| # taz.de -- Völkermord-Prozess in Den Haag: Israel führt Selbstverteidigun… | |
| > Nach der Anklage kommt die Verteidigung zu Wort. Israel weist den | |
| > Genozidvorwurf von sich und verweist auf die Bedrohung durch die Hamas. | |
| Bild: Tal Becker, Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, am Freitag… | |
| Den Haag taz | Am zweiten Tag des Genozid-Prozesses vor dem Internationalen | |
| Gerichtshof in Den Haag fand die Anhörung der israelischen Delegation | |
| statt. Deren Mitglieder wiesen die von Südafrika erhobenen Vorwürfe | |
| entschieden zurück und beriefen sich auf Israels Recht auf | |
| Selbstverteidigung nach den Hamas-Angriffen vom 7.Oktober letzten Jahres | |
| sowie die Notwendigkeit, die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln zu | |
| befreien. | |
| Der israelische Staat verfolge dabei keinerlei genozidale Absichten, so | |
| verschiedene Vertreter*innen vor dem UN-Gerichtshof. Die Absicht zum | |
| Völkermord ist gemäß der UN-Konvention von 1948 das entscheidende Merkmal | |
| um einen solchen festzustellen. Ebenso wie während der [1][Präsentation der | |
| Anklage Südafrikas am Donnerstag] demonstrierten vor dem Tribunal erneut | |
| Unterstützer*innen beider Seiten. | |
| Tal Becker, rechtlicher Berater des israelischen Außenministeriums, nannte | |
| die Anklageschrift in seiner Eröffnungsrede „verzerrt“, da sie das | |
| israelische Vorgehen darstelle, als sei es nicht Teil eines bewaffneten | |
| Konflikts. „Es ist, als gebe es keine Bedrohung Israels und seiner | |
| Bürger*innen, sondern nur israelische Aggression im Gazastreifen“. | |
| Um diese Bedrohung zu illustrieren, nahm Becker detailliert Bezug auf die | |
| Hamas-Massaker am 7.Oktober. „1.200 Menschen wurden an diesem Tag | |
| geschlachtet, Kinder vor ihren Eltern gefoltert und Eltern vor ihren | |
| Kindern.“ | |
| Becker sieht eher Israel selbst von Völkermord bedroht. Zum Beweis zitierte | |
| er Ghazi Hamad, ein Mitglied der Hamas-Führung, der im November in einem | |
| libanesischen TV-Interview sagte: „Wir müssen Israel eine Lektion erteilen, | |
| und wir werden dies wieder und wieder tun.“ | |
| Israel habe daher das Recht, alle legitimen Mittel zur Verteidigung seiner | |
| Bevölkerung einzusetzen. Zugleich befreie keine der begangenen | |
| Grausamkeiten Israel von der Pflicht, sich an geltendes Recht zu halten. | |
| Demnach bekenne sich Israel zu humanitärem Handeln, sei aber gezwungen, in | |
| einer „albtraumhaften Umgebung“ zu handeln, in der eine Terrororganisation | |
| Sprengstoff in Schulen, Moscheen und Kinderzimmern unterbringe. | |
| „Das Gegenteil von Völkermord“ | |
| Auch seine Kollegin Galit Raguan, die das Justizministerium juristisch | |
| berät, warf Südafrika vor, die Anklageschrift gebe ein „parteiisches“ und | |
| „tendenziöses“ Bild der Situation wieder. Dieses unterschlage drei Aspekte: | |
| die militärische Strategie einer urbanen Kriegsführung seitens der Hamas, | |
| wodurch zwangsweise zahlreiche zivile Opfer anfielen; die Aufforderungen | |
| Israels zur Evakuierung, um solche zu vermeiden, sowie Warnungen an | |
| Zivilist*innen vor bevorstehenden Angriffen; schließlich Hilfe bei der | |
| Verlegung von Krankenhaus-Patient*innen. | |
| Laut Raguan beweist dies „das genaue Gegenteil von Völkermord“. Die | |
| Vorwürfe gegen Israel seien daher haltlos, vielmehr tue die Hamas alles in | |
| ihrer Macht Stehende um die zivile Infrastruktur Gazas zum eigenen Schutz | |
| zu benutzen. | |
| Der britische Völkerrechts-Profesor Malcolm Shaw widmete sich in seinem | |
| Beitrag den „zufälligen Zitaten“, mit denen Südafrika den vermeintlichen | |
| Willen Israels zum Genozid an den Palästinenser*innen zu belegen | |
| versucht. Dabei seien Aussagen einzelner Politiker „falsch interpretiert“ | |
| worden. | |
| Die Anklageschrift enthält [2][Aufforderungen, Gaza „auszulöschen“, zu | |
| „verbrennen“ oder „dem Grund gleich zu machen“, und die Feststellung, es | |
| gebe dort „keine Unschuldigen“]. Letzteres Zitat stammt vom | |
| Likud-Abgeordneten Nissim Vaturi und sorgte im Vorfeld der Anklage | |
| international für Protest. | |
| ## Umstrittene Aussagen und „provisorische Maßnahmen“ | |
| Bei mehreren Aussagen ist freilich umstritten, ob sich Bezeichnungen wie | |
| „Monster“ oder „menschliche Tiere“ auf Hamas-Terroristen und Täter der | |
| Massaker vom 7.Oktober oder aber auf die Bewohner*innen des | |
| Gazastreifens allgemein beziehen. | |
| Shaw argumentiert, maßgeblich für das Vorgehen Israels in Gaza seien | |
| lediglich dessen Nationaler Sicherheitsrat sowie das Kriegskabinett. Den | |
| Zitaten der Anklageschrift stellt er solche von Regierungschef Benjamin | |
| Netanjahu entgegen, wonach jedes zivile Opfer eine Tragödie sei und Israel | |
| alles unternehme, um diese zu vermeiden. Shaw bescheinigte Israel, es hege | |
| „keine Absicht zum Völkermord“. Wo es keine solche Absicht gebe, könne au… | |
| nicht von Völkermord gesprochen werden. | |
| Genau diese ist entscheidend für den Antrag Südafrikas, das Tribunal möge | |
| sogenannte „provisorische Maßnahmen“ Israels anordnen, um sein | |
| militärisches Vorgehen unverzüglich zu stoppen. Ein solcher Schritt des | |
| UN-Gerichts könnte schon innerhalb einiger Wochen erfolgen – und damit | |
| wesentlich früher als das eigentliche Urteil. Wann dies gesprochen wird, | |
| ist nicht absehbar. | |
| 12 Jan 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
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