Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausgezeichneter Kletterverein: Immer weiter aufwärts
> Der Deutsche Alpenverein bietet in Hamburg seit sechs Jahren inklusive
> Klettergruppen an. Kinder mit Handicap schaffen dort Erstaunliches. Ein
> Besuch.
Bild: Beim Klettern liegt der inklusive Gedanke nah
Hamburg taz | „Finn nimmt immer den schweren Weg“, sagt seine Mutter Janina
Jurk. Die Kletterhalle in Hamburg-Lokstedt ist ziemlich gut gefüllt an
diesem Montagabend – Kinder mit Eltern, Betreuer*innen und eine
Trainingsgruppe, die sich in der Boulder-Ecke auf einer großen blauen
Turnmatte aufwärmt. Auf der Treppe liegen Rucksäcke, Jacken, Schuhe und
Trinkflaschen. Die Halle ist bis zu 17 Meter hoch, an der Kletterwand sind
Haltegriffe in bunten Farben und verschiedenen Formen angebracht. Janina
Jurk steht davor, den Kopf in den Nacken gelegt. Sie schaut ihrem Sohn
hinterher auf seinem Weg nach oben, Richtung Hallendecke.
Finn ist 13 Jahre alt. Sein Kleinhirn ist nicht voll ausgebildet.
Koordination, Feinmotorik – all das funktioniert bei ihm nicht so gut. „Ein
bisschen wie bei einem Betrunkenen“, erklärt Jurk. Durch viel Übung kann
Finns Großhirn bestimmte Aufgaben übernehmen. Er ist groß für sein Alter
und recht dünn, hat lange Arme und Beine, was beim Klettern hilfreich ist.
Manchmal ist er zu ehrgeizig, will immer die schwersten Strecken an der
Kletterwand nehmen, auch die mit Überhang. Und wenn es mal nicht klappt,
sagt Jurk, sei der restliche Abend im Eimer.
Am Boden steht Michael Hennigfeld und sichert, das Kletterseil fest in den
Händen. Vor etwa sechs Jahren hat er die erste „Inklusive Klettergruppe“
des [1][Deutschen Alpenvereins (DAV) Hamburg] gegründet. Eine Gruppe für
alle, die Lust haben, gemeinsam Sport zu machen und aktiv zu sein – egal ob
mit Querschnittslähmung, geistiger Behinderung oder angeborener
Muskelschwäche. Die DAV-Sektion Hamburg und Niederelbe ist mit 24.000
Mitgliedern mit Abstand die größte im bergarmen Norddeutschland. Aber auch
in Bremen, Hannover und Göttingen gibt es inklusive Kletterangebote.
Zusätzlich zur inklusiven Klettergruppe von Hennigfeld gibt es beim DAV
Hamburg noch eine weitere: „Neue Wege“ heißt sie und richtet sich vor allem
an Erwachsene mit psychischen Beeinträchtigungen. In Hennigfelds Gruppe
sind vor allem Kinder im Alter zwischen 7 und 14 Jahren mit ihren Eltern,
an diesem Abend sind etwa zehn junge Kletter*innen da.
## Inklusiver Gedanke liegt beim Klettern nah
Im Dezember kam der Verein auf den 1. Platz beim Werner-Otto-Preis, den die
Alexander-Otto-Sportstiftung auslobt, um Inklusion im Sport zu fördern. Im
Vorjahr wurde der Ruderclub Favorite Hammonia für sein Ruderangebot für
[2][Menschen mit kognitiver Behinderung] ausgezeichnet, dieses Mal gingen
15.000 Euro Preisgeld an den DAV.
„Klasse machst du das“, ruft Hennigfeld von unten. Er selbst klettert seit
35 Jahren, während des Studiums hat er damit angefangen. Am liebsten
natürlich draußen, am Ith oder auch in Alicante. Der inklusive Gedanke ist
beim Klettern aus seiner Sicht sehr naheliegend. „Kletterwände und Berge
bringen jede*n an die persönlichen Grenzen, ganz egal ob mit oder ohne
Beeinträchtigungen“, sagt er. „Es ist einfach ein tolles Training für
Körper und Geist.“ Und für den Zusammenhalt der Gruppe, das erkennt man
auch hier in der Halle. Die Kinder verbringen Zeit miteinander, klettern
gemeinsam, helfen einander, überwinden Hindernisse.
Schnell zeigen sich Auswirkungen auf den Bewegungsablauf und die Motorik
der Kinder. Bei Fenja zum Beispiel. „Das macht sie sonst nie, nur hier beim
Klettern“, sagt ihre Mutter Stefanie Linow, während ihre Tochter sich mit
beiden Armen an den Haltegriffen hochzieht. Fenja ist elf Jahre alt und hat
eine halbseitige Lähmung in der rechten Körperhälfte. Sie trägt eine
Schiene, im Alltag kann sie den rechten Arm kaum benutzten – und wenn, dann
nur widerwillig. Meist hängt der Arm deshalb ein bisschen schlaff herunter.
Doch hier an der Kletterwand beansprucht Fenja ihren kompletten
Bewegungsapparat. Meter für Meter arbeitet sie sich nach oben und umfasst
dabei kräftig mit der beschienten Hand die Haltegriffe über ihr.
Auf der anderen Seite der Halle hat sich Finn wieder abgeseilt und ist
unten angekommen. Glücklich und zufrieden, denn heute hat er es wieder ganz
nach oben geschafft.
4 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.dav-hamburg.de/
[2] /Jurist-ueber-Behinderung-und-Teilhabe/!5985915
## AUTOREN
Jonas Graeber
## TAGS
Inklusion
Klettern
UN-Behindertenrechtskonvention
Hamburg
Inklusion
Sportförderung
Schwerpunkt Stadtland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Scheiternde Inklusion: Manchmal kann Warja in die Schule
Natascha Zaminski ist alleinerziehend, ihre Tochter Warja ist Autististin
mit Down-Syndrom. Immer öfter muss sie mangels Schulbegleitung zu Hause
bleiben.
Sportförderung soll gekürzt werden: Integration steht auf der Kippe
Der Breitensport soll mehr leisten, bekommt aber weniger Geld. Für den
ohnehin immer knapp finanzierten organisierten Sport sind die Folgen
drastisch.
Engagement beim Bildungsprotesttag: Inklusion meint wirklich alle
Die 15-jährige Janne Schmidmann egangiert sich für Inklusion. Die Bremerin
organisiert den bundesweiten Bildungsprotesttag am 23. September mit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.