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# taz.de -- Kosten der Energiewende: Klimaschutz gegen Schuldenbremse
> Klimaschutz kostet Geld. Mögliche Konsequenzen: Höhere Abgaben oder mehr
> Staatsschulden, heißt es in einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung.
Bild: Windräder bei Erkelenz: Soll der Klimaschutz bei gleichzeitiger Erhaltun…
BERLIN taz | Neben vielen Details geht es in der Haushaltswoche des
Bundestages immer auch um die großen Fragen. Nicht viel darunter macht es
entsprechend [1][eine gemeinsame Presseerklärung] der Industriegewerkschaft
IGBCE sowie der Umweltverbände Deutscher Natursschutzring, Germanwatch und
WWF Deutschland. Darin mahnen sie an, dass sich „dringende Zukunftsaufgaben
wie die Klimaschutz-Transformation mit einem ‚Weiter so‘ in der Finanz- und
Haushaltspolitik nicht zu lösen“ sein werden. Konkret heißt das: Soll der
Klimaschutz bei gleichzeitiger Erhaltung der Arbeitsplätze klappen, braucht
es mehr Geld.
Zwar bedarf es nach Ansicht der Organisationen dazu auch der Unterstützung
aus der Privatwirtschaft. „Aber: Die öffentliche Hand muss massiv in
Infrastruktur und Bildung investieren“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin
beim WWF Deutschland. Sie fordern daher die Bundesregierung und die
demokratischen Parteien auf, „Optionen wie eine Reform der Schuldenbremse,
ein Sondervermögen für Klimaschutz und die Stärkung der Einnahmenseite
vorurteilsfrei zu prüfen“.
Rückenwind bekommen die Verbände aus der Wissenschaft: So richtet das
Institut für Wirtschaftsforschung Halle eine grundsätzliche Botschaft an
die Bundesregierung. Ohne höhere Steuern oder mehr Staatsschulden seien die
Investitionen für die Energiewende und die Kohlendioxid-Minderung bis 2030
wohl nicht zu bezahlen, schreiben die ForscherInnen in einer bereits Mitte
Januar [2][veröffentlichten Studie mit dem Titel „Grüne Transformation und
Schuldenbremse“].
Ein zentraler Satz lautet: „Die zusätzlichen staatlichen Ausgaben für
öffentliche Investitionen und Fördermaßnahmen werden nicht aus dem zu
erwartenden Steueraufkommen finanzierbar sein.“ Dieser Befund steht im
Gegensatz zur Politik von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er
sagt: Geld sei genug vorhanden, es müsse nur anders verteilt werden. Höhere
Steuern oder mehr Schulden lehnt er offiziell ab.
## 100 Milliarden Euro jährlich für Investionen
Das Hallenser Institut hat untersucht, welche finanziellen Konsequenzen die
Klimapolitik in den kommenden Jahren auslöste, würde sie wie geplant
umgesetzt. Um den [3][klimaschädlichen Treibhausgas-Ausstoß] bis 2030 um
zwei Drittel gegenüber 1990 zu verringern, seien pro Jahr Investitionen von
2,5 Prozent des BIP nötig, heißt es. Das wären Ausgaben von etwa 100
Milliarden Euro jährlich, aus privaten und staatlichen Quellen. Die Mittel
werden zum Beispiel benötigt, um die Strom-, Gas- und Schienennetze
auszubauen und Millionen Gebäude mit neuen Heizungen auszustatten.
Das Kapital fällt nicht vom Himmel. Es muss aufgebracht und refinanziert
werden. Das heißt zum Beispiel: Unternehmen geben ihre Kosten für
Investitionen in Form höherer Preise an die Kunden weiter – an
Privathaushalte und Firmen. Der Staat hat ebenfalls einen steigenden
Finanzierungsbedarf, den er durch steigende Steuern und Abgaben befriedigen
könnte. So will die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP zum Beispiel
den Kohlendioxidpreis anheben und die Subvention für Agrardiesel auslaufen
lassen. Angesichts dieser Perspektiven stellt das Hallenser Institut die
Frage, ob und wann die Schmerzgrenze der Privathaushalte und Firmen
erreicht sein werde.
Und skizziert einen Ausweg: höhere Staatsschulden. „Der sich gegenwärtig
abzeichnende Weg zusätzlicher öffentlicher Investitionen bei Verzicht auf
zusätzliche Staatsverschuldung wird auf Dauer vermutlich schwer
durchzuhalten sein.“
Der Sachverständigenrat für Wirtschaft macht sich ebenfalls Sorgen darüber,
dass künftig nicht genug Mittel für wichtige Aufgaben wie Sicherheit und
Klimapolitik vorhanden sein könnten. [4][Die Wirtschaftsweisen], ein
wichtiges Beratungsgremium der Bundesregierung, rät deshalb zu einer Reform
der Schuldenbremse. Die augenblickliche Regelung im Grundgesetz „beschränkt
die fiskalischen Spielräume für zukunftsgerichtete Ausgaben unnötig stark“,
schreiben die fünf ProfessorInnen in ihrer aktuellen Stellungnahme.
Sie plädieren erstens dafür, die wegen einer Notlage erlaubte höhere
Verschuldung nicht abrupt auf Normalmaß zu senken, sondern über mehrere
Jahre allmählich abzuschmelzen. Der zweite Vorschlag der Wirtschaftsweisen
lautet, die Kreditobergrenze zu staffeln. Liegt die Gesamtschuldenquote des
Staates unter 60 Prozent des BIP, also im niedrigen, gefahrlosen Bereich,
soll ein Prozent neuer Kredite gestattet sein. Zwischen 60 und 90 Prozent
Schuldenquote wären es 0,5 Prozent. Der zusätzliche Spielraum, den die
Regierung jetzt nutzen könnte, betrüge damit etwa zehn Milliarden Euro pro
Jahr. Erst wenn die Gesamtverschuldung mit über 90 Prozent ein bedenkliches
Niveau erreicht, würden die 0,35 Prozent gelten. Dieser Wert gilt heute
grundsätzlich, unabhängig vom Schuldenstand.
31 Jan 2024
## LINKS
[1] https://igbce.de/igbce/investitionen-statt-finanzfesseln-die-transformation…
[2] https://www.iwh-halle.de/presse/pressemitteilungen/detail/gruene-transforma…
[3] /Bericht-der-Weltwetterorganisation/!5969797
[4] /Wirtschaftsweise-fuer-mehr-Investitionen/!5988530
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Haushalt
Klima
Investitionen
Transformation
Schuldenbremse
Schwerpunkt Klimaproteste
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Das Milliardenloch
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