| # taz.de -- Roland Ulbrich aus der AfD Sachsen: AfD-Jurist beruft sich auf NS-G… | |
| > Der AfD-Bundesschiedsrichter Ulbrich hat sich in einem Urteil auf ein | |
| > NS-Rassegesetz bezogen. Zudem gibt es neue Verbindungen zum Treffen in | |
| > Potsdam. | |
| Bild: AfD-Politiker Roland Ulbrich am 31. Januar im Sächsischen Landtag | |
| Berlin taz | Angetreten ist Roland Ulbrich aus der AfD Sachsen als Kandidat | |
| des völkischen Flügels und mit klaren Ansagen: Beim [1][Parteitag von Riesa | |
| 2022] kritisierte er unter anderem den Rausschmiss des Rechtsextremisten | |
| Andreas Kalbitz und die „systemkonformen Tendenzen“ in der AfD. Er | |
| versprach, dass es mit ihm keine „PAV-Orgien“ mehr geben werde. PAV steht | |
| für Parteiausschlussverfahren. Kalbitz hatte unter anderem an einem | |
| Ferienlager in Hitlerjugend-Tradition der mittlerweile verbotenen | |
| „Heimattreuen Deutschen Jugend“ teilgenommen. | |
| Ulbrich wurde trotz all seiner markigen Versprechungen als Vizepräsident in | |
| das Bundesschiedsgericht gewählt – und hat Wort gehalten. Deswegen droht | |
| ihm nun selbst der Parteiausschluss. Am Dienstag teilte die AfD mit, dass | |
| Ulbrich infolge eines gegen ihn laufenden PAVs seines Landesverbands | |
| Sachsen als Vizepräsident des Bundesschiedsgerichts zurückgetreten ist. Am | |
| Mittwoch [2][trat er auch aus der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen] aus. | |
| Zuvor hatte seine Fraktion ihm bereits ein mit dem Bundesvorstand | |
| abgestimmtes Parteiausschlussverfahren angekündigt, weil er „in | |
| schwerwiegender Weise gegen die Parteigrundsätze verstoßen“ habe. | |
| Die Begründung war etwas nebulös: Ulbrich übernehme damit Verantwortung für | |
| den „Inhalt eines Eilbeschlusses, aus dem sich der Eindruck ergeben könnte, | |
| er mache sich mit seiner Rechtsprechung eine Begrifflichkeit und einen | |
| Rechtssatz des Nationalsozialismus zu eigen“, heißt es in der Mitteilung | |
| von Gereon Bollmann, dem Vorsitzenden des Bundesschiedsgerichts. Ulbrich | |
| bedaure den Fehler, ziehe mit seinem Rücktritt die erforderlichen | |
| Konsequenzen. Im Übrigen dankte Bollmann, [3][selbst bekannt für völkische | |
| Umtriebe], ihm für seine bis dahin geleistete Arbeit. | |
| Der taz liegt der zugrunde liegende Beschluss vom 11. Januar 2024 vor. | |
| Ulbrich hat darin in einem Parteiordnungsverfahren entzogene | |
| Mitgliedsrechte wiederhergestellt: Für ihn war es offenbar keinen | |
| sofortigen Parteiausschluss und keine Ordnungsmaßnahme wert, dass Manuela | |
| P. aus Wuppertal auf Facebook eine Datei mit dem Titel „Shoot Refugees“ | |
| („erschieße Flüchtlinge“) mit „Stop Refugees“ überschrieben habe, | |
| gleichwohl der Originaltext erkennbar gewesen sei. Darüber hinaus sei ihr | |
| vorgeworfen worden, dass sie sich „trotz ihrer polnischen Abstammung als | |
| ‚arisch‘ bezeichnet“ habe, also mit „einem Begriff aus der | |
| nationalsozialistischen Rassenideologie“. Auch wegen der unbedachten | |
| Äußerungen habe das Landesschiedsgericht von NRW ihre Mitgliedsrechte | |
| entzogen. | |
| ## Verweis aufs „Reichsbürgergesetz von 1935“ | |
| Das Bundesschiedsgericht verwirft die Entscheidung aus NRW und begründet | |
| das so: Zum einen sei „die polnische Sprache als slawische Sprache den | |
| arischen Sprachen zuzuordnen“. Zudem erschließe sich nicht, „wieso der | |
| Begriff ‚arisch‘ der nationalsozialistischen Rassenideologie zuzuordnen | |
| ist“, wie es im Beschluss heißt. Als Beleg verweist das Urteil eben auf | |
| eines der antisemitischen Nürnberger Rassegesetze, so als wäre es normale | |
| Rechtsmaterie: „Insofern sei nur auf das Reichsbürgergesetz vom 15.09.1935 | |
| hingewiesen, in dem in § 2 I geregelt ist, dass Reichsbürger nur der | |
| Staatsbürger sei, der deutschen oder artverwandten Blutes sei“. Danach | |
| schließt die kurze Begründung des Urteils mit der Rechtsbehelfsbelehrung: | |
| „Dieser Beschluss ist innerparteilich unanfechtbar.“ | |
| Verantwortlich zeichnen, neben dem nun zurückgetretenen Roland Ulbrich, für | |
| den Beschluss noch die weiteren Bundesschiedsrichter Richard Albrecht sowie | |
| der saarländische AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth, der im | |
| [4][Juli 2023 ins Bundesschiedsgericht gewählt wurde]. Auf eine Anfrage zu | |
| Konsequenzen für Wirth und Albrecht äußerte sich der Präsident des | |
| Bundesschiedsgerichts nicht näher. Wirth ist allerdings ebenfalls aktuell | |
| auf der Website nicht als Bundesschiedsrichter aufgeführt, eine nähere | |
| Begründung dafür lieferte Präsident Bollmann dafür auf Anfrage nicht. | |
| Mit dem im AfD-Urteil zitierten ersten der Nürnberger Rassegesetze | |
| beschloss der NS-Staat eine rassistische Zweiklassengesellschaft. Die | |
| Nationalsozialisten institutionalisierten mit den Gesetzen ihre | |
| antisemitische Ideologie: Juden durften danach weder wählen noch ein | |
| öffentliches Amt bekleiden. | |
| ## Beschluss mittlerweile teils widerrufen | |
| In einem weiteren Beschluss vom 28. Januar 2024 widerruft das | |
| Bundesschiedsgericht den Teil des Beschlusses, in dem es auf das | |
| NS-Rassegesetz verwies. Nach einem Widerspruch ist den AfD-Richtern wohl | |
| doch aufgefallen, dass die nationalsozialistischen Rassegesetze seit 1945 | |
| nicht mehr gelten. Sie schreiben darin: Zwar seien die Entscheidungen des | |
| Bundesschiedsgerichts grundsätzlich nicht anfechtbar, der „vorliegende | |
| Antrag“ sei jedoch „als außergesetzlicher Rechtsbehelf der Gegenvorstellung | |
| zu behandeln“. | |
| Im Übrigen habe der Beschluss aber Bestand: Das AfD-Mitglied P. aus | |
| Wuppertal bekommt also ihre Mitgliedsrechte zunächst zurück, obwohl sie auf | |
| Facebook eine Datei mit „Shoot Refugees“ geteilt hat und sich selbst auf | |
| [5][Instagram-Posts als „arisch“] bezeichnet. | |
| Überregional bekannt geworden war Ulbrich auch für seine Äußerungen nach | |
| dem Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019. Damals twitterte der | |
| AfD-Landtagsabgeordnete zynisch: „Was ist schlimmer, eine beschädigte | |
| Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“ | |
| Brisant auch: Der gebürtige Düsseldorfer Ulbrich, der seit 1992 eine | |
| Kanzlei für Strafrecht in Leipzig hat, ist nicht nur Landtagsabgeordneter | |
| und AfD-Stadtrat in Leipzig, sondern soll auch bei der sächsischen | |
| Kommunalwahl im Juni für die AfD antreten. Ebenso hat ihn die AfD Sachsen | |
| Ende November in seinem Wahlkreis zum Direktkandidaten gewählt – | |
| einstimmig, [6][wie die Sächsische Zeitung schreibt]. Ulbrich kündigte im | |
| November als Wahlversprechen demnach einen Gesetzentwurf an, „nach dem nur | |
| Deutsche in Sachsen ein umfassendes Demonstrationsrecht haben sollen“. | |
| ## AfD tiefer verwickelt in Potsdamer Geheimtreffen | |
| Für Aufsehen sorgten unterdessen auch weitere bekannt gewordene Details zum | |
| [7][Treffen von Neonazis, Unternehmern und AfD-Politikern in Potsdam]. Dort | |
| hatte der rechtsextreme Kopf der Identitären Bewegung Martin Sellner seine | |
| Pläne für massenhafte Abschiebungen auch von Deutschen mit | |
| Migrationshintergrund vorgestellt. Sellner schlug dafür laut Correctiv | |
| „maßgeschneiderte Gesetze“ vor, die „hohen Anpassungsdruck“ auf aus se… | |
| Sicht „nicht assimilierte“ Staatsangehörige ausüben soll. | |
| Die AfD hatte das Treffen in einer Potsdamer Villa als „Privattreffen“ | |
| abgetan, obwohl auch Roland Hartwig dabei war, der die Ergebnisse in die | |
| Partei tragen wollte und persönlicher Referent von Parteichefin Alice | |
| Weidel war. Diese distanzierte sich formal mit dessen Rausschmiss, | |
| ansonsten ist die AfD derzeit wahlweise darum bemüht, die Recherche zu | |
| diskreditieren, millionenfache Abschiebepläne zu bekräftigen oder sich von | |
| den skizzierten Plänen zu distanzieren – obwohl der in der AfD mächtige | |
| Thüringen-Chef Björn Höcke ähnliche Vorhaben bereits vor Jahren in seinem | |
| Buch skizzierte. | |
| Nun gerät die AfD angesichts neuer Verstrickungen aber weiter in | |
| Erklärungsnot: So haben [8][Süddeutsche, WDR und NDR recherchiert], dass | |
| ein weiterer Teilnehmer des Treffens, Arne Friedrich Mörig, Sohn des | |
| rechtsextremen Organisators Gernot Mörig, ebenfalls auf der Gehaltsliste | |
| der AfD stand. Er sei vom Bundesvorstand aus Weidels Topf bezahlt worden | |
| und soll sich bei der AfD um Social Media gekümmert haben. Beim Treffen | |
| habe Mörig junior in Potsdam einen Vortrag über die [9][Idee einer rechten | |
| Influencer-Agentur] gehalten, die er später auch dem Bundesvorstand | |
| präsentiert haben soll. | |
| Bei dem Treffen sollte von Unternehmer*innen auch Geld für die | |
| vorgestellten rechtsextremen Projekte eingeworben werden. Und auch hier | |
| gibt es laut der Recherche neue Verbindungen zur AfD: Die Spendengelder | |
| sollen direkt über das Privatkonto von Thomas Grebien gelaufen sein, der | |
| wiederum der Schwager des Organisators Mörig senior ist. Grebien ist im | |
| AfD-Kreisvorstand im schleswig-holsteinischen Kreis Plön. Seit | |
| Bekanntwerden des Geheimtreffens in Potsdam inklusive der dort verhandelten | |
| verfassungswidrigen Pläne gehen bundesweit Hunderttausende gegen die AfD | |
| auf die Straße. | |
| ## Ehemalige AfD-Richterin terrorverdächtig | |
| Auch das höchste Parteigericht ist schon länger für rechtsextreme | |
| Verstrickungen bekannt: Im Dezember 2022 schied etwa die ehemalige | |
| AfD-Bundestagsabgeordnete und damalige Richterin am Landgericht Birgit | |
| Malsack-Winkemann unerwartet aus, weil sie bei einer bundesweiten | |
| Anti-Terror-Razzia von der Polizei festgenommen wurde. Sie soll zusammen | |
| mit Reichsbürger*innen einen bewaffneten Putschversuch geplant haben; | |
| ihr [10][droht eine Anklage wegen Bildung einer terroristischen | |
| Vereinigung]. | |
| Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe scheint die Solidarität gegenüber der | |
| terrorverdächtigen Malsack-Winkemann in der AfD nicht abgerissen zu sein: | |
| Sie bekommt in Untersuchungshaft offenbar regelmäßig Besuch aus der | |
| Bundestagsfraktion: Drei Bundestagsabgeordnete haben laut einem | |
| [11][Bericht des Sterns] Dauergenehmigungen zum Besuch der mutmaßlichen | |
| Rechtsterroristin: Steffen Kotré aus Brandenburg, Jürgen Pohl aus Thüringen | |
| und ebenso der nach wie vor amtierende Präsident des Bundesschiedsgerichts | |
| Gereon Bollmann. Das stört innerhalb der Partei aber offenbar niemanden. | |
| 31 Jan 2024 | |
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| [10] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/generalbundesanwalt-reuss-terrorism… | |
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