| # taz.de -- Deutschland unteilbar | |
| > Hunderttausende Menschen gehen auf die Straßen, um gegen | |
| > Rechtsextremismus zu demonstrieren. In München und Hamburg werden die | |
| > Demos wegen Überfüllung beendet | |
| Bild: Alternative zur AfD: Auf der Demo in Wuppertal, NRW, am 20. Januar | |
| Aus München, Berlin, Köln, Karlsruhe, Hannover und HamburgDominik Baur, | |
| Doris Akrap, Luisa Faust,Laura Verseck, Benno Stieber, Nadine Conti,Theresa | |
| Moosmann und Esther Geißlinger | |
| Über 300.000 Menschen am Samstag auf der Straße, erneut Hunderttausende am | |
| Sonntag: Die Protestwelle in Reaktion auf Deportationsideen von | |
| Rechtsextremen und AfD-Politiker*innen erlebte einen erneuten Höhepunkt. | |
| Ein Kaleidoskop des Demo-Wochenendes. | |
| ## München | |
| Die größte bayerische Demo fand am Sonntagnachmittag in München statt. Ab | |
| 14 Uhr trafen sich am Siegestor im Zentrum Münchens laut | |
| Veranstalterangaben 250.000 Menschen, um unter dem Motto „Gemeinsam gegen | |
| rechts“ gegen AfD und Rechtsextremismus zu demonstrieren. Mit „25.000 plus | |
| X“ Teilnehmern hatte man zuletzt gerechnet. Gegen 15 Uhr wurde die Demo | |
| wegen Überfüllung schließlich abgebrochen. | |
| Bereits um 14.35 Uhr ist kein Durchkommen mehr vom Odeonplatz in Richtung | |
| der zwei Kilometer entfernten Münchner Freiheit. Alle Seitenstraßen sind | |
| verstopft. Ein Redner fordert die Leute auf, „Paroli“ zu rufen: Paroli | |
| gegen die AfD, gegen Rechts. „Paroli!!!“, tönt es aus der Masse zurück. Am | |
| Ende fordert der Redner noch „Paroli gegen die Ampel“ – aber da ruft kein… | |
| zurück. | |
| Auch Politiker aller demokratischen Parteien hatten ihre Teilnahme | |
| angekündigt, darunter etwa Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). | |
| Nicht dabei waren Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sein | |
| Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Letzterer ging stattdessen | |
| auf eine Bauerndemo im Allgäu – nicht ohne sich zuvor noch abfällig über | |
| die Demo in München zu äußern. Auf „X“ schrieb er: „Die Demos gegen Re… | |
| sind vielfach von Linksextremisten unterwandert. Den Bauerndemos wurde der | |
| Vorwurf der Unterwanderung fälschlicherweise gemacht.“ Dass die Linksjugend | |
| solid, die ebenfalls nach München mobilisierte, vom bayerischen | |
| Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft wird, stimmt zwar – die | |
| Jugendorganisationen von Grünen und SPD standen dagegen nie unter dessen | |
| Beobachtung. | |
| Auch in Regensburg und Bad Tölz kamen die Menschen am Sonntag zusammen, um | |
| gegen die AfD zu demonstrieren. In Nürnberg hatten sich bereits am Samstag | |
| 15.000 Menschen versammelt – weit mehr als erwartet. In Erlangen waren tags | |
| zuvor rund 4.000 Menschen für ein Verbot der AfD auf die Straße gegangen. | |
| ## Berlin | |
| Bis zu 100.000 Menschen versammelten sich am Sonntag laut Polizeiangaben | |
| auf der Wiese vor dem Reichstag. Angemeldet hatten die Veranstalter, unter | |
| anderem Fridays for Future, lediglich 1.000 Teilnehmer*innen. Es staute | |
| sich bereits ab 15 Uhr in den U-Bahn-Ausgängen zur Auftaktkundgebung. Die | |
| Menschen hatten Plakate dabei: „Es ist an der Zeit, es besser zu machen als | |
| unsere Urgroßeltern.“ Ein Rentnerpaar sagt: „Wenn wir jetzt nichts machen, | |
| ist es bald zu spät.“ | |
| ## Köln | |
| Bunte Farben, Narrenmützen und tausende Menschen auf der Straße: Am | |
| Sonntagnachmittag erinnerte so einiges an den Kölner Karneval. Schilder wie | |
| „Lieber Solidarisch statt solide Arisch“ oder „Fck afd“ zeigten aber, d… | |
| es den Kölnerinnen und Kölner um weit mehr geht als die fünfte Jahreszeit. | |
| Zum zweiten Mal in dieser Woche demonstrierten Zehntausende für die | |
| Demokratie und Menschenrechte. Bereits am Dienstagabend kamen 30.000 | |
| Menschen. Das Bündnis „Köln stellt sich quer“ mobilisierte nun sogar 70.0… | |
| Menschen zur Deutzer Werft, das Motto: „Demokratie schützen, AfD bekämpfen. | |
| Neben der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) und | |
| verschiedenen anderen Vertretern aus der Politik sprach auch die | |
| stellvertretende Chefredakteurin des Recherchenetzwerks Correctiv, Anette | |
| Dowideit. Die Journalist*innen hatten das Geheimtreffen zu den | |
| Deportationsplänen recherchiert, das nun die Protestwelle ausgelöst hat. | |
| Mit so viel Zuspruch habe Dowideit nie gerechnet, betont sie: „Wir haben | |
| einfach nur unsere Arbeit gemacht.“ | |
| ## Karlsruhe und Südwesten | |
| Mit Schildern wie „Wenn ihr Putin wollt, geht doch rüber“ haben sich am | |
| Samstag 20.000 Menschen auf dem Karlsruher Marktplatz und den angrenzenden | |
| Straßen versammelt. Anschließend zogen sie durch die Stadt, in der mit dem | |
| Bundesverfassungsgericht und dem Bundesgerichtshof die wesentlichen | |
| Institutionen für ein vielfach gefordertes Parteiverbot der AfD und die | |
| Extremismusbekämpfung sitzen. Dabei beachtete der Demonstrationszug die | |
| „Bannmeile“ zu den Gerichten. Die Polizei sprach von störungsfreiem | |
| Protest, der ein „bemerkenswertes Zeichen gesetzt“ habe. | |
| Insgesamt gingen in Baden-Württemberg am Wochenende über 80.000 Menschen | |
| gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Überall blieben die Proteste | |
| friedlich. In Freiburg waren bereits am Mittwoch 10.000 Menschen auf die | |
| Straße gegangen, am Samstag waren es noch einmal 5.000 Menschen. Dort hatte | |
| ein breites Bündnis von Union und FPD bis zu linken Gruppen zur | |
| Demonstration aufgerufen. In Karlsruhe und Stuttgart war das nicht | |
| gelungen. Auf dem Demozug in Karlsruhe, wurde von Rednern linker Gruppen, | |
| etwa der Seebrücke, die Flüchtlingspolitik der Ampel und der Union als | |
| „Imitation der AfD“ scharf kritisiert. | |
| ## Hannover | |
| 35.000 Teilnehmer zählten die Veranstalter in Hannover zum Schluss. Auf dem | |
| Opernplatz und am Kröpcke standen die Menschen dicht gedrängt, auch die | |
| Seitenstraßen und weite Teile der Fußgängerzone waren voll, mehrmals musste | |
| die Polizei die Versammlungsfläche erweitern. Wie in anderen Städten auch | |
| war es eine erstaunliche Mischung, die sich hier zeigte: Menschen aller | |
| Altersgruppen, ganze Familien reisten aus dem Umland an. Und neben den | |
| gewohnten Gewerkschafts-, Kirchen-, Regenbogen- und Antifa-Flaggen | |
| Schwenkenden standen viele, die erkennbar nicht so oft an Demonstrationen | |
| teilnehmen. | |
| Als Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde sich dafür | |
| bedankte, dass die „Omas gegen rechts“ seit dem 7. Oktober jeden Freitag | |
| vor der Synagoge stünden, um ein Zeichen der Solidarität gegen den Terror | |
| der Hamas zu setzen, jubelte der ganze Platz. | |
| ## Hamburg und Bremen | |
| Weitaus mehr Zulauf als erwartet hatte bereits am Freitagnachmittag eine | |
| Anti-Nazi-Demo in Hamburg erhalten. Nach Schätzung des DGB beteiligten sich | |
| mehr als 80.000 Menschen. Die Demo fand am Jungfernstieg statt, nicht wie | |
| geplant auf dem Rathausmarkt: Die AfD erreichte durch eine spontane | |
| Fraktionssitzung, dass die Demo um etwa 350 Meter verschoben werden musste: | |
| Das Hamburger Bannkreisgesetz verbietet Versammlungen und Demos im Umkreis | |
| von 350 Meter um das Rathaus herum. Dadurch soll die Arbeitsfähigkeit der | |
| Bürgerschaft geschützt werden. Dass die Demo am neuen Ort wegen Überfüllung | |
| beendet werden musste, sorgte dann allerdings erst recht für | |
| Positiv-Schlagzeilen über eine erfolgreiche Mobilsierung gegen rechts. | |
| In Bremen, wo unter anderem der Fußball-Bundesligist Werder Bremen | |
| mobilisierte, kamen am Ende 50.000 Menschen – gerechnet hatte man mit 500. | |
| (mit dpa) | |
| 22 Jan 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
| Doris Akrap | |
| Laura Verseck | |
| Luisa Faust | |
| Benno Stieber | |
| Theresa Moosmann | |
| Esther Geisslinger | |
| Nadine Conti | |
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