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# taz.de -- Strategien gegen die AfD: Nicht nur angreifen
> Wie lässt sich die AfD stoppen? Im Osten könnte eine Strategie
> „Modernisierungspatriotismus“ sein. Bei der EU-Wahl sieht das hingegen
> ganz anders aus.
Bild: Das Bündnis Essen ruf zum Protest gegen die AfD auf. Tausende Menschen k…
Unabhängig davon, wie man zu einem [1][AfD-Verbot] steht: Für das
Superwahljahr 2024 lassen sich rechtliche Mittel nicht mehr rechtzeitig
anwenden. Gegen rechtsextreme Wahlerfolge werden andere Ansätze benötigt.
Gefordert scheint vor allem eine wehrhafte demokratische Gesellschaft.
Die Lage der Parteien bei den Landtagswahlen im Herbst bestimmt der Ausgang
der Europawahlen im Sommer mit. Hierfür sollten die pro-europäischen
Parteien ihre Intuition hinterfragen: Attackieren die demokratischen
Parteien [2][die AfD im Wahlkampf] permanent und setzen auf die
Polarisierung „Pro-Europäer versus Anti-Europäer“, steigt die
Aufmerksamkeit für beide Pole. Das dürfte Mobilisierungseffekte bei
AfD-Wählenden auslösen, Angriffe stärken den Zusammenhalt.
Damit würde man der AfD helfen, ihr größtes Problem bei Europawahlen zu
überwinden: die mangelnde Motivation ihrer Anhänger:innen, ein Parlament zu
wählen, das man ohnehin abschaffen will. Aktivierungsprobleme haben zwar
fast alle Parteien bei EU-Wahlen, die Mobilisierungsschwäche der AfD ist
allerdings überproportional. Schon bei den Europawahlen 2019 verlor die AfD
im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 etwa 2,2 Millionen Stimmen an das
Lager der Nicht-Wähler. Während sie zum Zeitpunkt der Europawahl in den
Umfragen für den Bund bei rund 14 Prozent lag, konnte sie bei der
Europawahl gerade einmal 11 Prozent holen.
Die Mobilisierungsschwäche bei Europawahlen ist im Wesen und in der
Programmatik dieser europafeindlichen Partei angelegt. Statt im Wahlkampf
auf die Frage „für oder gegen Europa?“ zu setzen, sollten die
demokratischen Parteien über die besten Konzepte für Europa streiten und
die AfD rechts liegen lassen. Das heißt nicht, dass man die AfD gar nicht
angreifen sollte. Aber dafür bietet sich eher die Markierung als
Putin-Partei an. Denn die Anhänger:innen sind in dieser Frage gespalten
und weniger russlandfreundlich als die Partei.
## Pro-Europäer müssen in großer Zahl wählen gehen
Außerdem müssen pro-europäische Wähler:innen in großer Anzahl zur Wahl
gehen. Um sie zu motivieren, ohne gleichzeitig AfD-Wählende zu
mobilisieren, ist die Zivilgesellschaft gefordert. Zum Beispiel die
überparteiliche Bürger:innen-Initiative „Pulse of Europe“, aber auch
exportorientierte Unternehmen oder junge Interrail-Nutzende könnten
Befürworter Europas für die Wahl aktivieren.
Bei den Landtagswahlen im Osten wird dieser strategische Ansatz kaum
funktionieren. Die AfD-Anhängerschaft wird in höchstem Maße mobilisiert
sein, für sie geht es um Platz eins. Trotz der hohen Umfragewerte der AfD
gibt es immer noch eine Mehrheit von rund zwei Dritteln der ostdeutschen
Wahlbevölkerung, die sich ganz und gar nicht vorstellen können, für die AfD
zu stimmen. Wie können sie motiviert werden?
[3][In Thüringen wird Bodo Ramelow], der persönlich gute Zustimmungswerte
hat, ein „Horse Race“ gegen Höcke vermutlich auf die Wahl „Demokrat vers…
Faschist“ verdichten. Das wird zur Mobilisierung der eigenen
Anhänger:innen beitragen. Allerdings ist die Demokratieunzufriedenheit
und das Misstrauen in die etablierten Parteien im Osten so hoch, dass
selbst Ramelow für diese Botschaft eben nicht der glaubwürdigste
„Messenger“ für viele Menschen ist.
Insbesondere bei den politisch eher Uninteressierten liegt das größte
Einflusspotenzial im persönlichen Umfeld, bei Bekannten oder der Arbeit. In
solchen Netzwerken gilt es, ohne für eine Partei, für die Stimmgabe an
demokratische Alternativen zu werben. In Polen hat sich gezeigt, wie die
überdurchschnittlich starke Mobilisierung von Frauen eine
rechtspopulistische Regierung mit der Kraft einer hohen Wahlbeteiligung aus
dem Amt fegen kann. Der Urnengang wurde zur Schicksalswahl über die
Selbstbestimmung der Frau gemacht.
## Unternehmen sollten sich gegen rechts einsetzen
Ebenso könnten Unternehmen und Wirtschaftsverbände in Thüringen eine
wichtige Rolle spielen. Unter einer AfD-Regierung können Exportmärkte
wegbrechen, Fachkräfte fernbleiben, staatliche Förderung für Modernisierung
gestrichen werden. Vor Kurzem hat die Firma Jenoptik aus Jena [4][die
Kampagne #BleibOffen] gestartet – ein Appell für Weltoffenheit und
Toleranz, der unternehmerische Interessen mit demokratischen Werten
verbindet.
Es braucht in diesem Jahr mehr solcher Initiativen, auch weil etwa in
Thüringen mehr als ein Drittel der Landkreise als „Transformationsregionen“
gilt. Dort ist der Beschäftigungsanteil in energieintensiven Unternehmen
hoch, denen die Dekarbonisierung besonders viel abverlangt. Eine Studie des
Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) belegt, dass die AfD in
Transformationsregionen überdurchschnittlich stark ist. Sie erreicht
Menschen, die unter „Transformationsstress“ stehen, mit multipler
Realitätsleugnung werden sie von Veränderungsdruck entlastet.
Unternehmen aus diesen Regionen werden in der öffentlichen Debatte
gebraucht, um zu erklären, welche Politik und welche Haltung nötig ist, um
den ostdeutschen Wirtschaftsstandort zu stärken, Wohlstand und
Arbeitsplätze zu sichern. Allerdings besteht der AfD-Erfolg häufig aus
einer Überlagerung von ökonomischen durch kulturelle Themen. Demokratische
Kräfte müssten so etwas wie einen „Modernisierungspatriotismus“ anbieten.
Initiativen aus der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und dem
Bekanntenkreis könnte man als „Wehrhafte Demokratie von unten“ bezeichnen,
in der das Demos sich gegen seine inneren Feinde verteidigt. Im Kleinen
wurde dieser Ansatz schon bei der Stichwahl für das Landratsamt im
thüringischen Nordhausen erprobt: Dort verhinderte nicht eine
Allparteien-Allianz den AfD-Wahlsieg, sondern ein zivilgesellschaftliches
Bündnis aus dem Umfeld der örtlichen KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Die
derzeitigen Demos gegen rechts könnten ein Anfang sein.
Dieser Beitrag erschien zuerst in längerer Fassung auf dem Blog des Think
Tanks CeMAS.
18 Jan 2024
## LINKS
[1] /Trotz-des-Treffens-mit-Rechtsextremisten/!5985237
[2] /Fake-Lebenslaeufe-in-der-AfD/!5961533
[3] /Bodo-Ramelow-ueber-die-AfD/!5963179
[4] https://www.jenoptik.de/sites/bleiboffen
## AUTOREN
Johannes Hillje
## TAGS
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Schwerpunkt Wie umgehen mit Rechten?
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