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# taz.de -- Parlamentswahl in Bangladesch: Lieber spazieren als wählen
> Da die Opposition zum Boykott aufgerufen hat, sprechen viele von einer
> Scheinwahl. Die Beteiligung beträgt laut Wahlkommission 40 Prozent.
Bild: War eine der Ersten, die gewählt haben: Premierministerin Sheikh Hasin…
Dhaka taz | Der Auto- und Rikshahupenchor blieb an diesem Sonntag aus. Es
ist ruhig wie selten in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Die Regierung
erklärte den sonst üblichen Arbeitstag zum Feiertag. Auch für Abdul ist es
still gewesen, doch er hat sich nicht freigenommen. Er steht mit seiner
geschmückten Fahrradrikscha an einer riesigen, sonst viel befahrenen
Kreuzung. Ab und zu hält ein Bus. Er und seine Kollegen warten auf
Kundschaft, doch heute kommen nur wenige.
„Früher habe ich gewählt, weil es Kandidaten von verschiedenen Parteien
gab. Dieses Mal ist es anders – es gibt nur noch eine regierende Partei,
die Awami-Liga“, sagt er mit rauer Stimme. Die [1][Opposition hatte nicht
nur zum Boykott aufgerufen], sondern auch zu einem zweitägigen Streik.
Deshalb mieden es viele, das Haus zu verlassen. Viel Sicherheitspersonal
war auf den Straßen und vor Wahllokalen zu sehen.
Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf friedliche Versammlung
zeigte sich im Vorfeld „zutiefst besorgt über das repressive Umfeld der
bevorstehenden Wahlen“. Die Behörden seien wiederholt aufgefordert worden,
das harte Vorgehen [2][gegen politische Aktivisten und Akteure der
Zivilgesellschaft dringend zu beenden].
Ins Wahllokal in Dhaka 7, im alten Teil der Stadt, ging Moly Akter mit
ihrer Schwester in den Rohbau eines Gemeindezentrums, um ihre Stimme
abzugeben. Als sie aus der Wahlkabine kommt, hat sie einen dicken blauen
Strich auf dem Daumennagel. Er soll verhindern, dass sie zweimal wählt.
## Zwei Explosionen während der Wahl
Akter ist [3][der Aufforderung von Premierministerin Sheikh Hasina]
gefolgt, ihr Wahlrecht zu gebrauchen. Laut Wahlkommission haben 40 Prozent
der fast 120 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Die
Regierungschefin war eine der ersten. „Bangladesch wird seine demokratische
Entwicklung fortsetzen“, sagte Hasina, die ihre insgesamt fünfte Amtszeit
anstrebt. Doch davon sind nicht alle überzeugt.
„Es ist nicht gut für ein Land, wenn eine Partei 15 Jahre oder länger
regiert“, meint Shaiful Ahmed aus Dhaka. Er nutzte den Tag für einen
ausgedehnten Spaziergang im Ramna-Park im Stadtzentrum statt des Ganges zur
Wahlurne. Der Bankangestellte ist auf der Suche nach Ablenkung. Es müsse
einen Wechsel an der Spitze geben, ist seine Meinung. Doch das Wahlergebnis
ist schon klar: Ohne oppositionelle Kandidat:innen, die sich nicht zur
Wahl aufstellen ließen, wird die amtierende Premierministerin Hasina einen
kampflosen Wahlsieg einfahren.
Eine Stunde nach dem Wahlende um 16 Uhr kamen schon die ersten
Wahlbeobachter:innen zusammen. Eine Delegation aus Russland war
darunter, sie lobte die Organisation. „Wir haben gesehen, dass die Wähler
aktiv waren“, äußerte sich Andrei Shufov. Andere hielten sich noch zurück
mit öffentlichen Statements.
An einer Wahlstation hatte es einen Protest von 30 Personen gegeben,
berichtete eine Beobachterin. Etwa 30 Vorfälle von Gewalt gab es laut
Behörden. Darunter waren zwei Explosionen in der Nähe eines Wahllokals in
Dhaka. Auch in der Hafenstadt Chittagong kam es zu einem Zwischenfall.
## Erfolgreich nicht gewählt
Am Sonntagabend verkündete der oppositionelle Politiker Abdul Moyeen Khan
(BNP), dass ihr Aufruf zum Wahlboykott erfolgreich gewesen sei: Nicht nur
im Namen seiner Partei, sondern vieler weiterer beglückwünschte er alle,
die „diese absurde Abstimmung ignoriert“ haben, so Khan. „In den meisten
Wahllokalen waren fast keine Wähler anwesend“, [4][sagte er
Medienvertretern.]
Die tatsächliche Zahl der Wählenden spiele keine Rolle, sagte ein
Parteikollege von Khan gegenüber der taz. In der Tat hatte die
Wahlkommission am Vorabend angekündigt, dass eine geringe Beteiligung
ausreiche.
„Unsere Premierministerin ist die einzige Wahl, die wir haben“, sagt
Mahfuz, der für eine Denkfabrik arbeitet. Es ist ein Satz, der oft zu hören
ist, vielen fehlte eine Alternative zu Hasina.
7 Jan 2024
## LINKS
[1] /Krise-der-Demokratie-in-Bangladesch/!5980042
[2] /Bangladesch-vor-den-Wahlen/!5979822
[3] https://www.thedailystar.net/election-2024/news/news/pm-casts-ballot-confid…
[4] https://www.thedailystar.net/election-2024/news/news/bnp-salutes-voters-boy…
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Bangladesch
Sheik Hasina
Parlamentswahl
Boykott
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Schwerpunkt Myanmar
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