# taz.de -- Schnellverfahren gegen Klimaaktivisten: Ineffektiv, aber plakativ | |
> Die Spezialabteilungen für Verfahren gegen Klimakleber sind wieder | |
> aufgelöst. Zu Recht. Sie waren ohnehin nur hyperventilierende | |
> Symbolpolitik. | |
Bild: Klimakleber*innen müssen keine Angst vor Schnellverfahren haben | |
Da wollte man mal die Handlungsfähigkeit des Staates demonstrieren und den | |
Öko-Haftis zeigen, was man in der Hauptstadt von ihnen hält – und schießt | |
sich so ins eigene Knie. Das Vorhaben, mit [1][neu geschaffenen | |
Gerichtsabteilungen Klimaaktivist*innen im Schnellverfahren vor | |
Gericht zu stellen], ist gescheitert. Die Maßnahme führte lediglich zu | |
einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für die Justiz und verschärfte den | |
ohnehin bestehenden Personalmangel weiter. | |
Deshalb wurden die im Sommer vergangenen Jahres am Amtsgericht Tiergarten | |
eingerichteten Spezialabteilungen zum Jahreswechsel wieder aufgelöst. Sie | |
waren eingerichtet worden, um klebende Klimaaktivist*innen schneller | |
– innerhalb von 24 Stunden – vor Gericht bringen zu können. So wollte man | |
dafür sorgen, dass die festgenommenen Umweltkletten nicht nach wenigen | |
Stunden wieder auf freiem Fuß sind und ihren Kleber an der nächsten | |
Kreuzung verteilen. | |
Mit der Maßnahme sollte die Justiz entlastet werden. An Ineffizienz hätte | |
sie jedoch kaum zu übertreffen sein können. Von den 197 Anträgen, die die | |
Staatsanwaltschaft auf ein beschleunigtes Verfahren beim Gericht stellte, | |
gingen nur 11 durch. [2][137 sind noch offen, 48 wurden abgelehnt]. Der | |
Grund dafür: die unklare Beweislage. | |
Dass es kein einfacher Sachverhalt ist, wenn sich Personen mit | |
unterschiedlichen Motiven an unterschiedlichen Orten für eine | |
unterschiedliche Dauer mit unterschiedlicher Intensität festkleben und | |
damit unterschiedlich starke Verkehrseinschränkungen auslösen, hätte ja | |
keiner wissen können. | |
## Überraschung: Jeder Fall ist anders | |
Deshalb mühte man sich, Klimakleber*innen alle über einen Kamm zu | |
scheren und vor Gericht so schnell abzufrühstücken wie | |
Kaugummiklauer*innen. Nur war dann doch jeder Fall irgendwie anders. Also | |
beschäftigte man sich immer gleich doppelt mit jedem Vergehen. Einmal, um | |
sie [3][für Schnellverfahren als ungeeignet einzustufen], dann, um sie im | |
Anschluss zu regulären Verfahren in andere Verkehrsabteilungen zu | |
überführen. Aus beabsichtigter Entlastungsmaßnahme wurde | |
Beschäftigungsmaßnahme. | |
Dass der „Test“ kein besonders guter Einfall war, hat sich auch die | |
Staatsanwaltschaft mittlerweile eingestanden. Aber nur weil eine Maßnahme | |
sinnlos ist, muss sie ja noch lange nicht abgeschafft werden. Deshalb | |
werden die Spezialabteilungen nun aufgelöst, Anträge auf Schnellverfahren | |
hingegen weiterhin freudig gestellt. Einzige Änderung: Jetzt sind nicht | |
mehr nur zwei Richter*innen damit beauftragt, die Vergehen für | |
Schnellverfahren als ungeeignet einzustufen, sondern 67. Effizienz stellt | |
man sich anders vor. | |
Aber darum scheint es führenden Politiker*innen – vor allem aus den | |
Reihen der Union – nicht zu gehen. Vielmehr soll an den | |
Klimaaktivist*innen ein Exempel statuiert werden. Da kann man sich auch | |
mal in Dinge einmischen, bei denen man eigentlich nichts zu melden hat, und | |
versuchen, die Gewaltenteilung entspannt in den Hintergrund rücken lassen. | |
13 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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