# taz.de -- +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Geiseln trugen weiße Fahne | |
> Trotz eines erkennbaren Schutzzeichens wurden drei Hamas-Geiseln im | |
> Gazastreifen von israelischen Soldaten erschossen. Premier Netanjahu | |
> bedauert den Vorfall. | |
Bild: In Tel Aviv fordern die Angehörigen der Geiseln am Freitagabend lautstar… | |
## Noch mehr als hundert Geiseln in den Händen der Hamas | |
Von den rund 250 Geiseln, die bei dem Großangriff der radikalislamischen | |
Hamas auf Israel Anfang Oktober verschleppt wurden, befinden sich nach | |
jüngsten israelischen Angaben noch 129 in der Gewalt der | |
Palästinenserorganisation und ihrer Verbündeten im Gazastreifen. 110 | |
Geiseln wurden mittlerweile freigelassen, zudem brachte die israelische | |
Armee die Leichen von elf Verschleppten zurück ins Land. Unter ihnen sind | |
auch die sterblichen Überreste der drei Männer, die am Freitag im Norden | |
des Gazastreifens „versehentlich“ von israelischen Soldaten getötet wurden. | |
Nach von der Nachrichtenagentur AFP zusammengestellten Informationen | |
handelt es sich bei den verbliebenen Geiseln größtenteils um Zivilisten und | |
dabei um Männer. Die Hamas hält aber auch 16 Frauen sowie Soldaten in ihrer | |
Gewalt. Zudem sind vermutlich einige der 129 Verschleppten, die Israel | |
offiziell als Geiseln zählt, bereits tot. | |
AFP-Recherchen zufolge sind rund 110 der verbliebenen Geiseln im | |
Gazastreifen mutmaßlich noch am Leben. Die anderen wurden entweder während | |
ihrer Gefangenschaft getötet oder bei dem brutalen Großangriff der Hamas am | |
7. Oktober bereits als Leichen verschleppt. Unter den Überlebenden befinden | |
sind demnach 100 israelische Staatsbürger oder Menschen mit doppelter | |
Staatsbürgerschaft. Die weiteren mutmaßlich noch lebenden Geiseln sind | |
Ausländer: acht Thailänder, ein Nepalese und eine Franko-Mexikanerin. | |
Die Hamas hatte kürzlich den Tod der jüngsten Geisel, ein elf Monate altes | |
Baby, dessen vierjährigen Bruder Ariel sowie der Mutter Shiri Bibas | |
gemeldet. Israel hat den Tod dieser drei Geiseln bislang nicht bestätigt. | |
Sollten sich die Angaben bewahrheiten, befinden sich keine minderjährigen | |
Geiseln mehr im Gazastreifen. (afp) | |
## Dritte Geisel rief auf hebräisch um Hilfe | |
Die am Freitag versehentlich vom israelischen Militär im Gazastreifen | |
erschossenen drei israelischen Geiseln trugen eine weiße Fahne mit sich. | |
Das gehe aus ersten Ermittlungsergebnissen hervor, teilte das israelische | |
Militär am Samstag mit. Eine weiße Flagge gilt nach der Haager | |
Landkriegsordnung als Schutzzeichen und soll etwa die Unverletzlichkeit von | |
Unterhändlern garantieren. Sie ist auch ein Symbol der Kapitulation. | |
Ein Soldat habe die drei Geiseln in mehreren zehn Metern Entfernung | |
auftauchen sehen, sagt ein Militär-Sprecher. „Sie hatten alle keine Hemden | |
an und hatten ein weißes Tuch an einen Stock gebunden. Der Soldat fühlte | |
sich bedroht und hat geschossen.“ Der Soldat habe angegeben, es seien | |
Terroristen und dann wurde das Feuer von mehreren Soldaten eröffnet. Zwei | |
der Geiseln seien sofort tot gewesen, sagte der Sprecher. | |
Die dritte Geisel habe verwundet Schutz in einem Gebäude gesucht und auf | |
Hebräisch um Hilfe gerufen, schilderte der Sprecher den Ablauf weiter. Zwar | |
habe der Bataillonskommandeur sofort das Einstellen des Feuers befohlen, | |
aber es sei weiter auf die dritte Geisel geschossen worden, die dann | |
gestorben sei. „Das war gegen unsere Einsatzregeln“, erklärte der | |
Militär-Sprecher. Zu dem Zwischenfall ist es demnach im Bereich von | |
Schedschaija gekommen. (rtr) | |
## Jürgen Trittin fordert mehr humanitäre Hilfe für Gaza | |
Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, | |
hat die deutsche Unterstützung Israels im Kampf gegen die | |
Terrororganisation Hamas verteidigt. „Diesen Staat zu verteidigen, ist eine | |
richtige Parteinahme von uns“, sagte Trittin im „Interview der Woche“ im | |
Deutschlandfunk. Dennoch entbinde es Deutschland nicht aus der | |
Verantwortung „auch für das Schicksal der Palästinenserinnen und | |
Palästinenser, also jener fünf, sechs Millionen, die in der Westbank und im | |
Gaza leben“, fügte Trittin hinzu. | |
Deutschland habe eine Verantwortung, die sich aus der deutschen Geschichte | |
ergebe und „diese Verantwortung beinhaltet das Existenzrecht des Staates | |
Israel“. Sie beinhalte jedoch auch eine Verantwortung dafür, „zu einer | |
politischen Lösung für diejenigen fünf Millionen zu kommen, die auch in | |
diesem Gebiet leben. Keiner von diesen Menschen wird und soll dort | |
verschwinden“, betonte Trittin. (epd) | |
## Hunderte vor Israels Verteidigungsministerium | |
Während sich die Nachricht von der versehentlichen Tötung von drei Geiseln | |
im Gazastreifen durch die israelische Armee verbreitete, versammelten sich | |
am Abend vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv hunderte | |
Demonstranten. Unter ihnen waren Angehörige von Geiseln. Die | |
Protestierenden forderten [1][ein rasches neues Abkommen zur Freilassung | |
der verbliebenen Geiseln]. In der Menge wurden israelische Fahnen | |
geschwenkt und Plakate mit Porträts von Geiseln hochgehalten. „Jeden Tag | |
stirbt eine Geisel“ stand auf einem der Plakate. | |
„Wir sind nach einem niederschmetternden Abend hier versammelt, und ich | |
sterbe vor Angst“, sagte der Demonstrant Merav Svirsky, dessen Bruder als | |
Geisel in den Gazastreifen verschleppt wurde. „Wir fordern, dass es jetzt | |
ein Abkommen gibt.“ | |
Im Rahmen einer zwischen Israel und der Hamas vereinbarten Feuerpause waren | |
Ende November im Verlauf einer Woche etwa hundert Geiseln freigelassen | |
worden. Im Gegenzug ließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus den | |
Gefängnissen frei. Das Abkommen war von Katar, Ägypten und den USA | |
vermittelt worden. (afp) | |
## Netanjahu bezeichnet Vorfall als „unerträgliche Tragödie“ | |
Die versehentliche Tötung dreier Geiseln im Gazastreifen durch die | |
israelische Armee hat tiefe Erschütterung in Israel ausgelöst. | |
[2][Ministerpräsident Benjamin Netanjahu] bezeichnete den Vorfall am | |
Freitag als „unerträgliche Tragödie“ und erklärte: „Der gesamte Staat | |
Israel trauert an diesem Abend.“ Die drei von der radikalislamischen Hamas | |
verschleppten Männer waren von israelischen Soldaten während Kämpfen in | |
Schudschaija im Norden des Gazastreifens erschossen worden. | |
Die Armee äußerte „tiefstes Bedauern über den tragischen Vorfall“. Dieser | |
werde untersucht, „sofortige Lehren“ seien daraus gezogen und an alle | |
israelischen Einheiten übermittelt worden. Armeesprecher Daniel Hagari | |
versprach eine „transparente Untersuchung“. | |
Nach seinen Angaben hatten die Soldaten die drei Geiseln „versehentlich als | |
Bedrohung identifiziert“. Daraufhin hätten die Soldaten auf die Geiseln | |
geschossen, „und sie wurden getötet“. Laut Hagari vermutet die israelische | |
Armee, dass die drei Geiseln entweder der Hamas entkommen oder von ihren | |
Entführern freigesetzt worden waren. „Wir kennen die Details noch nicht“, | |
sagte der Armeesprecher. | |
Die Leichen der drei Geiseln wurden Armeeangaben zufolge nach Israel | |
gebracht. Die israelischen Streitkräfte identifizierten die versehentlich | |
Getöteten als den 26-jährigen Alon Lulu Schamris und den 28-jährigen | |
Heavy-Metal-Schlagzeuger Yotam Haim, die beide aus dem Kibbuz Kfar Asa | |
entführt worden waren, sowie den 25-jährigen Beduinen Samer El-Talalka aus | |
dem Kibbuz Nir Am. Die taz hatte Mitte November [3][über die internationale | |
Soli-Kampagne unter anderem von der Berliner Punkband ZSK zur Freilassung | |
von Yotam Haim] berichtet. (afp) | |
## US-Regierung: Tod der drei Geiseln ist „herzzerreißend“ | |
Die US-Regierung hat den Tod von drei Geiseln durch israelische Soldaten | |
als „herzzerreißend“ und „tragisch“ bezeichnet. „Natürlich ist dies… | |
Ergebnis, das sich irgendjemand gewünscht hat“, sagte der | |
Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am | |
Freitag. Er gehe davon aus, dass die Israelis sich den Vorfall genau | |
ansehen würden, um herauszufinden, wie es dazu kommen konnte. Der Fall | |
eigne sich aber nicht, um ein allgemeines Urteil darüber zu fällen, ob das | |
israelische Militär in der Lage sei, im Gazastreifen präzise vorzugehen, | |
sagte Kirby weiter. | |
Die US-Regierung hatte zuletzt nach Gesprächen mit der israelischen Führung | |
die Erwartung geäußert, dass Israel von einem militärischen Vorgehen mit | |
„hoher Intensität“ im Gazastreifen zu „gezielteren“ Militäroperationen | |
übergehen werde. Einen Zeitraum dafür nannte Washington allerdings nicht. | |
(dpa) | |
## Mossad-Chef trifft auf katarischen Regierungschef | |
Das Nachrichtenportal „Axios“ berichtete am Freitagabend, dass der Direktor | |
des israelischen Geheimdienstes Mossad, David Barnea, an diesem Wochenende | |
mit dem katarischen Regierungschef Mohammed ben Abdelrahmane Al-Thani in | |
Europa zusammentreffen werde. Dabei solle es um eine zweite Feuerpause zur | |
Freilassung von Geiseln gehen. Angaben zum genauen Ort des Treffens und zur | |
Zahl der Geiseln, die freigelassen werden könnten, machte „Axios“ nicht. | |
(afp) | |
## Hilfslieferungen auch über Kerem Schalom | |
Am Freitag beschloss das israelische Regierungskabinett, Lkw [4][mit | |
humanitärer Hilfe] „vorübergehend“ auch über den Übergang Kerem Schalom… | |
das Küstengebiet fahren zu lassen. | |
Der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, sprach | |
von einem „bedeutenden Schritt“. Ein Sprecher der | |
Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßte die „sehr gute Nachricht“. Es | |
müsse nun dafür gesorgt werden, dass die Lkw mit Hilfslieferungen alle | |
Teile des Gazastreifens erreichen könnten, nicht nur den im Vergleich zum | |
Norden weniger von Kämpfen betroffenen Süden. (afp) | |
## Bundesminister fordern Konsequenzen nach Hörsaalbesetzung | |
Nach der Besetzung des Hörsaals an der Freien Universität Berlin [5][durch | |
die Gruppe „Students for Free Palestine“] fordern Bundesminister | |
Konsequenzen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdischen Studierenden der | |
Zugang zu Hörsälen verwehrt wird, sie Anfeindungen oder gar Gewalt | |
ausgesetzt sind“, sagte Wissenschaftsministerin Bettina-Stark Watzinger | |
(FDP) der Welt am Sonntag. Rechtsstaat und Hochschulleitungen seien jetzt | |
gefordert. „Wo rechtlich möglich, darf die Exmatrikulation in besonders | |
schweren Fällen nicht ausgeschlossen sein.“ | |
Justizminister Marco Buschmann (FDP) betonte ebenfalls in der Zeitung: | |
„Universitäten sind Orte geistiger Freiheit.“ Antisemitismus, Judenhass, | |
politischer Islamismus oder religiöser Fanatismus hätten dort nichts | |
verloren. „Das ist eine Frage der Selbstbehauptung geistiger Freiheit“, | |
sagte Buschmann. Er gehe „davon aus, dass strafrechtliche Ermittlungen | |
durchgeführt und angemessene Strafen verhängt werden.“ | |
Aktivisten der Gruppe „Students for Free Palestine“ hatten am Donnerstag | |
zeitweilig einen Hörsaal der Freien Universität Berlin in Dahlem besetzt. | |
Dabei sei es auch zu antisemitischen Äußerungen und Auseinandersetzungen | |
gekommen, teilte die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft am Freitag | |
mit. Aus Sorge vor einer Eskalation und Gewalt habe sich die | |
Universitätsleitung entschieden, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und | |
die Hörsaalbesetzung durch die Polizei auflösen zu lassen. (epd) | |
## Huthi-Rebellen unterstützen weiter „palästinensische Sache | |
[6][Die Huthi-Rebellen] im Jemen wollen trotz „der Drohungen aus den USA, | |
Israel und dem Westen“ weiterhin „die palästinensische Sache unterstützen… | |
Ein führendes Mitglied der Rebellen, Ali al-Kahoum, sagte dem | |
arabisch-sprachigen Fernsehsender Al Mayadeen in Beirut, feindliche | |
Handlungen gegen den Jemen würden schwerwiegende Folgen haben. Der | |
US-Sondergesandte für den Jemen, Tim Lenderking, hatte angesichts | |
zunehmender Angriffe auf Schiffe im Roten Meer erklärt, die US-Regierung | |
strebe eine „möglichst breite“ maritime Koalition an, um die Schiffe im | |
Roten Meer zu schützen und den Huthis zu signalisieren, dass die Angriffe | |
nicht toleriert würden. (rtr) | |
## Al-Dschasira-Kameramann getötet | |
Bei einem israelischen Drohnenangriff in Chan Junis im Süden des | |
Gazastreifens ist nach Angaben von [7][Al-Dschasira] ein Kameramann des | |
Fernsehsenders am Freitag getötet worden. Der Kameramann Samer Abudaqa sei | |
während der Arbeit mit dem in der arabischen Welt bekannten | |
Al-Dschasira-Korrespondenten Wael al-Dahdu bei dem Angriff schwer verletzt | |
worden und starb wenig später, teilte der Fernsehsender mit. Wegen des | |
anhaltenden Bombardements konnten Rettungskräfte zunächst nicht zu Abudaqa | |
vordringen – letztlich konnten sie nur noch seine Leiche bergen, hieß es | |
weiter. | |
Seit Beginn des Gaza-Kriegs sind nach Angaben des in den USA ansässigen | |
Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) 63 Journalisten getötet worden. | |
Unter ihnen seien 56 Palästinenser und vier Israelis sowie drei Libanesen, | |
teilte die Nichtregierungsorganisation am Freitag mit. Journalisten sind im | |
Gazastreifen wegen der verheerenden Luftangriffe, unterbrochenen | |
Kommunikationswege, Versorgungsengpässe sowie Stromausfälle besonders | |
gefährdet. | |
In Ostjerusalem kam es unterdessen zu einem Vorfall, bei dem israelische | |
Sicherheitskräfte einen Journalisten verletzt haben sollen. In den sozialen | |
Medien verbreitete sich am Freitag ein Video, in dem zu sehen ist, wie der | |
Fotograf von den Sicherheitskräften angegriffen wird. Von den Behörden gab | |
es dazu zunächst keine offiziellen Informationen. „Wir sind schockiert von | |
der gewalttätigen Attacke auf das Mitglied unserer Organisation“, teilte | |
die Union israelischer Journalisten auf X (ehemals Twitter) mit. (dpa) | |
16 Dec 2023 | |
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