Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Im Höckazett, Protektorat Süd
> Algerien, 2028: Das Remigrationsprogramm des neuen deutschen
> Reichskollegiums unter dem Reichsverweser Björn Höcke läuft. Ein
> Ortsbesuch.
„Vorsicht!“, knurrt unser uniformierter Führer. „Achten Sie auf Ihre
Wortwahl!“ Offenbar hat Leutnant Schmitz gute Ohren und deshalb das
halblaute Gemurmel im Tross der Berichterstatter mitbekommen. Ganz arglos
haben wir für das Lager vor uns den gängigen Begriff „Höckazett“ verwend…
Selbstverständlich wissen wir, dass das Reichskollegium auf der Bezeichnung
„Kur-Zentrum“ besteht, wobei die Abkürzung „KZ“ gesetzlich verboten is…
die Lager sollen mit „KuZ“ abgekürzt werden. Aber dass das alles wirklich
ernst gemeint sein soll …?
Nun, mit dem „Panthersprung nach Algier“ im September 2026 hat das
Reichskollegium jedenfalls ernst gemacht. Das annektierte Algerien heißt
nun „Protektorat Süd“. Das war kurz nach dem Umzug der wichtigsten
Bundesministerien nach Thüringen. „Weimar und seine Buchenwälder stehen für
das, was Deutschland hervorgebracht hat – und ausgeschwitzt“, schwärmte der
Reichsverweser damals. Als gelernter Geschichtslehrer muss er es ja wissen.
„Wie rekrutieren Sie eigentlich die Bewacherinnen und Bewacher?“, erkundigt
sich eine emsige Kollegin. Zu unser aller Verblüffung fährt unser Führer
herum, packt sie und hält ihr seine Pistole an den Kopf. „Wegen mutwilligen
Genderns verurteile ich Sie standrechtlich zu einem Tag Arrest im
Kurzentrum.“ Ein knappes Kopfnicken in Richtung der Wachen und die
entgeisterte Frau wird abgeführt. Als sei nichts gewesen, wendet sich
Schmitz mit aalglattem Lächeln wieder zu uns: „Fragen dürfen Sie alles. Nur
beim Gendern bin ich etwas empfindlich.“ Dabei spielt er mit dem
Sicherungshebel seiner Pistole, die inzwischen wieder im Holster steckt.
Inzwischen stehen wir vor dem schwer bewachten Eingang und studieren die
Inschriften. „Bruno-Heck-Arena“ lesen wir; und in das Tor eingelassen steht
schmiedeeisern das Motto „Sonne macht braun“.
## „Wer ist Bruno Heck?“
Ein Kollege nimmt all seinen Mut zusammen und fragt: „Verzeihung, aber wer
ist Bruno Heck?“ Schmitz zuckt mit den Schultern: „Ganz ehrlich? Keine
Ahnung!“ Ein älteres Mitglied unserer Gruppe meldet sich vorsichtig. „Bruno
Heck war mal CDU-Generalsekretär.“ Unser Führer erstarrt. Ein Mann der
Systemparteien als Pate dieser nationalen Einrichtung?!
Der ältere Kollege mit dem Parteiabzeichen macht eine beschwichtigende
Geste: „Das war in den Siebzigern, als Deutschland noch einigermaßen normal
war. Bruno Heck hat damals in Chile die …“ – er zögert kurz – “… d…
Unterkunft für … Volksfeinde besichtigt, die die neue Regierung unter
Pinochet eingerichtet hatte, und danach gesagt: ‚Bei sonnigem Wetter ist
das Leben im Stadion recht angenehm.‘ Der Name passt also zum Motto.“
Schmitz grinst jetzt wieder: „Ja, wir verstehen uns schließlich als
Ökofaschisten. Wir bevorzugen Freilandhaltung. Die Leute sollen braun sein,
wenn sie hier rauskommen. Wenn …“ Dann weist er stolz hinter sich: „Wir
haben vollelektrische Teslazäune. Selbsthochfahrend. Jeder Abreiseversuch
ist zwecklos. Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen.“
Als wir durch das Tor treten, sehen wir den belebten Appellplatz und hören
rhythmische Gymnastik-Kommandos: „In die Höcke, zwo, drei, vier! Den Arm
nach vorne, zwo, drei, vier!“
Schmitz erklärt stolz: „Wir wollen, dass unsere Kurgäste sich sinnvoll
beschäftigen. Die haben sich schließlich jahrelang auf unsere Kosten fett
und rund gefressen. Aber die meisten Gäste sind am Arbeiten. Wurde ja auch
mal Zeit.“
„Was genau arbeiten sie?“, wird schüchtern gefragt. Schmitz grinst erneut:
„Aktuell kommt ja die dritte Tranche aus Deutschland an. Die Artfremden,
die sich einen deutschen Pass erschlichen haben. Wurde ihnen ja
nachgeworfen vom Demokratengesocks.“ Eine jüngere Kollegin fragt flüsternd:
„Was waren nochmal die ersten beiden Tranchen?“ Ebenfalls geflüstert kommt
die Antwort: „Erst die ohne dauerhaftes Bleiberecht, dann alle ohne
deutschen Pass. Jetzt kommen alle Deutschen mit Migrationsgeschichte.“
Schmitz fährt fort: „Aus den ersten beiden Tranchen haben wir vor dem
Rücktransport einige Subjekte ‚gebeten‘, das Denkmal der Schande in der
ehemaligen Hauptstadt zu demontieren. Und aus den Stelen bauen sie jetzt
den ersten Abschnitt von ‚Prora II‘. Urlaub am Mittelmeerstrand statt auf
Rügen – herrlich!“
Schmitz streckt sich kurz und hält das Gesicht in die brennende Sonne. „Die
ersten haben wir ja auf solchen Bötchen zurückgebracht, mit denen sie ins
Abendland eingedrungen sind. Aber in Tranche drei sind so viele, da
brauchen wir große Schiffe. Und da passen auch die Judenstelen drauf.“
Szenenwechsel. Im „Ankunftszentrum“ diskutiert gerade ein mittelalter, sehr
biodeutsch aussehender Mann verzweifelt mit einem Sachbearbeiter. „Das muss
ein Irrtum sein! Meine Familie ist seit Jahrhunderten in Deutschland!“ Er
erhält die kühle Antwort: „Der Migrationshintergrund wird aus
Effizienzgründen anhand des Familiennamens ermittelt – tut mir leid, Herr
Chrupallek.“ Resigniert nimmt der Mann seine Reisetasche mit dem
aufgestickten Deutschlandfähnchen und trottet mit seiner Gruppe in Richtung
einer Wohnbaracke.
## Spielerisch mit dem Zeigefinger drohen
„Wer sind eigentlich die nächsten?“, fragt jemand. „Erst adoptierte
Fremdblütler, dann das LGBT-irgendwas-Gesocks“, antwortet Schmitz. „Danach
Flüchtlingshelfer, unnütze Esser und Kinderlose, Kulturpack, Großstädter
und Veganer. Weiter sind wir noch nicht. Ach so – und Lügenpresse
natürlich“, lacht er und droht spielerisch mit dem Zeigefinger. „Also
Vorsicht!“
Wir nehmen allen Mut zusammen und fragen: „Zu welcher Tranche gehört
eigentlich eine lesbische Frau mit einem asiatischen Adoptivkind?“ Schmitz
schaut uns kurz lauernd an. „Sie meinen unsere frühere Vorsitzende? Die
Widernatürliche mit dem kleinen Zitronenbimbo? Die sich Beutekunst unter
den Nagel gerissen und sich feige in die Schweiz abgesetzt hat? Wenn wir
die erwischen … Dabei bin ich der Bewegung mal beigetreten, weil ich sie so
toll fand. So zackig-brutal. So herrlich eiskalt. Und jetzt diese
Enttäuschung!“
Irren wir uns oder blinkt da eine Träne im Auge unseres Führers? Ein
emotionaler Moment zum Ende unseres Besuchs? Aber Schmitz hat sich schon
wieder unter Kontrolle und ruft bemüht munter: „Denken Sie immer dran:
Braune Haut mag der Deutsche nur am Broiler. Von denen hier kommt niemand
wieder. Auf Wiedersehen.“
20 Jan 2024
## AUTOREN
Oliver Domzalski
## TAGS
Die Wahrheit
Schwerpunkt AfD
Björn Höcke
Schwerpunkt Neonazis
KZ
Algerien
Die Wahrheit
Alphabet
Die Wahrheit
Deutsche Bahn
Klima
künstliche Intelligenz
"Querdenken"-Bewegung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Ehrensache, Ohrensache
Immer im Dienste des Ohrs: Ein Kurzbesuch im Lauscher-Museum des
schwäbisch-fränkischen Örtchens Öhringen offenbart so einiges.
Die Wahrheit: Potzblitz! Das Alphabet ist alle!
In L. A. tagt seit einigen Wochen der Internationale Buchstabenkongress der
Vereinten Nationen. Das vorläufige Ergebnis: Chtsch Vrhltnss.
Die Wahrheit: Die Märchen der Gebrüder Kim
Eine kleine Geschichte von Großkorea formerly known as Russische Föderation
oder einfach Russland.
Die Wahrheit: Deutsche Bahn für Pufferküsser
2040: Das Modell „CLAUS VI“ rollt! GDL-Chef Claus Weselsky hat den
technischen Fortschritt maßgeblich vorangebracht und kann sich doch nicht
freuen.
Die Wahrheit: Heizen mit Plastikmüll
Der deutschlandweit erste „Kongress für Technologieoffenheit“ im
niederrheinischen Kalkar. Ein Besuch bei der Zukunft aller Dinge.
Die Wahrheit: Es werde schlicht
Von der Erschaffung der künstlichen Dummheit. Ein faszinierender Ausblick
auf eine gar nicht so ferne Zukunft.
Die Wahrheit: Lug und Trug, Schnee und Fee
Mit Skeptikern unterwegs auf der „Leugna 24“ in Leuna, der Messe für alle
Arten von Leugnern. Ein konspirativer Report.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.