regelmäßigen Puppenspielaufführungen soll es Ende Februar | |
ein deutsch-italienisches Schauspiel nach der Theatertradition der Commedia | |
dell'arte geben, die vor allem durch ihre charakteristischen Masken | |
auffällt. | |
Die Mitarbeiter hoffen, dass die alte Kunst des Puppentheaters noch lange | |
hier in Neukölln gezeigt werden kann. „Wir sind ja Optimisten“, sagt | |
Bremer. | |
16 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gentrifizierung-in-Berlin-Neukoelln/!5911121 | |
[2] /Haushaltsverhandlungen-in-Berlin/!5955286 | |
[3] https://www.betterplace.org/de/projects/130884?utm_campaign=ShortURLs&u… | |
## AUTOREN | |
Luise Bartsch | |
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